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BMJ: Ergebnisse der Diplomatischen Konferenz (fwd)



---------- Forwarded message ----------
Date: Wed, 7 Feb 2001 00:54:36 +0100 (CET)
From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
To: neues@ffii.org, swpat@ffii.org, welp-di@bmj.bund.de
Subject: BMJ: Ergebnisse der Diplomatischen Konferenz

Der FFII erhielt vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) ein Schreiben,
in dem Auskunft über die Ergebnisse der Diplomatischen Konferenz zur
Revision des Europäischen Patentübereinkommens gegeben wird.

Die einschlägigen Dokumente scheinen im Moment unter

        http://www.bmj.bund.de/

nicht vorhanden zu sein.  Daher tippe ich hier ein paar Auszüge ab und
streue ein paar Bemerkungen ein

Zunächst aus dem Schreiben von Dr. Welp:

«In der Zeit vom 20.-29. November 2000 fand die diplomatische Konferenz
 zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens statt.
 Als Anlage übersende ich Ihnen die von der Konferenz angenommene
 Revisionsakte MR/3/00/rev.1 sowie einen kurzen Überblick über die
 wesentlichen Beratungsergebnisse.

 Aus hiesiger Sicht soll die Revisionsakte so zügig wie möglich
 gezeichnet und dann ratifiziert werden.  Für den Fall, dass Sie eine
 Stellungnahme beabsichtigen, bitte ich Sie, mir diese bis zum
 30. März 2001 zu übersenden.
»

Wir haben in dem Offenen Brief von Anfang August unserem Wunsch
Ausdruck verliehen, dass Artikel 52 nicht angetastet werde.  Der
Offene Brief wurde zwar vom BMJ nicht beantwortet und unserem Wunsch
wurde auch nicht ganz entsprochen, aber immerhin ist die Diskussion
um die Computerprogramme offen geblieben.

Wir stehen selbstverständlich nach wie vor auf dem Standpunkt des
Offenen Briefes, wonach auch die Änderungen von Abs 52.1 und 52.2e
einen Rückschritt darstellen.  Der neue Abs 52.1 schreibt vor, dass
Patente "für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik" erhältlich
sein sollen.  Ein solches Universalitätspostulat erfüllt in einem
abstrakten Freihandelsvertrag wie TRIPS eine ganz andere Funktion als
im EPÜ.  Es gehört nicht in das EPÜ, und wäre auch nur dann
akzeptabel, wenn es von einer engen Definition der Begriffe "Technik",
"Erfindung" und "industrielle Anwendung" begleitet würde.

Eine solche enge Definition könnte in verschiedener Weise stattfinden.
Mehr dazu ist unter

        http://swpat.ffii.org/stidi/epue52/
        http://swpat.ffii.org/stidi/eurili/

zu finden.

In seinem Begleitschreiben

«Wesentliche Ergebnisse der Diplomatischen Konferenz ... »

erwähnt das BMJ-Patentreferat die Änderungen in Art 52.1 und 2e nicht.
Offenbar werden sie nicht als wesentlich angesehen.  Zu Art 52.2c
schreib das BMJ-Patentreferat:

«
 Der Basisvorschlag sah zu Artikel 52 Abs 2 Buchstab c die Streichung
 von "Computerprogrammen als solchen" aus der LIste der nicht
 patentfähigen Erfindungen vor
»

Laut EPÜ Art 52.2c sind "Programme für Datenverarbeitungsanlagen" nicht
patentfähig.  Die Partikel "als solche" in 52.3 bezieht sich auf alle
Ausschlussgegenstände gleichermaßen und gewinnt ihren Sinn erst in
einem syntaktischen Kontext, nämlich:

        Ich patentiere ein Verfahren zur Herstellung von
        Schachfiguren, nicht das Schachspiel als solches.
        Ich patentiere das Produkt einer programmierten chemischen
        Reaktion, nicht das Programm als solches.

Mit dem Wort "als solche" versuchen expansionsbestrebte
Patentlobbyisten seit 10 Jahren Begriffsverwirrung zu erzeugen.  Aus
diesem Grunde wäre eine Streichung des redundanten Abs 52.3 durchaus
wünschenswert.  Leider stand der aber nicht zur Disposition.  Es ging
nur um "Programme für Datenverarbeitungsanlagen".  Die Zufügung von
"als solche" ist in diesem Zusammenhang unmotiviert.  Aus ihr spricht
das schlechte Gewissen des Patentexpansionisten, der die Bedeutung
seines Expansionsschrittes kleinreden möchte.

