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Weltpatentbewegung fordert uneingeschränkte Patentierbarkeit von Geschäftsverfahren



Die Internationale Vereinigung für den Schutz des Geistigen Eigentums
AIPPI (http://www.aippi.org) versammelte sich Ende März in Melbourne.

Dabei spielten einige Leute aus dem EPA/MPI-Umfeld eine führende Rolle.

Wie immer ging es darum, ein naturrechtlich-religiös begründetes
"geistiges Eigentum" weiter auszudehnen.  Nach den Folgen der
Ergebnisse oder der Qualität der Patente wurde nicht gefragt.

Dem Kongress lag ein Entschließungsantrag über die Patentierbarkeit
von Geschäftsmethoden vor, der wesentlich von europäischen Doktrinen
gefärbt ist.  

Der Antrag richtet sich offensichtlich gegen Bestrebungen einiger
amerikanischer Kongressabgeordneter, die Patentierbarkeit von
Geschäftsverfahren einzuschränken.

Mir liegt aber eine deutsche Fassung vor, deren Kern folgendermaßen
lautet:

 (1) Verfahrenserfindungen in allen Bereichen der industriellen,
     gewerblichen und finanziellen Tätigkeiten, hier der Einfachheit
     halber "Geschäftsmethoden" genannt, sollten patentfähig sein,
     sofern die in den Patentansprüchen definierte Erfindung
     technischen Inhalt aufweist.
 (2) Wenn eine solche Erfindung als ganzes technischen Inhalt
     aufweist, sollte dies für die Patentierbarkeit genügen, selbst
     wenn die Neuheit und erfinderische Tätigkeit nicht im technischen
     Inhalt liegt.
 (3) Ferner sollte der Schutz solcher Erfindungen durch Patente anhand
     der herkömmlichen Patentierungsvoraussetzungen geprüft werden und
     auf ihrer Grundlage erfolgen es sollten keine neuen Erfordernisse
     angewendet werden.
 (4) Die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit sollte von Fall zu Fall
     erfolgen; auch bekante Methoden können Patentschutz erhalten,
     wenn ihre Anwendung in einem neuen Gebiet erfinderisch ist.
 (5) Allein die Übertragung einer bekannten Methode in die Form eines
     Computerprogramms führt nicht zu der Annahme, dass eine solche
     Erfindung einen erfinderischen Schritt aufweist.
 (6) Patente auf Geschäftsmethoden sollten in der gleichen Weise
     behandelt werden wie Patente in anderen Bereichen, insbesondere
     (a) Der von Patenten gewährte Schutzbereich sollte im Hinblick
         auf Geschäftsmethoden der gleiche sein wie bei anderen Erfindungen   
     (b) Wo nach dem Beweisrecht eine Umkehrung der Beweislast
         zulässig ist, sollte dies auch im Zusammenhang mit
         Patenten auf Geschäftsmethoden zulässig sein
     (c) Die Laufzeit solcher Patente sollte die gleiche sein wie bei
         Patenten in anderen Bereichen
     (d) Die Sanktionen von Patenten auf Geschäftsmethoden, wie
         Schadensersatz und Unterlassungsansprüche, sollten die
	 gleichen sein wie bei Patenten in anderen Bereichen.
 (7) Die AIPPI regt an, dass die Erteilung solcher Patente mit der
     Verbesserung des Prüfungsverfahrens durch die Patentämter
     einhergeht, insbesondere durch den Aufbau von Datenbanken über
     den Stand der Technik.
  
Punkte 6a-d richten sich direkt gegen die in den USA laut gewordenen
Vorschläge der Kongressabgeordneten Berman et al.

Interessant ist auch Punkt (2), in dem die traditionelle "Kerntheorie"
durchschimmert -- und verneint wird.  M.a.W. nach Meinung von AIPPI
ist alles patentierbar, was über Computerprogramm umgesetzt wird.  Die
einzige Einschränkung liegt in (5): das zu patentierende Verfahren
darf nicht schon bekannt sein.

Nach neuerem Verständnis des EPA und des USPTO dürfte sich diese Frage
eigentlich gar nicht mehr stellen.  Unter "Technik" versteht zumindest
EPA-Richter Mark Schar (der an den Rechtsaushöhlungs-Entscheidungen
des EPA maßgeblich beteiligt war) "jegliche praktische Problemlösung",
also selbstverständlich auch automatisierte Geschäftsverfahren.  Den
Naturkräfte-Begriff des BGH-Urteils "Dispositionsprogramm" tut er mit
notdürftig-fadenscheiniger Begründung als "veraltet" ab.

Offenbar ist den AIPPI-Leuten dennoch bewusst, dass sie den
naturkräftebezogenen Technikbegriff dennoch eine Weile brauchen
werden.  Und sei es nur, um im Rahmen der anstehenden EU-Richtlinie
Nebel zu werfen.  Sie schleppen diesen Begriff derzeit wie ein
schlechtes Gewissen mit sich herum.

Der Technikbegriff ist, wie der Rechtsdogmatiker Kolle 1977 in seinem
mustergültigen (und von Schar verschwiegenen) Aufsatz

    http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77/

feststellte, von der Rechtspflege unabhängig und beruht auf einem
breiten Konsens der Wissenschaftsphilosophie: es gibt einerseits
Fragen, die einem der menschliche Geist beantwortet, andererseits
solche, die man an die Naturkräfte richtet und nur durch Experimente
beantworten kann.  Patentiert man erstere, so nimmt man "naiv oder
bewusst" einen unverantwortbaren Machtzuwachs bei einigen Monopolisten
in Kauf.  Ich würde sagen:  man baut Krampfadern im Gehirn der
Informationsgesellschaft auf.  Daten fließen nämlich noch schneller
und kostengünstiger als Gedanken und Nervenströme.  Die Patentierung
logischer Konstrukte ist ein Verbrechen, insbesondere wenn so
unberufene und unlegitimierte Organisationen wie AIPPI, MPI oder EPA
das vorantreiben.

Wer mit Patentjuristen über "Technik" diskutiert und dabei auf die
übliche Begrifssstutzigkeit und Forderungen nach einer "Definition von
Softwarepatenten" stößt, berufe sich auf unsere

  Gesetzesregel über den Erfindungsbegriff im Europäischen Patentwesen und seine Auslegung unter besonderer Berücksichtigung der Programme für Datenverarbeitungsanlagen
  http://swpat.ffii.org/stidi/eurili/

-phm