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Re: Fitug und die Eurolinux-Petition



> > Die einen bringen ihre Rechtsprechung ins gesetzeswidrige und
> 
> "Die einen bringen ihre Rechtsprechung", sowas kann man vielleicht denken,
> aber nicht schreiben. Und die Behauptung, es gaebe hier eine gesetzwidrige
> Rechtsprechung, weil einem das Ergebnis nicht passt, etwas hart. Sag doch
> "Es gibt Unklarheiten und Regelungsbedarf" ;-)

Das Gesetz ist glasklar.

Der politische Wille des Gesetzgebers, der in den 70er Jahren dahinter
stand auch nicht.  Die daraus resultierende Rechtspraxis, wie sie in den
70er Jahren existierte, ist auch gut belegt.  Patentansprueche konnten
sich damals niemals auf Computerprogramme und informationelle Gegenstaende
richten.

Laut EPUe/PatG sind Erfindungen auf nicht-informatischem Gebiet, die in
sich Programme enthalten, patentierbar.  Nicht patentierbar sind jedoch
Erfindungen, die durch ein blosses Programm verwirklicht werden koennen.

Daran hielten sich unsere Gerichte bis ca 1992.  Im Juristenjargon hiess
das "Kerntheorie": der Kern der Erfindung muss auf dem "technischen
Gebiet" liegen, d.h. auf demjenigen Gebiet, auf dem Natuerkraefte
angewendet, Elektronen verschoben werden.

Sicherlich liess der Gesetzgeber Luecken offen, in die die Justiz
schluepfte, als sie die Gesetze schleichend aenderte.  Aber der
schleichenden Aenderung lag ein wirtschaftspolitischer Wille zugrunde. Es
wurde davon ausgegangen, dass "die Softwareindustrie heutzutage ein so
wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden ist, dass es nicht mehr angehen darf,
dass sie nicht den Schutz des Patentrechts geniessen darf."

Aehnliches liesst man in zahlreichen Artikeln der Patentjuristenpresse, so
z.B. in GRUR aus der Feder eines der massgeblich an der Rechtsaenderung
beteiligten BGH-Richter unter

	http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-mellu98de.html

Diese Leute hielten es aus wirtschaftspolitischen Ueberlegungen heraus
fuer ihre Pflicht, die Gesetzesregeln zu *aendern* (nicht etwa im Rahmen
irgendwelcher verbliebenen Unklarheiten *auszulegen*).

Die Aenderung erfolgte in Deutschland in mehreren Etappen.

- Interpretation der Gesetze durch einen dehnbaren Rechtsbegriff,
  naemlich "Technizitaet" und Behauptung, dass dieser Begriff
  die ganze Absicht des Gesetzgebers zu erfassen geeignet sei
- Patentierung von technischen Erfindungen wie etwa ABS-Motorsteuerungen
  auch dann, wenn der Kern der Erfindung im Bereich der Programmlogik lag.
  Dennoch war der Gegenstand des Patentes hier nicht ein Programm,
  sondern der ganze Apparat -- schleichende Aufgabe der "Kerntheorie"
  bis Mitte der 90er Jahre
- Patentierung von Programmen, wenn ein "technischer Effekt" vorliegt
  und zunehmend lasche Interpretation des Kriteriums "Technizitaet"
  (Entscheidung "Seitenpuffer" etc), so dass dieses Kriterium eigentlich
  zunehmend ungeeignet war, seine urspruengliche Funktion als Hilfsbegriff
  zu erfuellen
- Patentanawltskonferenz in Muenchen 1997 stellt fest, dass niemand mehr
  die Rechtssprechung des EPA und BGH versteht.  Es wird zu Recht bemerkt,
  dass alle Programme "technischer Natur" seien, und dass die
  "Kerntheorie" schwer zu handhaben ist.  Also wird gefordert, alle
  Programme sollten patentierbar sein.
- 1999: BGH verwirft Kerntheorie und etabliert den Begriff der
  "programmtechnischen Vorrichtung", unter den alle Programme fallen.
  Das "Programm als solches" wird zu einer Worthuelse degradiert, ueber
  deren Bedeutung einige Patent-Akademiker sich bis heute streiten.

Dazu im folgenden noch einige Dokumente, die das klaeren helfen moegen.

     _________________________________________________________________
                                                                         
              Massive Untersützung für die EuroLinux-Petition
                                      
     20000 Bürger and 50 Firmen fordern ein softwarepatentfreies Europa
                                      
   
                         petition.eurolinux.org
                                      
                          Zur sofortigen Freigabe
                                      
   ....

