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[FYI] [HEISE] ICANN: Wahlkampf hat begonnen
- To: debate@fitug.de
- Subject: [FYI] [HEISE] ICANN: Wahlkampf hat begonnen
- From: Sebastian Zimmermann <sz@bigfoot.com>
- Date: Thu, 21 Sep 2000 19:24:59 +0200
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Sender: owner-debate@fitug.de
Hintergrund: Der ICANN-Wahlkampf läuft an
[21.09.2000 19:11 ]
Vielleicht bereuen manche Kandidaten für einen Sitz im Direktorium der
Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) ihre
Kandidaturen schon wieder der erste europäische Internet-Wahlkampf der
fünf von ICANN nominierten und der zwei von den Usern gewählten Kandidaten
fordert auf jeden Fall eine Menge "Aufmerksamkeits"-Arbeit. Das von ICANN
eingerichtete Frage-Antwort-Forum[1] ist nur eine Adresse, unter der die
Kandidaten den Wählern Rede und Antwort stehen sollen. Morgen abend
zwischen 18 und 20 Uhr können Wähler fünf der sieben europäischen
Kandidaten beim Chat auf den ICANN-Europe-Seiten[2] des Fördervereins
Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG e.V.) treffen. Am Montag
zwischen 15 und 16 Uhr sind die drei deutschen Kandidaten auf dem
Tagesspiegel-Podium[3] zu beobachten, das per Live-Stream auch im Internet
verfolgt werden kann. Alle Europa-Kandidaten hätte man leider nicht dazu
bitten können, bedauerten die Berliner Redakteure, das wäre babylonisch
geworden.
Ohnehin werden den drei deutschen Kandidaten die besten Chancen bei der
Wahl vom 1. bis 10. Oktober eingeräumt. Im Wahlkampf gehören sie zu den
Aktivsten, allerdings auf sehr unterschiedliche Weise. Die Berliner
Politikwissenschaftlerin Jeanette Hofmann, neben
Chaos-Computer-Club-Sprecher Andy Müller-Maguhn von den Mitgliedern auf die
Kandidatenliste gehievt, läßt kaum eine Frage auf einer Mailing-Liste
unbeantwortet. 250 bis 300 Mails erhält sie täglich, mindestens 50
substantielle Antworten pro Tag kann sie bewältigen. Wie der norwegische
Kandidat Alf Hansen, ebenfalls zu Antworten auf alle Fragen der User
bereit, beantwortet sie grundsätzliche ICANN-Fragen in einer FAQ. Trotzdem
bedeutet der Wahlkampf für sie zur Zeit sieben Tage Arbeit in der Woche.
Ein bisschen zusätzliche Werbung für Hofmann kommt vom US-Kandidaten
Lawrence Lessig, der ihre Wahl empfiehlt.
Top-Favorit Müller-Maguhn, der mit mehr Stimmen als jeder andere Kandidat
weltweit nominiert wurde, ist der Medienliebling über ihn berichtet nun
auch der deutsch-französische Kulturkanal Arte Anfang Oktober in einer
Info-Sendung. Dem Medieninteresse nicht nur zum Thema ICANN muss der
Berliner allerdings so viel Zeit widmen, dass er wenig an den Diskussionen
über Mailing-Listen teilnehmen kann.
Für die perfekte eigene Wahlkampf-Website[4] samt allwöchentlichem Chat
jeden Donnerstag um 17 Uhr, wie sie Winfried Schüller hat, reicht es da
nicht mehr. Schüller, der wochenlang Anfragen an die Telekom-Pressestelle
weitergeleitet hatte, verfügt eindeutig über das stärkste Back-Office.
Obwohl er inzwischen betont, er kandidiere als Privatmann, kann man davon
ausgehen, dass er seine Seiten nicht privat pflegt. Als Eigentümer der
Domain winfriedschueller.de ist jedenfalls die Telekom-Tochter Te De Nova
Berkom ausgewiesen. Auf eine ähnliche Unterstützung hätten wohl allenfalls
die von verschiedenen Industrieverbänden favorisierten Kandidaten verfügen
können, die allerdings nicht die notwendigen Nominierungsstimmen erhalten
hatten. Letztlich bleibt die "private" Telekom-Kandidatur problematisch und
die Aussage Schüllers, dass es keine Konfliktsituationen für den
At-Large-Vertreter und Telekom-Mitarbeiter geben wird, wirkt naiv. Mit
ähnlichen Vorbehalten hat übrigens auch der ebenfalls nominierte
France-Telecom-Mitarbeiter Olivier Muron zu kämpfen.
Welche Wahlkampfstrategie aufgeht und ob die Faktoren Nationalität,
professioneller Hintergrund, Web-Präsenz oder Medienbekanntheit den
Ausschlag geben werden, bleibt abzuwarten. "Wir können die Faktoren nicht
gewichten, weil wir die Wählerschaft nicht kennen," sagt Thomas Roessler
von FITUG. Trotz vieler Bemühungen[5] um die statistische Auswertung der
At-Large-Bewegung, ist derzeit noch nicht einmal klar, wie sich die
Europa-Wählerschaft genau zusammensetzt. "Wir wissen auch nicht, wer der
User eigentlich ist", sagt Roessler. Obwohl nach der umständlichen Prozedur
der Wählerregistrierung nur noch die Hälfte der ursprünglich interessierten
Mitglieder verblieben ist, stellt die Zusammensetzung der 76.504 Wähler den
Unsicherheitsfaktor Nummer eins dar. Die ICANN-Europe-Liste, einziges
europäisches Forum, das Kandidaten und Wähler aus den verschiedensten
Ländern zusammengebracht hat, könnte so etwas wie eine Keimzelle für
Europas ICANN-Öffentlichkeit werden. Darauf hoffen die ehrenamtlichen
Organisatoren. In den USA wird ICANN-Europe bereits als Modell gehandelt.
Die Nordamerika-Kandidaten wurden indessen vom Berkman Center für den 2.
Oktober eingeladen[6]. In den anderen drei Regionen Afrika, Asien/Pazifik
und Lateinamerika/Karibik dümpelt der Wahlkampf demgegenüber nur müde vor
sich hin: Auf dem Frage-und-Antwort-Forum für die Lateinamerika-Kandidaten
hat sich noch gar niemand gerührt. Auf der Asien-Seite wird vor allem über
Nicht-ICANN-Themen wie beispielsweise die Haltung der Kandidaten zu Chinas
Ein-Land-Zwei-Systeme-Problem diskutiert. (Monika Ermert) (chr[7]/c't)
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URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/newsticker/data/chr-21.09.00-004/
Links in diesem Artikel:
[1] http://members.icann.org/qa.html
[2] http://www.fitug.de/icann-europe/index.html
[3] http://www.tagesspiegel.de/Pubs/sonderthema7/pageviewer.asp?TextID=2009
[4] http://www.winfriedschueller.de
[5] http://www.icannnot.org/icannel.cgi?s=e&r=EU&l=d
[6] http://cyber.law.harvard.edu/icann/candidateforum/
[7] mailto:chr@ct.heise.de