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Re: Ihre Website gegen rechte Gewalt



-----BEGIN PGP SIGNED MESSAGE-----

At 16:53 22.08.00 +0200, you wrote:
>Hallo Herr Dr. Schwager,
>hier nun meine angekündigte Antwort.

>> "einzelne" Internet-PC's. Sehr schön ausgedrückt - ich aber frage:
>> wer legt die Filterkriterien fest, wer den Empfängerkreis der
>> Beglückten und WER KONTROLLIERT DIE KONTROLLEURE? Wer darf
>> überhaupt in
>> einsamer Entscheidung einem anderen Menschen (oder vielen)
>> Grundrechte
>> aberkennen?! Werden Ihre Beglückten wenigstens vorher gefragt was
>> sie von Zensur halten, oder überhaupt über deren Existenz
>> informiert?
>--- Die Filterkriterien legt jeder Nutzer selbst fest. So wie manche
>heute Werbebanner ausblenden (gute Software bietet hier wohl
>Webwasher),
>kann auch die Software der Berteslmann-Stiftung, bzw. der Internet
>Content
>Rating Association (ICRA) genutzt werden, um bestimmte Inhalte nicht
>erscheinen zu lassen. Welche Seiten, das legen allein Sie als Nutzer
>fest. Und wenn
>Sie gegen das Ausblenden solcher Inhalte sind, dann nutzen Sie den
>Filter
>einfach nicht. Es ist lediglich ein ANGEBOT.

einen Filter für einen selber halte ich für ein Märchen. Ich selbst
brauche mich nicht zu filtern, denn der Filter sitzt ja bereits
zwischen meinen beiden Ohren. Mit anderen Worten, wenn ich
beispielsweise Porno-Seiten nicht sehen will, dann suche ich sie erst
garnicht auf! Sollte ich zufällig darauf stoßen (und das ist auch bei
"rechten" Seiten ziemlich unwahrscheinlich), dann kliche ich eben weg!

Nein, Filter sind immer für ANDERE gemacht und das weiß die
CDU-Initiative natürlich. Sie sprachen ja selber bereits von
"öffentlich geförderten Einrichtungen, beispielsweise Bibliotheken",
siehe:

>--- Ich denke schon, dass diese Art von Filter funktionieren. Sie
>werden ja auch heute schon erfolgreich angewendet. Etwa in
>Bibliotheken und
>Jugendbüchereien, in denen jugendgefährdende Inhalte ausgeblendet
>werden.

sie mögen funktionieren in der Hinsicht, daß sie *Irgendetwas*
ausblenden, aber was das ist und welche Wirkung damit erzielt werden
lesen Sie besser nach bei (nomen est omen):

http://www.koehntopp.de/kris/artikel/rating_does_not_work/. 

Ich wiederhole: Filter funktionieren weder technisch (s. auch weiter
unten), noch sozial. Sozial deshalb nicht, weil kein Mensch das Recht
hat anderen Menschen Grundrechte abzusprechen und sei es nur partiell.
Und weil Inhalte/Kommunikation "unscharf" sind, unendlich weit
entfernt von den beiden Computerzuständen "0" und "1" und eben nicht
mit einem klaren Ja/Nein zu erfassen sind. Ganz abgesehen von der
Integrität des Filternden...

>> Der EINZIGE Filter, der funktioniert ist der wertende, wichtende
>> menschliche Kopf mit ethischen Grundsätzen auf einem moralischen
>> Fundament. Ich habe 3 Kinder, die von ihren Eltern erzogen und
>> ausgebildet werden sollen und nicht von irgendwelchen
>> selbsternannten und darüberhinaus nicht demokratisch legitimierten
>> Zensoren.

>--- Sehr schön (und das ist mein voller Ernst !).

es freut mich, daß wir in einem wichtigen Punkt einer Meinung sind
:-).

>> Zur
>> Netiquette, also den Benimmregeln im Netz gehört übrigens unter
>> anderem, daß man erst mal zuhört, bevor man spricht.

>--- Wenn alle nur zuhören passiert nie etwas. Irgendwer muss doch
>auch mal den ersten RFC erstellen, um eine Diskussion in Gang zu
>bringen.

von "nur" zuhören im Sinne von ausschließlich habe ich auch nicht
gesprochen. Aber die Reihenfolge ist schon wichtig: erst zuhören (und
daraus lernen!), dann reden. Wenn die CDU begriffen hätte, was das
Netz ist, wie es funktioniert und welche Bedeutung Meinungs - und
Redefreiheit dort haben, hätte sie diese Site nicht eröffnet,
jedenfalls nicht in dem Stil. Und wenn sie wirklich den "mündigen
Bürger" (OK, das Zitat ist von Heinemann) wollte, auch nicht.

Und ich behaupte darüberhinaus: wenn nicht gerade Sommerloch wäre,
ebenfalls nicht...

>> Wenn die CDU immer noch an Filter zur Lösung irgendwelcher Probleme
>> glaubt, dann hat sie aus der neueren Netzgeschichte nichts gelernt
>> (Stichworte sind: XS4ALL, Compuserve, "Medienrat", RIAA, MP3). Ich
>> vermute allerdings auch in der CDU einige des Internets fähige
>> Leute und erkenne deshalb eine populistische Aktion schlimmster
>> Machart,
>> die wie gesagt an die selbsternannten Blockwarte und Denunzianten,
>> also
>> die niederen Instinkte in uns appeliert.

