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BVerfG: Urheberrecht / Kunstfreiheit
- To: debate@fitug.de
- Subject: BVerfG: Urheberrecht / Kunstfreiheit
- From: JOHANNESULBRICHT@cs.com
- Date: Wed, 26 Jul 2000 11:12:31 EDT
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"...Dabei ist grundlegend zu beachten, dass mit der Veröffentlichung ein Werk
nicht mehr allein seinem Inhaber zur Verfügung steht. Vielmehr tritt es
bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum und kann damit zu einem
eigenständigen, das kulturelle und geistige Bild der Zeit mitbestimmenden
Faktor werden. Es löst sich mit der Zeit von der privatrechtlichen
Verfügbarkeit und wird geistiges und kulturelles Allgemeingut (BVerfGE 79, 29
<42>). Dies ist einerseits die innere Rechtfertigung für die zeitliche
Begrenzung des Urheberschutzes, andererseits führt dieser Umstand auch dazu,
dass das Werk umso stärker als Anknüpfungspunkt für eine künstlerische
Auseinandersetzung dienen kann, je mehr es seine gewünschte gesellschaftliche
Rolle erfüllt. Diese gesellschaftliche Einbindung der Kunst ist damit
gleichzeitig Wirkungsvoraussetzung für sie und Ursache dafür, dass die
Künstler in gewissem Maß Eingriffe in ihre Urheberrechte durch andere
Künstler als Teil der sich mit dem Kunstwerk auseinander setzenden
Gesellschaft hinzunehmen haben. Zur Bestimmung des zulässigen Umfangs dieser
Eingriffe dienen die Schrankenbestimmungen des Urheberrechts (§§ 45 ff.
UrhG), die ihrerseits aber wieder im Lichte der Kunstfreiheit auszulegen sind
und einen Ausgleich zwischen den verschiedenen - auch verfassungsrechtlich -
geschützten Interessen schaffen müssen. Dem Interesse der
Urheberrechtsinhaber vor Ausbeutung ihrer Werke ohne Genehmigung zu fremden
kommerziellen Zwecken steht das durch die Kunstfreiheit geschützte Interesse
anderer Künstler gegenüber, ohne die Gefahr von Eingriffen finanzieller oder
inhaltlicher Art in einen künstlerischen Dialog und Schaffensprozess zu
vorhandenen Werken treten zu können.
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Steht - wie vorliegend - ein geringfügiger Eingriff in die Urheberrechte ohne
die Gefahr merklicher wirtschaftlicher Nachteile (z.B. Absatzrückgänge, vgl.
hierzu BGH, GRUR 1959, S. 197 <200>) der künstlerischen Entfaltungsfreiheit
gegenüber, so haben die Verwertungsinteressen der Urheberrechtsinhaber im
Vergleich zu den Nutzungsinteressen für eine künstlerische Auseinandersetzung
zurückzutreten..."
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20000629_1bvr082598