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Re: Re-2: Erfinderinteressen und Patentierungskosten



On Wed, May 30, 2001 at 09:34:52AM +0200, Thomas Roessler wrote:
> On 2001-05-25 15:14:48 +0000, apfeiffer@beetz.com wrote:
> 
> >Jedes zu Recht erteilte Patent bringt dem Erfinder den Lohn und 
> >die Früchte seiner Mühen.
> 
> Es sei denn, er muß vorher zum Konkursrichter.
> 
> >Woher wissen Sie das? Sie kennen sich doch überhaupt nicht aus bei 
> >den kleinen Erfindern. Sie reden nur darüber. Vielleicht kennen 
> >Sie sich bei kleinen Softwareschmieden aus, die aber alle nichts 
> >anmelden, vielleicht weil sie nichts erfunden haben. 
> 
> Man definiere "erfinden".  Wer Software entwickelt, hat dauernd 
> Probleme zu lösen - das heißt, es wird in der Softwareentwicklung am 
> laufenden Bande erfunden, natürlich mit ganz unterschiedlicher 
> Erfindungshöhe.

Das gilt fuer jegliche Ingenieurstaetigkeit in gleichem Masse, sofern
nicht einfach Fertigmodule zusammengeklatscht werden. Bei einer 
neu konstruierten Maschine oder auch nur einer elektronischen Schaltung
existieren ueblicherweise Standardloesungen, die dann geeignet angepasst
werden muessen.

Bei aller Selbstbeweihraeucherung von Informatikern als "Kuenstler":
Probleme loesen heisst noch lange nicht erfinden.
Wobei gerade im Bereich Software wird mehr als anderswo mit
Standardloesungen gearbeitet wird, selbst wenn bei der Formulierung weite
Freiheit bei Wahl der Variablennamen oder Einrueckungstiefe des Codes
oder Schleifenart oder der Art und Weise der Dokumentation bestehen.
Dennoch hat die Informatik bislang nicht den anderswo ueblichen Stand 
des Handwerks etwa der Ingenieurswissenschaften erreicht. Das heisst aber
nicht, dass Erfindungen gemacht werden, sondern ist lediglich schlampiger
Arbeitsstil und massive Defizite im Entwurfsprozess.

> >Das Fazit einer Diskussion neulich hier war, daß zwar viel 
> >lamentiert wird, aber die tatsächliche Drohung aus Patenten 
> >insbesondere gegen Softwareschmieden wohl eher gering zu sein 
> >scheint und man sich wohl eher vorsichtshalber aufregt.
> 
> Wozu werden denn dann die Software-Patente benötigt, wenn man sie 
> ohnehin nicht nutzt?

Die Frage ist eher folgende: Wem nuetzen sie?

Die Programmiererzunft hat zugegebenermassen einen Haufen weitgehend
unstrukturierter Kochrezepte angesammelt, aus dem sich der erfahrene
Softwerker je nach Erfahrung mehr oder weniger bedient und die er
einem Werkstueck gleich zurechtfeilt, damit sie in seine Software-
maschine passen (das ist "profanes" Ingenieurshandwerk, aber keine 
kreative Taetigkeit). Wenn nun irgendjemand solches informelles
Wissen fuer sich reklamiert, hat er damit eine Waffe in der Hand,
um nach Belieben die Konkurrenz zu blockieren oder sich ganz vom
Hals zu schaffen. Der Rechtsweg, ueber den ein solches illegitimes
Patent einer laengst bekannten Sache angefochten werden kann, ist
so langwierig, dass die Konkurrenz allein dadurch in Schach zu halten
ist. Falls IBM irgendwann mal ihr Portefeuille an Patenten im IT-Bereich
ausspielt, dann laesst sich keine Software mehr schreiben, kein Rechner
mehr bauen, ohne irgendein Patent *eventuell auch nur anzukratzen*
(der Rechtsstreit darueber wird dank der ueberlasteten Richter schon
Internet-Generationen dauern).

Die Besonderheit bei Softwarepatenten gegenueber allgemeinen technischen
Patenten ist ihre Globalitaet. Wenn ich als Elektroniker irgendeine
Schaltung bauen wuerde, dann interessieren mich Dampfmaschinen-Patente
und Patente auf Schraubverbindungen nur wenig; und Patente auf Kondensator-
bauformen auch nicht: das Ding wird gekauft und eingeloetet. Wenn sich-
ueberspitzt ausgedrueckt- jemand in der Softwaretechnik den "Ok"-Button 
(Stichwort 1-Click-Patent) patentieren wuerde, wozu es nur eines 
inkompetenten oder ggf. geschmierten Beamten bedarf, dann koennen 
weltweit saemtliche GUIs eingestampft werden. Bis der Flurschaden 
wieder korrigiert ist, vergehen wie gesagt Zeitalter.

Und wir haben es nicht nur mit dem einzelnen Sonderling zu tun, der versucht,
sich das laengst bekannte Software-Aequivalent einer Spax-Schraube oder
eines Plastikduebels zu sichern, sondern es ist eine Flut zu erwarten.

Holger

-- 
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