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Re: AFUL-PE zu Patentierung der 35-Stunden-Woche (fwd)



On 16 Nov 2000, at 1:22, PILCH Hartmut wrote:

> ---------- Forwarded message ----------
> Date: Wed, 15 Nov 2000 22:26:33 +0100 (CET)
> From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
> To: neues@ffii.org
> Subject: AFUL-PE zu Patentierung der 35-Stunden-Woche
>
> Es folgt eine deutschsprachige Fassung der AFUL-Presseerklaerung von
> gestern.  Torsten Woellert schickte mir diesen Text, der seinen Worten
> nach noch nicht endgueltig ist, aber dennoch manchen Journalisten die
> Arbeit erleichtern duerfte.
>
> ---------
>
> Das AFUL patentiert den Übergang zur 35 Stundenwoche
>
> AFUL
>
> petition.eurolinux.org
>
> Zur unverzüglichen Verbreitung
>
> Paris, den 15. November 2000 - das AFUL hat am Montag, den 13.
> November 2000 am INPI ein Patent für ein "System und Verfahrensweise
> zur Arbeitszeitreduzierung" beantragt.

Vielleicht sollte man hier der geneigten Oeffentlichkeit noch
mitteilen, dass es sich bei dem INPI um das nationale franzoesische
Patentamt handelt. Seit etlichen Jahren fuehrt dieses Amt keine
inhaltliche Patentpruefung mehr durch, d.h. die nationalen
franzoesischen Patente sind reine Registerpatente. Es wird lediglich
die Einhaltung der Formalien geprueft und ein Recherchenbericht mit
der Mitteilung des "Standes der Technik" an den Anmelder uebersandt.
Der Anmelder kann dann, muss aber nicht, die Ansprueche aendern und
gegenueber dem Stand der Technik abgrenzen.

Taktisch schlau, dieses Grossexperiment in FR zu machen, denn es
steht zu erwarten, dass die Antragsteller tatsaechlich eine
"Patenturkunde" erhalten werden, wenn sie sich nicht zu dumm
anstellen. Vielen Jornalisten wird das maechtig Eindruck machen, doch
es steht - zumindest in dieser Verfahrensphase - nichts dahinter.

Ein Einspruchsverfahren fuer nationale Patente in FR gibt es nicht.

Mutiger waere es gewesen, wenn die AFUL das Patent beim EPA
angemeldet haetten - die pruefen naemlich, bevor sie erteilen. Eine
Erteilung durch das EPA haette in der Tat eine Aussagekraft ueber die
Praxis unter dem Europaeischen Patentuebereinkommen.

Allerdings sollte man auch dann nicht nach 18 Monaten einfach die
Offenlegungsschrift nehmen und als "Patent" auf den Webserver legen,
sondern das Ende des Erteilungsverfahrens abwarten.

Relevant wird das jetzt begonnene AFUL-Experiment allenfalls, wenn
die AFUL-Leute tatsaechlich irgendjemand in FR wegen Patentverletzung
vor den Kadi zerren und das Registerpatent einer Belastungsprobe
aussetzen. Die Aussagekraft derartiger Prozesse waere aber auch bloss
auf den franzoesischen Rechtskreis beschraenkt (siehe unten).

> Das AFUL-Patent beschreibt eine neue und erfinderische
> Verfahrensweise, die innerhalb eines Systems die materiellen
> Einrichtungen verwirklicht, deren Gebrauch es ermöglicht, die
> Stundenpläne und die Einstellungsverträge zu produzieren, die für die
> Umsetzung einer Politik der Arbeitszeitreduzierung innerhalb einer
> Organisation unter wirtschaftlich optimalen Bedingungen notwendig
> sind.

Warum redet AFUL eigentlich dauernd von "Patent", wenn es sich
derzeit -sogar nach franzoesischem Recht- um eine "Patentanmeldung"
handelt? Es gehoert offenbar zur systematischen Desinformation,
gegenueber der Oeffentlichkeit den Unterschied zwischen "Patent" und
"Patentanmeldung" zu verwischen.


> Fragen und Antworten
>
> Kann man die 35 Stundenwoche patentieren ?
>
> Die 35 Stundenwoche ist eine Idee und somit nicht patentierbar. Das
> AFUL-Patent betrifft nicht die 35 Stundenwoche als solche, sondern
> eine "Verfahrensweise des Überganges zur 35 Stundenwoche". Niemand
> kann heute sagen, ob das AFUL-Patent gültig sein wird oder nicht.
>
> Wenn man das Münchener Abkommen, das in Europa das Patentrecht
> definiert, gemäß dem Geist seiner Verfasser interpretiert
> (http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77de.html) ist eine
> "Verfahrensweise des Überganges zur 35 Stundenwoche" nicht
> patentierbar, denn sie ergibt sich aus der geistigen Methode oder im
> Falle des AFUL-Patents aus der Software. Diese Interpretation ist
> durch das Berufungsgericht von Paris in Frankreich
> (http://www.pro-innovation.org/rapport_brevet/brevets_plan.pdf) oder
> BPatG in Deutschland
> (http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bpatg17w6998de.html) bestätigt
> worden.

Nochmal: Warum hat man die AFUL-Patentanmeldung als nationale
franzoesische Patentanmeldung nach franzoesischem Recht eingereicht,
wenn man das Europaeische Patentuebereinkommen herausfordern will?

> Kann das AFUL-Patent annulliert werden ?
>
> Vier Szenarien sind möglich:
>
> 1. Eine Annullierung des AFUL-Patents in Anbetracht ihres Gegenstands
> würde es erlauben, die Rechtsprechung zu stärken, die in Europa die
> Patentierbarkeit von Software verbietet. Es handelt sich um ein
> gewinnbringendes Szenario für die Innovation im Softwarebereich. Eine
> Annullierung aus diesem Grunde würde in der Tat die Patente, die in
> Europa von amerikanischen Firmen auf die Gesamtheit der grundlegenden
> Verfahrensweisen des elektronischen Handels eingebracht wurden, sehr
> unsicher machen.
>
> 2. Eine Bestätigung des AFUL-Patents. Es handelt sich um ein
> Katastrophenszenario, denn sie würde bestätigen, dass das europäische
> Patentsystem bereits an das amerikanische System angepasst ist. Dieses
> Szenario würde trotzdem dem AFUL eine Einkommensquelle bieten, um die
> Entwicklung Freier Software zu finanzieren.
>
> 3. Eine Annullierung des AFUL-Patents auf Grund von Formfehlern,
> mangelnder Neuheit oder mangelnden Erfindungsgeists. Dieses Szenario
> würde das AFUL dazu veranlassen, so lange ein neues, ähnliches Patent
> zu beantragen bis ein Grundsatzurteil getroffen wurde.
>
> 4. Eine Annullierung mit dem Argument einer "Störung der öffentlichen
> Ordnung". Dieses Szenario ist abgesehen von außergewöhnlichen
> Umständen sehr unwahrscheinlich.

Eine Bestaetigung oder Anullierung eines eventuellen nationalen
franzoesischen AFUL-Patentes durch ein franzoesischens Gericht nach
franzoesischem Patenrecht waere in keiner Weise ein Praejudiz fuer
die Auslegung des Europaeischen Patentuebereinkommens.

--AHH