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Rechtsfortbildung von "Walzstabteilung" zu "Logikverifikation" ?
- To: swpat@ffii.org
- Subject: Rechtsfortbildung von "Walzstabteilung" zu "Logikverifikation" ?
- From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
- Date: 03 Jun 2001 18:31:34 +0200
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- User-Agent: Gnus/5.0808 (Gnus v5.8.8) Emacs/20.7
Man vergleiche einmal die wesentlichen Passagen aus den BGH-Urteilen
Logikverifikation (2000)
http://www.grur.de/Seiten/Themen/entscheidungen/BGH/BGH_Patent.html#Anchor-26379
und
Walzstabteilung" (1980)
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/walzst80/
Der Beschluss "Logikverifikation" weist folgende Leistsätze auf:
1. Die Beantwortung der Frage, ob eine auf ein Programm für
Datenverarbeitungsanlagen gerichtete Patentanmeldung die nach § 1
Abs. 1 PatG vorausgesetzte Technizität aufweist, erfordert eine
wertende Betrachtung des im Patentanspruch definierten
Gegenstandes.
2. Betrifft der Lösungsvorschlag einen Zwischenschritt im Prozeß, der
mit der Herstellung von (Silicium-)Chips endet, so kann er vom
Patentschutz nicht deshalb ausgenommen sein, weil er auf den
unmittelbaren Einsatz von beherrschbaren Naturkräften verzichtet
und die Möglichkeit der Fertigung tauglicher Erzeugnisse
anderweitig durch auf technischen Überlegungen beruhende
Erkenntnisse voranzubringen sucht (Abweichung von BGHZ 115, 23, 30
= GRUR 1992, 36 - "Chinesische Schriftzeichen")
Hier wird offenbar eine lobenswerte Verzichthaltung des
Patentanmelders durch Verzicht auf das Erfordernis einer technischen
Lehre honoriert. Derart einfühlsames Handeln kann man auch sonst noch
im Tenor dieses Urteils entdecken. Da lobe ich mir doch die eiskalt
logisch-verifizierbare Haltung des BPatG und des frühren BGH, der im
Walzenstabteilungs-Beschluss folgendes feststellte:
Rechenprogramme für elektronische Datenverarbeitungsanlagen,
bei deren Anwendung lediglich von einer in Aufbau und Konstruktion
bekannten Datenverarbeitungsanlage der bestimmungsgemäße Gebrauch
gemacht wird, sind auch dann nicht patentfähig, wenn mit Hilfe der
Datenverarbeitungsanlage ein Herstellungs- oder Bearbeitungsvorgang
mit bekannten Steuerungsmitteln unmittelbar beeinflusst wird.
Warum nimmt der BGH-Patentsenat bloß nicht auf dieses Urteil Bezug?
Es geht hier ebenso wie bei der Walzstabeilung um eine industriell
anwendbare Rechenregel, die als Problemlösung bereits abgeschlossen
ist, bevor bei ihrer Ausführung das Feld der Technik betreten wird.
Der BGH-Beschluss erklärt die Regel und den Hergang der Ereignisse
folgendermaßen:
Die Rechtsbeschwerdeführerin meldete mit Datum vom vom 4. Juli 1994
ein "Verfahren zur hierarchischen Logik-Verifikation
hochintegrierter Schaltungen" zum Patent an, bei dem durch eine mit
Hilfe eines Extraktionsverfahrens aus dem physikalischen Layout der
jeweiligen hochintegrierten Schaltung gewonnene hierarchische
Layout-Schaltung mit einer durch einen Logikplan festgelegten
hierarchischen Logikplan-Schaltung vermittels dreier Schritte
verglichen wird.
Nachdem die Prüfstelle des DPA die Anmeldung zurückgewiesen hatte,
weil bei dem Verfahren keine technischen Mittel zum Einsatz kämen,
ergänzte die Rechtsbeschwerdeführerin die Worte "(...) bei dem
durch einen elektronischen Rechner eine mit Hilfe (...)" und
beschrieb die drei Schritte im einzelnen detailliert. Das BPatG
(BPatG GRUR 1998, 656 ff. - "CAD/CAM-Verifikationsverfahren") hat
die Einfügung für zulässig erachtet (insoweit von der
Rechtsbeschwerdeführerin nicht angegriffen), i.ü. aber die
Auffassung vertreten, das beanspruchte Verfahren sei dem
Patentschutz nicht zugänglich, weil es keinen technischen
Charakter aufweise.