>--- Wenn ich ein Denunziant bin, weil ich einen Menschen anzeige, der
>auf seiner Homepage Kinderpornographie verbreitet, zum Rassenhass, zu
>Gewalt oder gar Mord aufruft, dann dürfen Sie mich gerne Denunziant
>oder
>Blockwart nennen.

ja das tue ich dann, wenn Sie dies 1) *ananonym* tun, also nicht mit
Ihrem Namen dafür geradestehen - und genau DAZU wird ja aufgerufen -
und wenn Sie dabei 2) die Falschen erwischen. Dies ist übrigens das
hervorstechende Merkmal aller Filtersysteme, die mit Namens-Listen
arbeiten! Sie haben Fehlerraten jenseits 30%, erfassen aber auf der
anderen Seite viele eigentlich zu filternde Inhalte nicht, wiegen also
den Zensor in einer doppelten falschen Sicherheit!!

>> Planen Sie denn wenigstens die Filterliste offen zu legen, damit
>> sich Websitebetreiber wie www.cdu.de oder www.schwager.net gegen
>> ihre
>> Listung auch wehren können??

>Die Einträge werden natürlich überprüft. D.h. es wird geschaut, ob
>sich hinter den Adressen rechtsextremistische Seiten verbergen oder
>nicht.
>Falls nicht, landen die Seiten auch nicht bei den
>Strafverfolgungsbehörden
>oder in der Filtersoftware.

und falls Sie sich irren, oder "es" merkwürdige Moralvorstellungen
hat? 

Erfahren die betroffenen Websitebetreiber von der Anschuldigung? Haben
sie die Möglichkeit wie in einem Rechtsstaat gegen Sie wegen falscher
Anschuldigung vorzugehen? Geschieht dies öffentlich (=nachprüfbar)?

Ich fürchte: 3x nein... Again: wer kontrolliert die Kontrolleure?

>> Warum erwähnen Sie das seit Jahren bestehende Nizkor-Projekt nicht
>> (http://www.nizkor.org), deren jüdische Betreiber sich vehement
>> GEGEN jede Form von Zensur rechtsextremistischen Gedankenguts
>> ausgesprochen haben und davon überzeugt sind, daß dies NUR in einer
>> offenen
>> "Feldschlacht" der Argumente bekämpft werden kann. Und die davon
>> überzeugt sind, daß sich die Wahrheit durchsetzen wird.

>--- Den Link nehmen wir gerne auf.

Danke :-)!

>> Die Probleme, die die Rede-
>> und
>> Meinungsfreiheit auslösen, lassen sich nicht durch Einschränkung
>> der Freiheit, sondern nur durch noch mehr Freiheit beheben."
>> (Quelle H.Faber Telepolis 13.08.00)

>Hier wiederhole ich mich gerne: --- Wann begreifen die Verfechter der
>absoluten Free-Spech, dass kein Freiheitsrecht grenzenlos gewährt
>werden kann, weil es dann immer und zwangsläufig die Freiheit anderer
>einschränkt?

im Gegenteil: mit Zensur wird *meine* Freiheit beschnitten, nämlich
mich mit dem Gewaltproblem argumentativ auseinander zu setzten und
dieses dadurch zu bekämpfen. Beschnitten dadurch, daß diese
Gewaltdarstellungen unterdrückt und in den Untergrund abgeschoben
werden. So wird also eher das genaue Gegenteil dessen erreicht, was
Sie bezwecken wollten. Sie können eben Zensoren, die den Holocaust und
das Recht aller auf menschenwürdiges Leben leugnen nicht mit Zensur
bekämpfen, sondern nur mit der Freiheit von Information und Diksurs.

>Ich denke, gerade an dieser Frage wird unsere unterschiedliche
>Herangehensweise an das PRoblem deutlich. Ihrer grundsätzlichen
>Beurteilung "Argumentative Auseinandersetzung ist höher zu bewerten
>als das
>Ausblenden bestimmter Inhalte" teile ich jedoch vollkommen.

gut, dann lassen Sie uns damit beginnen. Dann sollten wir schon im
Vorfeld alles, was auch nur unterschwellig Ausländerfeindlichkeit
begünstigen kann unterlassen (z.B. "Kinder statt Inder" Parolen). Dann
sollten alle in diesem Gemeinwesen, jeder einzelne Bürger in seinem
jeweiligen Wirkungsbereich arbeiten. Dann sollte aber auch alles
vermieden werden, was rechter (und anderer Gewalt) unnötigerweise zum
Märtyrertum verhilft - und dazu zähle ich Ihre Site.

Zwar ist wie ich meine *jeder Einzelne* gefordert, aber die Politik
hat eine herausgehobene Position, für viele geradezu eine
Vorbildfunktion. Dieser Verantwortung sind Sie mit der Initiative
Netzgegengewalt meiner Meinung nach nicht gerecht geworden und deshalb
habe ich Ihnen geschrieben.

Ich hoffe, daß das Echo (u.a. in Ihrer NGG-Community abgedruckt) auch
die politisch Verantwortlichen Merkel und Heilmann erreicht; auf
E-Mail reagieren sie jedenfalls nicht, ebenso nicht wie der Herr Merz
der eine eigene Homepage im Netz betreibt und dort die Bürger zur
Kommunikation mit ihm auffordert.

Danke für's lesen und alles Gute wünscht Ihnen        
Horst-Walter Schwager


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