Wir wünschen uns vom BMJ meht kritische Distanz zur Patentbewegung.

Folgende Artikel können hier aufklärend wirken:

        Vorschlag einer EU-Richtlinie
        http://swpat.ffii.org/stidi/eurili/

        Über die Patentprüfung von Programmen für Datenverarbeitungsanlagen
        http://swpat.ffii.org/vreji/papri/patpruef/

«
Noch in der vorbereitenden Sitzung des Verwaltungsrates war eine
Streichung von 10 gegen 8 Mitgliedstaaten bei einer Enthaltung
befürwortet worden.  Deutschland, Frankreich und Dänemark haben auf
der Konferenz einen Antrag eingebracht, zum gegenwärtigen Zeitpunkt
die geltende Fassung des Artikels 52 EPÜ unverändert zu belassen.  Ein
intesniver Austausch mit Vertretern der anderen Mitgliedstaaten hat
dazu geführt, dass sich die Mitgliedstaaten auf der diplomatischen
Konferenz mit überwältigender Mehrheit gegen die Streichung der
Computerprogramme als solche aussprachen.
»

Interessant ist, dass nicht Großbritannien sondern Dänemark mit DE und
FR mitzog.  Auch in den letzten Monaten hat die britische Regierung
ihren Patentfunktionären freie Hand gelassen, die EU-Kommission zur
schnellen Legalisierung der Softwarepatente des EPA zu drängen.  Auch
die BMJ-Vertreter ermutigten m.W. in Brüssel diesen Kurs, obwohl von
seiten der Bundesregierung anders lautende Anweisungen vorlagen.

«
Eine Veränderung der Vorschriften über die Patentierbarkeit von
computerprogrammbezogenen Erfindungen schien von der von der EU zu
dieser Thematik im Rahmen der angekündigten Richtlinie angestoßenen
Diskussion nicht angebracht.  Zwar waren sich die Delegationen einig
in der Bewertung, dass die im Basisvorschlag vorgesehene Streichung
keine wesentliche Änderung der Rechtslage bewirkt hätte.
»

Die vorgesehen Streichung brächte eine wesentliche Änderung der
*Gesetzeslage*.  Die Rechtslage bewegt sich seit einigen Jahren nicht
mehr im Rahmen des Gesetzes.  EPA und BGH haben den Boden des Gesetzes
auf Drängen der Patentabteilungen von Siemens, IBM und anderen
verlassen und bewegen sich nun in einem Geflecht von Widersprüchen,
die regelmäßig vom 17. Senat des Bundespatentgerichtes aufgedeckt
werden.  Die Gesetzeslage ist klar, die Rechtslage ist verworren.
Dasn EPA plante letzten Sommer mit Unterstützung der Berliner und
Brüsseler Patentreferenten, per "Harmonisierung" nun auch die
Gesetzeslage in Widersprüchlichkeiten zu stürzen, den letzten Rest
eines stimmigen Technikbegriffes zu demontieren, und damit den Weg ins
Bodenlose der Patentierung trivialer geistiger Verfahren zu eröffnen.
Die neue Gesetzeslage wäre selbstverständlich auch für das BPatG und
zahllose andere europäische Gerichte verbindlich geworden.  Somit
hätte sich auch die Rechtslage wesentlich geändert.  Mehr dazu
s. unten.

Es ist erschreckend, zu sehen, wie das BMJ an der
Patentbewegungs-Rhetorik festhält, die sich in den letzten Jahren
dort eingeschlichen hat.

«
Gleichwohl ist die Gefahr gesehen, dass eine solche Streichung als
Signal dahingehend missverstanden werden könnte, dass die
Patentierbarkeit von Software in weiterem Umfang möglich sein solle,
als dies bereits heute der Fall ist.
»

Was "heute der Fall ist", wird von Menschen bestimmt.  Es ist kein
nicht das Ergebnis einer quasi-natürlichen Rechtsfortbildung, die es
nur gelehrig nachzuvollziehen gilt.  Das BMJ trägt Verantwortung für
das was passiert.  Es vermittelt zwischen den Gerichten und dem
Gesetzgeber.  Der BGH hat geirrt, und es ist Sache des BMJ,
Fehlentwicklungen zu widerstehen und sie korrigieren zu helfen.

Es stimmt, dass von einer Streichung eine Signalwirkung ausgegangen
wäre.  Nicht nur bezüglich der im Moment beim BGH anstehenden
Entscheidung über die von der IBM-Patentabteilung gewünschten
Ansprüche auf "Computerprogrammprodukte" und "Computerprogramme".