Die gegen die Entscheidung des BPatG zugelassene Rechtsbeschwerde
hat Erfolg.
Aus GRUR erfährt man, der Senat sei der Meinung
Es gehöre
aber auch zu den durch die Rspr. des Senats noch zum Patentgesetz
1968 herausgearbeiteten Grundsätzen, daß der Technikbegriff des
Patentrechts nicht statisch, d.h. nicht ein für allemal feststehend
verstanden werden könne. Er sei vielmehr Modifikationen zugänglich,
sofern die technologische Entwicklung und ein daran angepaßter
effektiver Patentschutz dies erfoderten (vgl. BGH GRUR 1969, 672,
675 - "Rote Taube"). Jedenfalls für zum Patent angemeldete
Neuerungen auf dem technischen Gebiet der Herstellung von
(Silicium-)Chips sei diese Notwendigkeit anzuerkennen.
Wo liegt der Unterschied zur Walzstabteilungs-Rechenregel? Was ist
gegenüber 1980 neu, außer dem Umstand, dass von USA, WIPO (und einem
Chor mitheulender Wölfe im Inland, die der Softwarebranche sehr fern
stehen und das Technizitätskapitel ihres Patentlehrbuchs wohl
überlesen haben), Ausweitung der Patentierbarkeit gefordert wird?
Im Falle Rote Taube ging es um die Erweiterung des
Naturkräfte-Begriffes von der Physik/Chemie auf die Biologie. Eine
Erweiterung auf die Denkregeln des menschlichen Geistes kann es jedoch
nicht geben, sofern man den Technikbegriff nicht ganz aufgeben will.
Das weiß der BGH nicht erst seit 1976, und das Urteil
'Dispositionsprogramm' wird hier zitiert, s. unten.
Zur Begründung für die Lockerung/Aufgabe des Technikbegriffes steht im
Beschluss Logikverifikation 2000 zu lesen:
Wie der Senat bereits anderweitig deutlich gemacht habe (Senat GRUR
1980, 849, 850 f. - "Antiblockiersystem"), bildeten die genannten
Möglichkeiten keinen abschließenden Katalog. Ob eine auf ein
Programm für Datenverarbeitungsanlagen gerichtete Patentanmeldung
die erforderliche Technizität aufweise, sei aufgrund einer
Gesamtbetrachtung des Anmeldegegenstandes im Einzelfall
festzustellen (Senat GRUR 1992, 430, 431 -
"Tauchcomputer"). (...)
Eine auf ein Programm für DV-Anlagen gerichtete Anmeldung ist schon
von Gesetzes wegen unzulässig und kann auch keine Technizität
aufweisen, sofern man an diesem gewohnheitsrechtlichen Erfordernis
festhält. Ein Bremsverfahren mag eine neue technische Lehre
beinhalten, das damit verbundene Computerprogramm als solches
(d.h. die Lösung des durch die technischen Vorgaben des
Bremsverfahrens definierten Programmierproblems / der Organisations-
und Rechenregel) jedoch nicht.
Die Gesamtbetrachtung bedeute eine Bewertung des in dem
angemeldeten Patentanspruch definierten Gegenstandes; dies schließe
die Möglichkeit ein, bei Vorliegen sachgerechter Gründe einzelne
Anspruchsmerkmale unter Berücksichtigung ihres nach fachmännischem
Verständnis gegebenen Zusammenhangs unterschiedlich zu gewichten
(BGH GRUR 1992, 36 - "Chinesische Schriftzeichen"); die Wertung
dürfe im Ergebnis aber nicht davon abhängen, ob der zu beurteilende
Vorschlag neu und erfinderisch sei (BGH GRUR 1992, 33 -
"Seitenpuffer"); sie dürfe auch nicht einseitig darauf abstellen,
was bekannt war und was demgegenüber an der angemeldeten Lehre
neuartig ist (Senat GRUR 1992, 430, 431 - "Tauchcomputer").
