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Europaeische Softwarepatente: Trivialer als in den USA



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          Europäische Softwarepatente: "Trivialer als in den USA"
                                      
                 Informatiker veröffentlichen "Europäische
                       Softwarepatent-Horrorgallerie"
                                      
      Europäische Patentamtschefs wollen nächste Woche 30000 Tretminen
                                 aktivieren
                                      
   
                          Zur sofortigen Freigabe
                                      
   München - Das Europäische Patentamt (EPA) hat in den letzten Jahren
   entgegen dem Buchstaben und Geist der geltenden Gesetze 30000 Patente
   auf Programmieraufgaben, Geschäftsideen und organisatiorische
   Verfahren erteilt. Würde auch die nationale Rechtsprechung konsequent
   dem Willen des EPA folgen, so wäre es demnach heute in Europa nicht
   mehr erlaubt, medizinische Diagnosen automatisiert durchzuführen.
   Ebenso betroffen wären zahlreiche recht alltägliche Verfahren wie die
   Abhaltung von Prüfungen in Schulen, die Anbahnung von Geschäften an
   der Börse, die Erzeugung von Einkaufszetteln aus Kochrezepten, die
   dynamische Festlegung von Verkaufspreisen, das Sprachenlernen durch
   Vergleichen der eigenen Aussprache mit der eines Lehrers. All diese
   Verfahren verletzen europäische Patente, sofern man sie auf
   naheliegende Weise rechnergestützt organisiert. Nicht minder
   gefährlich ist aus der Sicht von Fachleuten die Blockierung von
   Netzwerk-Standards wie MIME und CGI, die Zupflasterung der
   Betriebssystem-Ebene mit Tausenden von Patenten auf hardwarenahe
   Rechenaufgaben wie z.B. die Differenzierung zwischen benutzten und
   unbenutzten Speicherblöcken.
   
   Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII)
   hat eine Datenbank veröffentlicht, die einen Überblick über die
   umstrittenen europäischen Patente ermöglicht. Dazu werden einige
   eindrucksvolle Beispielpatente, Statistiken und Studien präsentiert.
   
   Der Patentdatenreferent des FFII, Arnim Rupp, empfiehlt allen
   Diskutanten einen Blick in die Datenbank:
   
     Wer in den Patentschriften des EPA schmökert, stellt schnell fest,
     dass es hier weder um Software noch um innovative
     Programmierlösungen geht. Hier werden einfach systematisch ganze
     Problemfelder in Besitz genommen. Diese lächerlich trivialen und
     gruselig breiten EPA-Patente sind aber vor nationalen Gerichten
     bisher nicht unbedingt einklagbar. Die amerikanischen Großkonzerne,
     denen die gesetzeswidrig erteilten EPA-Patente zum Großteil
     gehören, warten noch auf eine Änderung des Europäischen
     Patentübereinkommens. Wenn die Diplomatische Konferenz nächste
     Woche in München das falsche Signal setzt, wird Deutschland hoffentlich 
     die Ankündigung des BMJ wahr machen und aus dem EPÜ austreten. Der
     Ernst der Lage rechtfertigt dies. Es geht jetzt nämlich nicht mehr
     um die Pflege dieses oder jenes Organisationsrahmens für das
     europäische Patentwesen sondern um die Entschärfung von 30000
     Tretminen und die Wiederherstellung elementarer Rechtssicherheit
     für Europas IT-Unternehmer und Bürger.
     
