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Spiegel-Bericht zu BMJ+GI
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- Subject: Spiegel-Bericht zu BMJ+GI
- From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
- Date: Fri, 15 Sep 2000 16:01:16 +0200 (CEST)
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[ct-13073192] SPIEGEL ONLINE - 15. September 2000, 12:26
URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,93409,00.html
Softwarepatente
Die Deutschen preschen vor
Das Bundesjustizministerium setzt jetzt auf die europäische
Patentierungsrichtlinie. Auch die Gesellschaft für Informatik spricht
sich für eine Softwarepatentierung aus.
Der Verwaltungsrat des Europäischen Patentamts (EPA) in München hat
Man muesste strenggenommen schreiben "der Europaeischen Patentorganisation
(EPO)". Nachteil: fuer den normalen Leser weniger verstaendlich.
sich für die Patentierung von Computerprogrammen ausgesprochen. Die
Entscheidung fiel denkbar knapp aus: Mit zehn gegen neun Stimmen
stimmte der Verwaltungsrat für eine Streichung der
Einschränkungsklausel, dass Computerprogramme "als solche" nicht
patentfähig sind. Dabei stimmten Deutschland, Großbritannien und
Frankreich dagegen. Jeder europäische Mitgliedstaat verfügt über eine
Stimme.
Damit sind die Weichen für die diplomatische Konferenz der am EPA
beteiligten Staaten Ende November gestellt. Eine Richtungsänderung
könnte nur noch auf Grund eines massiven politischen Drucks zu Stande
kommen - ebenfalls auf europäischem Parkett: Die Europäische
Kommission bereitet derzeit eine Patentierungsrichtlinie vor. Die
stimmt nicht.
Der Verwaltungsrat ist nur ein Gremium aus Patentjuristen von
Patentaemtern und Justizministerien.
Das EPUe muss aber von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden.
Wenn von dort weiterhin klare Signale kommen, werden die Patentjuristen
den Eklat nicht riskieren.
Bundesregierung will deshalb der Europäischen Kommission demnächst
ihren Standpunkt erläutern.
Interessant. Gibt es dafuer naehere Belege?
Wer spricht im Namen der Bundesregierung mit der EK?
Falls es das BMJ ist, dann wird nur der Standpunkt des Berufsstands der
Patentjuristen erlaeutert.
Die Kritik des Bundesjustizministeriums richtet sich nicht gegen
Softwarepatente als solche, sondern gegen "amerikanische Zustände",
sagte Elmar Hucko, Abteilungsleiter für Wirtschaftsrecht im
Bundesjustizministerium, dem "Handelsblatt". Dort führen eine
"fuehren" muesste heissen "fuehrten". Denn Herr Hucko luegt.
mangelnde Prüfpraxis
Die Pruefungspraxis ist in EU nicht wesentlich besser, s. Aharonian.
und ein fehlendes Widerspruchsrecht
In den USA gibt es auch ein Widerspruchsrecht (reexamination). Das
deutsche Einspruchsrecht wird kaum genutzt. Im Softwarebereich hat es
beim DPMA noch keinen einzigen Einspruch gegeben. Und das aus gutem
Grund: wer einspraeche, waere ziemlich dumm. Verdeckte Truempfe sind
viel wirksamer.
dazu, dass sogenannte Sperrpatente angemeldet werden können.
Es gibt jede Menge Sperrpatente in Europa. Gerade in Europa, wo die
weltweit breitesten Patentansprueche erlaubt sind. Mithilfe einer
Aequivalenzargumentation liess sich z.B. in Europa das Prinzip des
Katalysator-Automotors von Toyota patentieren. Das gleiche Prinzip konnte
in US und JP nicht patentiert werden.
Ich habe nicht unbedingt etwas gegen Sperrpatente im Bereich der
Automobilindustrie. Aber die Konstruktion eines Zusammenhangs zwischen
Pruefungspraxis und Sperrfunktion ist Unsinn. Hat Herr Hucko das wirklich
gesagt?
Sie werden dann wie
das berüchtigte "One-Click-Patent" des Online-Buchhändlers Amazon
primär gegen Mitbewerber eingesetzt.
M.a.W. Herr Hucko fuerchtet die schlechte Presse, die aus dem
Amazon-Patent resultierte. Derweil hat das EPA laengst zahlreiche Patente
gleicher Art gewaehrt, und Herr Hucko moechte die letzten Hindernisse aus
dem Wege raeumen, die verhindern, dass diese Patente durchgesetzt werden
koennen.
Herr Hucko gibt selbst zu, dass das das BMJ die Streichung des
Ausschlusses 52.2c eigentlich befuerwortet.
Auch Heinrich Mayr, Präsident der Gesellschaft für Informatik,
schaltete sich jetzt in die Diskussion ein. Er sprach sich für
Softwarepatente aus. Schon längst könne man nicht mehr von einer
"Kunst der Computerprogrammierung" sprechen, sondern von
"Softwaretechnik". Deshalb sei es "nur folgerichtig, auch die
Spielregeln der Technik auf neue Erfindungen im Bereich der
Softwareentwicklung anzuwenden und für diese einen patentrechtlichen
Schutz zu ermöglichen."
Allerdings sprach sich Mayr gegen den Schutz einfacher Standards aus,
die der Errichtung von "Quasi-Monopolstellungen" dienten. Dies müsse
durch eine strenge Prüfpraxis verhindert werden.
Vor dem Hintergrund,
dass "praktisch keine" Informatiker in patentrechtlichen Fragen
involviert sind, sei es nötig, Informatiker zu Prüfern zu bestellen.
Damit könnten auch den Bedenken der Open-Source-Bewegung Rechnung
getragen werden.
Damit referiert Christiane sehr korrekt das Armutszeugnis des Herrn Mayr,
das ich eben in einem getrennten Schreiben seziert habe.
Von wem wird die GI gesponsort?
Christiane Schulzki-Haddouti
Ich verstehe nur noch nicht so ganz, in welcher Hinsicht die Deutschen den
nun vorgeprescht sind. Herr Hucko macht ja selbst deutlich, dass er fuer
die Streichung des Computerprogramm-Ausschlusses ist. Zusammen mit Herrn
Mayr versucht er, den Anschein eines Problembewusstseins zu erwecken,
indem er auf Scheinloesungen (Widerspruchsrecht, verbesserte
Pruefungspraxis) verweist, die allenfalls geeignet sind, "Kritiker zu
beschwichtigen und Parlamentariergewissen zu beruhigen" (MdB Wodarg).
Eigentlich muessen wir den Ruecktritt der BMJ-Delegierten fordern.
Es ist diesmal unbedingt notwendig, dass die deutsche Delegation zu
mindestens 2/3 aus Personen besteht, die nicht vom Patentsystem leben und
deren Zukunft nicht von dessen Ausdehnung abhaengt.
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© SPIEGEL ONLINE 37/2000
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Zum Thema:
Kontext:
· Netzdepesche: Software-Patente - Fesseln für die Open Source?
http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,91895,00.html
· Netzdepesche: Streit um Patente
http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,85001,00.html
Im Internet:
· Europäisches Patentamt: Basisvorschlag zu Softwarepatenten
http://www.european-patent-office.org/news/headlns/2000_08_17_d.htm
· Eurolinux-Petition
http://petition.eurolinux.org/
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