   Rechtsanwalt Dipl.-Phys. Jürgen Siepman, Jusititiar des
   Linux-Verband e.V., warnt: "Die Binnenmarkt-Generaldirektion der
   Europäischen Kommission ist fester denn je entschlossen, die
   Patentierbarkeit von Programmierkonzepten durchzudrücken. Die meisten
   diesbezüglichen Entscheidungen werden in Europa derzeit unter Druck
   gefällt. Für eine Erforschung der volkswirtschaftlichen Folgen oder
   eine Rücksichtnahme auf die öffentliche Meinung bleibt da wenig
   Spielraum. Unter dem Druck des Patentanwaltsstandes zimmerte das
   Europäische Patentamt sich unter Missachtung der geschriebenen Gesetze
   seine eigenen Regeln zurecht, nach denen es bereits mehr als 10000
   Patente auf "softwarebezogene Erfindungen" vergeben hat, davon über
   75% an nicht-europäische Firmen. Bisher sind diese Patente jedoch für
   ihre Inhaber von ungewissem Wert, denn sie wurden gesetzeswidrig
   vergeben. Angesichts diplomatischer Zwänge deutet die
   Binnenmarkt-Generaldirektion nun an, sie wolle die selbstgezimmerte
   Rechtssprechungspraxis des Europäischen Patentamtes zur Grundlage der
   geplanten Rechtsharmonisierung machen. Das ist sehr schlau, denn das
   erlaubt der Generaldirektion, das Gesetz auf den Kopf zu stellen, ohne
   eine offene Diskussion zu riskieren, und gleichzeitig so zu tun, als
   bleibe alles beim alten. Das Europäische Patentamt genießt den Ruf der
   politischen Durchsetzungsfähigkeit. Und raten Sie mal, in welchem Amt
   Europas oberster Softwarepatent-Gesetzgeber diente, bevor er nach
   Brüssel zur Binnenmarkt-Generaldirektion kam?"
   
---------------
Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zu den EU-Plänen:

    http://www.cor.eu.int/coratwork/Comm6/german/134-99.htm
--------------------------------------

Der Ausschuß der Regionen möchte die Aufmerksamkeit der Kommission auf die
Tatsache lenken, daß der Patentschutz nicht universal ist, sowie auf die
Gefahren der systematischen Patentierung des geistigen Eigentums
hinweisen. Diese Fragen betreffen hauptsächlich die neuen Technologien und vor
allem die Informationstechnologien und die Biowissenschaften, die Gegenstand
einer inhaltsreichen und leidenschaftlichen Diskussion sind.

Im Fall der Software haben die seit den siebziger Jahren in den großen, von
dem Thema betroffenen Staaten geführten Diskussionen alle zu dem Ergebnis
geführt, daß das System der Urheberrechte gelten soll, obwohl es den
Besonderheiten des Bereichs nicht umfassend gerecht wird. Die europäische
Richtlinie vom 1. Januar 1993 zeigte insbesondere den goldenen Mittelweg zur
Förderung der "Interoperabilität" von Programmen, um wettbewerbsschädliche
Strategien mit dem Ziel einer marktbeherrschenden Stellung zu
konterkarieren. Seit mehreren Jahren ist die amerikanische Rechtsprechung dazu
übergegangen, die Ausstellung von Patenten für "Softwareelemente" zu gewähren,
was sie bis dahin abgelehnt hatte. Und der Druck Amerikas auf Europa zur
Gewährung der Patentfähigkeit auf europäischer Ebene nimmt immer mehr zu.

Dabei sind die Risiken hier sehr hoch. Ein derartiges Vorgehen bedroht die
Innovationsdynamik in dieser Industrie, da sie zu einer Isolierung der
Kenntnisse und Verfahren führt, die jegliche Kombination unterbindet. So
finden sich unter der Vielzahl in den Vereinigten Staaten angemeldeter und
eingetragener Patenten zahlreiche Verfahren oder sogar Algorithmen. Viele
scheinen von den Merkmalen Neuheit und Originalität, die eigentlich
Voraussetzung für die Ausstellung eines Patents sind, weit entfernt zu sein.
Sollte die Ausstellung von Patenten für Software zur festen Einrichtung
werden, so wäre das eine Waffe zur Stärkung der Vormachtstellung der größten
amerikanischen Marktführer in diesem Bereich. Sie wäre eine direkte Bedrohung
für die Masse der innovatorischen KMU, sowohl in Europa als auch in den
Vereinigten Staaten und anderswo.  Schließlich würde sie ein sehr großes
Handicap für die europäische Softwareindustrie darstellen, die trotz des hier
eingesetzten hochwertigen Fachwissens große Schwierigkeiten hat, im Handel
wettbewerbsfähig zu sein.