   Für Daniel Rödding, Geschäftsführer eines Softwareunternehmens in
   Paderborn, ist die Lage sehr ernst:
   
     Ein Blick in die Patentdatenbank des FFII zeigt anschaulich, was
     Softwarepatente in Europa heute für den Großteil der
     EDV-Unternehmen bedeuten. Auf einem solchen Minenfeld haben kleine
     Softwareunternehmen kaum noch Chancen. Für mein Unternehmen habe
     ich die Konsequenzen bereits gezogen: Ich werde voraussichtlich ab
     Mitte nächsten Jahres weite Teile der Software-Entwicklung in einem
     Land durchführen, in welchem es kein so hoch entwickeltes
     Patentrecht gibt und wo eine Änderung der Rechtslage in den
     nächsten Jahren auch nicht zu erwarten ist. Im Bereich bestimmter
     Technologien wird mir die Entwicklung von Software in Deutschland
     einfach zu riskant, das läßt sich mit Blick auf rechtliche Risiken
     in der Zukunft aus der Kleinunternehmerperspektive nicht mehr
     verantworten.
     
   Bisher haben sich bereits 200 Softwarefirmen und 55000 Unterzeichner
   der Eurolinux-Petition für ein softwarepatentfreies Europa in
   ähnlichem Sinne geäußert.
   
   Auf der "Diplomatischen Konferenz" werden derweil Patentreferenten von
   20 europäischen Staaten über einen vom EPA-Präsidenten Dr. Ingo Kober
   entworfenen "Basisvorschlag zur Revsion des Europäischen
   Patentübereinkommens" verhandeln. Darin schlägt das EPA u.a. vor, eine
   universelle Patentierbarkeit festzuschreiben (Art 52) und dem
   EPA-Vorstand Gesetzgebungsvollmachten einzuräumen (Art 33). Die
   Tagesordnung wurde vom EPA so festgelegt, dass nur eine 2/3-Mehrheit
   der nationalen Patentdelegationen sich noch in Einzelfragen
   durchsetzen kann. Andernfalls wird der Wille des EPA innerhalb von
   wenigen Monaten in allen europäischen Staaten rechtsgültig, sofern
   deren Parlamente nicht beschließen, aus dem Europäischen
   Patentübereinkommen (EPÜ) auszusteigen.
   
Verweise

     * Europäische Softwarepatente: Datenbank und Beispielsammlung -
       http://swpat.ffii.org/vreji/pikta/indexde.html
     * Eurolinux-Petition für eine softwarepatentfreies Europa -
       http://petition.eurolinux.org/index.de.html
     * Dr. Swen Kiesewetter-Köbinger: Über die Patentprüfung von
       Programmen für Datenverarbeitungsanlagen -
       http://swpat.ffii.org/vreji/prina/patpruef.pdf
     * Vergleichsbericht über die Prüfung von Softwarepatenten am
       Europäischen, Amerikanischen und Japanischen Patentamt -
       http://www.jpo-miti.go.jp/saikine/repo242.htm
     * Bundesjustizministerium fordert Moratorium in Sachen Swpat und
       droht mit EPÜ-Austritt -
       http://www.spiegel.de/druckversion/0,1588,100120,00.html
     * Schutz der Informatischen Innovation vor dem Missbrauch des
       Patentwesens - http://swpat.ffii.org
     * Leicht verständliche Einführung in die Problematik -
       http://www.save-our-software.de
       
Über den FFII - www.ffii.org

   Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII
   e.V.) ist ein gemeinnütziger Verein, der die Entwicklung offener
   Schnittstellen, quelloffener Programme und frei verfügbarer
   öffentlicher Informationen fördert und sich für ein kraftvolles
   Zusammenwirken freier und proprietärer Software zum Zwecke eines
   langfristigen Aufbaus informationeller Gemeingüter auf der Grundlage
   offener Standards, fairen Wettbewerbs und der Achtung legitimer
   Urheberrechte einsetzt. Der FFII koordiniert eine Arbeitsgruppe zum
   Schutz der digitalen Innovation vor Softwarepatenten, die von
   erfolgreichen deutschen Softwarefirmen unterstützt wird. Der FFII ist
   Gründungsmitglied der EuroLinux-Allianz für eine Freie Informationelle
   Infrastruktur.
   
Pressekontakt

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    http://swpat.ffii.org/news/pikta/indexde.html
    2000-07 SWPAT-AG des FFII