«
Diese Thematik wird in einer zweiten Revisionsrunde neu aufgenommen
werden.
»

Dies wird zum Schluss noch einmal bekräftigt:

«

Weiterer Revisionsbedarf

Die diplomatische Konferenz hat sich in einer Abschlusserklärung dafür
ausgesprochen, dass in den zuständigen Gremien der EPO die Diskussion
über die auf eine zweite Revisionsrunde vertagten Fragen alsbald
aufgenommen werde.  Betroffen sind Themen wie z.B. die
Patentierbarkeit computerprogrammbezogener Erfindungen, die
Überführung der Biotechnologie-Richtlinie in das EPÜ, die normative
Verknüpfung von EPÜ und Gemeinschaftspatent sowie die Einführung einer
Neuheitsschonfrist.

»

Umso unverständlicher ist die derzeitige Haltung des BMJ.  Es hüllt
sich zum Thema Swpat in Schweigen und ermutigt im stillen (z.T. im
Widerspruch zu Vorgaben der Bundesregierung) die Europäische
Kommission, die bisherigen Fehlentwicklungen durch eine Richtlinie zu
zementieren.  Offenbar soll wieder nur eine "Diskussion in den
zuständigen Gremien" geführt werden.  Der schwarze Peter wird der
EU-Kommission zugeschoben.  Die Gelegenheit zu einer angemessenen
Konsultation, wie alle Fraktionen des Deutschen Bundestages sie
gefordert haben, wird verspielt.

Das kann aber nicht funktionieren.  Die Krise des Patentwesen wird
immer spürbarer.  Derzeit explodiert die Zahl der Patentanmeldungen,
die Wartezeiten steigen und die Qualität sinkt ins Bodenlose.  Die
Meldungen von unsinnigen Patentanmeldungen und Patentangriffen in
Amerika und Europa überstürzen sich.  Erst vorgestern gab das
Fraunhofer-Institut für Telematik zusammen mit dem DPMA dem
Steuerzahler eine schallende Patent-Ohrfeige:

        Fraunhofer-Patent auf Sicherheitsschleusen im Netzwerk
        http://swpat.ffii.org/vreji/pikta/mupli/de19838253/

Das EPA hat 30000 Patente auf triviale Probleme gewährt, deren Lösung
im Verfassen eines Programmtextes besteht:

        Gruselkabinett der Europäischen Softwarepatente
        http://swpat.ffii.org/vreji/pikta/

Diese Lösungen greifen nicht unmittelbar auf Naturkräfte zu: Ihre
Gültigkeit wird auf rein geistig-mathematische Weise bewiesen und
nicht etwa empirisch-experimentell überprüft.  Die einzige Naturkraft,
die bei einer solchen "Erfindung" ins Spiel kommt ist die Heizenergie
für die Badewanne, in der der Fachmann sich sein Problem überlegt
(sofern es nicht ohnehin schon durch Kundenwünsche an ihn
herangetragen wurde).  Die einzige Investition, die durch ein solches
Patent "geschützt" wird, ist die Investition in den Brennstoff
für eine Badewannensitzung.

Laut der Rechtsauffassung, die dem geltenden Gesetz und mustergültigen
Referenzwerken (z.B. PatG-Kommentar Benkard 1988, Lamy Droit
Informatique 1998) zugrundeliegt, hätten diese Patente niemals erteilt
werden dürfen.

Angesichts dieser Sachlage ist es unverantwortlich, wenn weiterhin in
irgendwelchen patentjuristischen Hinterzimmern Änderungen vorbereitet
werden, die einer weiteren Senkung der Patentierbarkeitshürden
Vorschub leisten.

Der Bundestag sollte auch die im November beschlossenen EPÜ-Änderungen
nur dann ratifizieren, wenn gleichzeitig ernsthafte Schritte zur
Kontrolle des Patentwesens und Begrenzung der Patentierbarkeit
unternommen werden, wie in unserem neuesten Offenen Brief angeregt:

        http://swpat.ffii.org/xatra/patg2C/

Insbesondere sollte die Bundesregierung schnellstmöglich ein
Moratorium auf die Erteilung von Softwarepatenten durch das DPMA
erwirken, um unmittelbar entstehenden Schaden abzuwenden und die
Seriosität der EU-Konsultation zu unterstreichen.  Schon jetzt warten
Prüfungsanträge oft 4 Jahre, bevor sie erteilt werden.  Warum können
sie nicht noch 2 Jahre länger warten?

Wäre es zu viel verlangt, die Zustimmung des Bundestages zur
EPÜ-Revision mit einer solchen Maßnahme zu verknüpfen?


-phm

































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