>>

Patentanwalt Betten, Vorsitzender der Software-Arbeitsgruppe der "Union der
Europäischen Patentberater" schreibt über die neueste Patentrechtsprechung:

<<

  In einer noch unveröffentlichten Entscheidung vom 13. Dezember 1999 hat der
  Bundesgerichtshof nun endlich die Gelegenheit ergriffen und
  Softwareerfindungen, denen technische Überlegungen zu Grunde liegen, für
  patentfähig erklärt.  Damit hat der BGH mit der Entscheidungspraxis des
  Europäischen Patentamtes gleichgezogen und das Tor für die Erteilung von
  Softwarepatenten auch durch das Deutsche Patent- und Markenamt weit geöffnet.
  Da unter diese technischen Überlegungen auch programmtechnische Gedanken wie
  etwa die Verringerung der Rechenzeit, die Einsparung von Speicherplatz usw
  fallen, sind in der Praxis fast alle Programme dem Patentschutz zugänglich,
  sofern sie neu sind und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen. ...

  ...

  Durch die oben skizzierte Entwicklung der Rechtsprechung sowie die zunehmende
  Internationalisierung des Geschäftslebens hat sich das Patentrecht von der
  traditionellen Beschränkung auf die verarbeitende Industrie gelöst und ist
  heute auch für Dienstleistungsunternehmen in den Bereichen Handel, Banken,
  Versicherungen, Telekommunikation usw. von essentieller Bedeutung.  Ohne
  Aufbau eines entsprechenden Patentportfolios ist zu befürchten, dass die
  deutschen Dienstleistungsunternehmen in diesen Sektoren insbesondere gegenüber
  der US-amerikanischen Konkurrenz ins Hintertreffen geraten. ...

>>

Ferner Artikel Betten & Esslinger "Patentschutz im Internet" in Computerrecht,
Januar 2000, zur europäischen Rechtsentwicklung:

<<
Der Ausschluss von "Computerprogrammen als solchen" vom Patentschutz in
Art. 52 EPÜ (§1 PatG) wird seit langem als rechtspolitische Fehlentscheidung
angesehen, zumal der Ausschluss von breiten Verkehrskreisen - bis heute -
missverstanden und meist als Ausschluss von Computerprogrammen allgemein
verstanden wird.

... den Round Table der UNION am 9./10.12.1997, als im Europäischen Patentamt
100 Fachleute aus zwanzig europäischen Ländern über die Zukunft des
Patentschutzes von Software in Europa diskutierten und zu einem ähnlichen
Eindruck kamen wie die AIPPI.  Zudem wurde darauf hingewiesen, dass das
Konzept des EPA zum "technichen Charakter" weder von den Patentanmeldern noch
von den nationalen Patentämtern richtig verstanden würde.  Viele Teilnehmer
machten klar, dass eigentlich alle Computerprogramme dem Wesen nach
"technischen Charakter" aufweisen würden.  Seit dieser Zeit wird praktisch
"auf allen Kanälen" daran gearbeitet, einen Weg zu finden, wie der
irreführende Ausschluss von "Computerprogrammen als solchen" aus dem
europäischen Patentgesetz entfernt werden kann, wobei konsequenterweise auch
die anderen Ausnahmeregeleungen in Art. 52 Abs. 2 EPÜ (§1 PatG) zur
Disposition stehen.

...

Nachdem nun auch die Regierungskonferenz der Mitgliedstaaten der Europäischen
Patentorganisation im Juni 1999 in Paris dem EPA das Mandat erteilt hat, vor
dem 1.1.2001 eine revidierte Fassung von Art. 52 Abs. 2 EPÜ bezüglich des
Ausschlusses von Computerprogrammen vorzulegen, so dass die geänderte Fassung
vor dem 1.7.2000 in Kraft tritt, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis die
Computerprogramme (und auch die anderen Ausschlussregelungen) aus Art. 52 EPÜ
gestrichen sind.

Daneben bemüht sich die Rechtsprechung - wie ausgeführt -, die derzeitige
Gesetzesregelung so eng auszulegen, dass praktisch alle Computerprogramme -
bei entsprechender Anspruchsformulierung - technischen Charakter besitzen und
patentfähig sind, wenn sie neu und erfinderisch sind.

>>