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[FYI] Der grüne Weg in die Infogesellschaft



http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/8944/1.html

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Der grüne Weg in die Infogesellschaft

Stefan Krempl   18.10.2000

Gleich drei Konferenzen sollen die Grünen vom Makel der
Technikfeindlichkeit befreien und auf Netzkurs bringen

Nachdem die Bündnisgrünen im Wende-Wahlprogramm
informationstechnische Abstinenz zelebrierten und die Netzpolitik
seit ihrer Regierungsbeteiligung haben schleifen lassen, soll jetzt
die Informationsgesellschaft grün gefärbt werden. Kampf dem Digital
Divide, E-Commerce und Open Source für alle sowie Softwarepatente für
niemand lauten die Schwerpunkte der neuen IT-Offensive.

[...]

Probleme mit der Offenheit

"Treiber" wollen die Bündnisgrünen auch bei der Förderung des
Einsatzes von Open-Source-Software in der Bundesverwaltung bleiben,
kündigte Götz von Stumpfeldt, Mitarbeiter der dem Fraktionsvorstand
angehörigen Bundestagsabgeordneten Margareta Wolf, an. Die Open-
Source-Prinzipien - dazu zählt von Stumpfeldt "Transparenz",
"Kooperation" und die "Stärkung des Wettbewerbs" - entsprächen
schließlich dem bürgerrechtlichen Verständnis der Grünen und würden
der Netzgesellschaft besser zu Gesicht stehen als proprietäre,
Monopole wie Microsoft unterstützende Entwicklungen. Die Umrüstung
aller rund 2000 PCs in der Bundesverwaltung auf Linux verschob der
Politiker trotzdem auf "nach 2002" und damit auf eine unbestimmte
Zeit nach der nächsten Bundestagswahl.

Oliver Zendel, Vorsitzender des Linuxtags [4], vermisst daher in
Deutschland ein "Open-Source-Gesetz", wie es in Frankreich in der
Abstimmungsphase ist. Demnach sind Regierungseinrichtungen unbedingt
dazu aufgefordert, Programme mit offenen Standards und möglichst auch
offenem Quellcode zu verwenden. Dass die Bundesregierung die Open-
Source-Prinzipien noch nicht wirklich inhaliert hat, macht Zendel
auch daran fest, dass eine Aufklärungsbroschüre, die das
Bundeswirtschaftsministerium gerade über die Vorteile offener Quellen
bei der Softwareprogrammierung ausarbeiten lässt, hinter
verschlossenen Türen erstellt wird und die bisherigen Resultate auch
auf konkrete Anfrage hin nicht zu bewundern seien. Das widerspreche
der Open-Source-Philosophie, demnach ein Werk möglichst früh zu
veröffentlichen sei, damit Fehler möglichst rasch ausgebessert werden
könnten.

Plädoyer gegen das Abstecken von Claims durch Softwarepatente

Mit auf den Weg in die nächste Tagung gaben Vertreter der Open-Source-
Szene den Grünen zudem ihr Herzensanliegen, die vom Europäischen
Patentamt befürwortete allgemeine Patentierbarkeit von
Softwareprogrammen, Algorithmen oder Geschäftsmethoden zu verhindern.
Die geplante Ausweitung des Patentschutzes, die im November bereits
auf einer Konferenz in München beschlossen werden soll, würde "für
jeden, der Software schreibt, ein grundsätzliches Problem
darstellen", erläuterte Daniel Riek, Vorstandsvorsitzender der ID-Pro
AG, die Einwände. Denn ohne eine "riesige Patentabteilung" könne in
diesem Fall keiner mehr nachvollziehen, "welche der 300 verwendeten
Algorithmen noch frei verwendbar sind". Lauter "Tretminen" täten sich
für einen Programmierer auf, ergänzte Hartmut Pilch vom FFII die
Bedenken.

Einen Zwischenerfolg konnten die Gegner von Softwarepatenten in
Deutschland inzwischen feiern: Das Bundespatentgericht entschied
jüngst, dass der Computerriese IBM, der laut Pilch im Jahr rund eine
Milliarde Dollar mit Lizenzen für Patente einstreicht, keinen
Patentschutz für ein Computerverfahren zur "Suche fehlerhafter
Zeichenketten" anmelden könne. Big Blue hat allerdings den
Bundesgerichtshof angerufen, um das Patent zu erstreiten. Der Konzern
hofft auf Klaus-J. Melullis, seines Zeichens Richter bei der
Institution, der in großen Softwarehäusern die Wertschöpfungszentren
der Informationsgesellschaft sieht und sich deshalb bereits für die
Patentierbarkeit von Computerprogrammen ausgesprochen hat.

Spannend werden dürfte in diesem Zusammenhang die Diskussion über
Softwarepatente als Motor bzw. Bremse für Innovationen am Freitag in
den Räumen der Heinrich Böll Stiftung in den Hackeschen Höfen in
Berlin-Mitte: Dort treffen unter anderem Pilch und Andreas Bogk vom
Chaos Computer Club auf Kontrahenten wie Melullis, Wolfgang Tauchert
vom Europäischen Patentamt oder Fritz Teufel, den Abgesandten aus der
Patentabteilung von IBM. Vielleicht lässt sich dort klären, ob hinter
dem Drängen der Softwarepatent-Euphoriker mehr steckt als die
geplante "Inbesitznahme von Wissensressourcen" oder "der Versuch,
Claims abzustecken", wie dies Riek sieht. Für den Open-Source-
Befürworter öffnet sich hinter der ganzen Debatte damit eine
allgemein politische Fragestellung, bei der es darum geht, die Regeln
für die Informationsgesellschaft aufzustellen.

[...]

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