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 SPIEGEL ONLINE - 12. April 2001, 17:27
URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/politik/0,1518,128240,00.html

Staatsattacken gegen Nazi-Sites
 
"Washington Post" - Autor bestätigt Schilys Hacker-Pläne

Von Frank Patalong

Das Berliner Innenministerium dementiert: Nie sei geplant gewesen, mit
Hacker-Angriffen gegen ausländische Neonazi-Sites vorzugehen. Doch ein
Autor der "Washington Post" bestätigt jetzt, dass Schily bereits vor einem
halben Jahr in den USA entsprechende Erwägungen vorgestellt hatte.

Die amerikanischen Medien brauchten vergangenes Wochenende nur wenige
Stunden, um die Story aufzugreifen, und sie reagierten empört: Wie könne
der deutsche Innenminister darüber nachdenken, Server in den USA gezielt
mit Hackermethoden anzugreifen? "Wired" und das New-Economy-Blatt "Industry
Standard" nahmen die Geschichte als erste auf, andere folgten. In
Deutschland berichteten "Telepolis", "Tagesspiegel", "Die Welt", "Zeit",
"Stuttgarter Zeitung" und viele andere.

Am vergangenen Freitag hatte SPIEGEL ONLINE erstmals darüber berichtet ,
dass Schilys Beamte erwägten, mit Cyber-Attacken gegen Neonazi-Sites im
Ausland vorzugehen. Das Bundesinnenministerium reagierte am 10. April mit
einem Dementi. Dem SPIEGEL ONLINE-Artikel lag eine Anfrage beim BMI zu
Grunde, die sich auf eine bereits im Dezember letzten Jahres erschienene
Story in der "Washington Post" bezog.

"Berichte über 'Hacker-Methoden' sind falsch", ließ das Ministerium diese
Woche verlauten. "Es ist schlichter Unsinn zu behaupten, der
Bundesinnenminister habe Hacker-Angriffe gegen rechtsextremistische
Web-Sites in die Diskussion gebracht. Davon war nie die Rede."

Das sieht Peter Finn, Korrespondent der "Washington Post" und Autor des
dort im Dezember erschienenen Artikels anders.

Otto Schily: Will mit Hacker-Hilfe gegen rechte US-Sites vorgehen?
Darin hatte es wörtlich geheißen: "Schily sagte, die deutsche Regierung
erkenne die Grenzen internationaler Handlungsfähigkeit und untersuche
andere mögliche Strategien. Das schließe die Möglichkeit ein, Zivilprozesse
gegen die Betreiber von an Deutsche gerichtete Neonazi-Websites in den USA
anzustrengen und sogar die außerordentliche Maßnahme, eine US-amerikanische
Website niederzuzwingen, in dem man sie mit massenhaftem Verkehr
überschwemme".

Finn interpretierte diese Aussage als Verweis auf "Spamming"-Attacken, man
kann es allerdings auch als Denial-of-Service-Attacke verstehen: In beiden
Fällen gibt ein Server den Dienst auf, weil er mit dem "Traffic" nicht mehr
fertig wird. Mit ähnlichen Attacken hatten Hacker vor einem Jahr weltweit
Web-Sites lahmgelegt, darunter Yahoo und EBay.

Entsprechende Angaben, versichert Finn jetzt gegenüber SPIEGEL ONLINE, habe
Schily nicht nur wörtlich ihm gegenüber gemacht, sondern wurden ihm von
Schilys Pressesprecher anschließend auch als sachlich richtig bestätigt und
zur Veröffentlichung freigegeben.

Finn: "Ich habe Schily persönlich befragt und die wörtlichen Zitate
anschließend, wie das in Deutschland üblich ist, seinem Pressesprecher zur
Autorisierung übermittelt. Sie kamen ausnahmslos mit einem O.K.-Vermerk
zurück, einschließlich Schilys Äußerungen bezüglich Spamming von
Neonazi-Webseiten."