D.h. es muss keine erfinderische technische Lehre vorliegen. Es
dürfen Patente auch dann gewährt werden, wenn kein Beitrag zum Stand
der Technik geleistet wurde. Gerade die Entscheidungen "Seitenpuffer"
und "Tauchcomputer" zeigen, dass die Lockerung des Technikbegriffs zur
Patentierung von reinen Computerprogrammen (Rechenanweisungen) führt,
was wohl nicht ganz unproblematisch und folglich nicht vorbildlich
sein kann. Es wäre besser, die Argumentation direkt auf das Gesetz
oder auf weniger problematische Beschlüsse wie z.B. "Walzstabteilung"
zu stützen.
Entscheidend sei, wie das, was nach der beanspruchten Lehre im
Vordergrund stehe, aus der Sicht des Fachmanns zum Anmeldezeitpunkt
zu verstehen und einzuordnen sei (vgl. BGH GRUR 1969, 672, 674 -
"Rote Taube").
Im Vordergrund steht hier (ebenso wie bei Strakken 1977 und
Walzstabteilung 1980) ein industriell anwendbares Rechenverfahren.
Die Anwendung dieses Rechenverfahrens auf eine industrielle
Aufgabenstellung ist nicht erfinderisch. Das Rechenverfahren ist
nicht technisch.
§ 1 Abs. 2 PatG stehe der Patentfähigkeit nur insoweit entgegen,
als für sie "als solche" Schutz begehrt werde oder ihre Lehre auf
andere in diesem Absatz genannte Gegenstände oder Tätigkeiten
"als solche" gerichtet sei (§ 1 Abs. 3 PatG).
Man bemerke, wie sehr sich die Richter bemühen, die Worte "als solche"
sinnlos erscheinen zu lassen. Im Gesetz stehen keine Gänsefüßchen,
und solange die Auslegung sich noch im Rahmen des Gesetzes bewegte,
waren sie auch unüblich.
Mit diesem im Gesetz ausdrücklich
geregelten, nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut aber
nicht abschließenden Ausschlußkatalog habe sich das BPatG jedoch
nicht befaßt, sondern lediglich die Technizität des
Anmeldegegenstands geprüft und verneint. Mit dieser Begründung
könne die Zurückweisung der Anmeldung keinen Bestand haben.
Dagegen sei nicht zu beanstanden, daß Patentfähigkeit eines
Programms für Datenverarbeitung einen technischen Charakter des
Gegenstandes voraussetze.
Gerade weil der Ausschlusskatalog nicht abschließend ist, muss die
Technizität geprüft werden. Wenn die Erfindung sich in einer
Organisations- und Rechenregel (= Lösung eines Programmierproblems =
Computerprogramm) erschöpft, ist die Frage der Technizität bereits
beantwortet. Allerdings lassen sich nicht alle Erfindungen auf diese
Weise in einen der Ausschlussgegenstände von §1 PatG 2 einordnen.
Obige Formulierung scheint auch darüber hinaus widersprüchlich. Denn
einerseits wird behauptet, es gäbe "technische Computerprogramme" und
nur die untechnischen seien Computerprogramme als solche.
Andererseits wird nun beanstandet, dass das BPatG überhaupt nicht
prüft, ob ein Computerprogramm vorliegt, sondern lediglich ob die
beanspruchte Erfindung technisch ist. Es scheint fast, als ob nach
neuester BGH-Doktrin das Vorliegen eines Computerprogrammes nun
umgekehrt die Patentfähigkeit selbst dann begründen könnte, wenn keine
technische Lehre vorliegt.
Rechtsfehlerhaft habe das BPatG das angemeldete
Verifikationsverfahren dahin gewürdigt, daß es im wesentlichen ein
Datenverarbeitungs- und Rechenverfahren darstelle. Die vorstehenden
Ausführungen erlaubten angesichts der vom BPatG selbst getroffenen
tatsächlichen Feststellungen nicht, seiner Bewertung beizutreten.
Wenn der schlechte Schüler zum Lehrer ernannt wird, kann man für die
korrekte Lösung der Aufgabe wohl nur noch die Note "rechtsfehlerhaft"
erhalten.
(...) Die angemeldete Lehre sei durch eine auf technischen
Überlegungen beruhende Erkenntnis und deren Umsetzung geprägt,
woran der Umstand, daß der Abgleich (...) aufgrund der Auswahl, der
Ordnung und vergleichenden Verarbeitung von Daten erfolgen solle,
die aus den technischen Größen abgeleitet seien, nichts ändere.
Hierzu schrieb ein kundigerer BGH 1980 (Walzstabteilung):
Auch hier ist von dem der Rechtsprechung des Senats
(BGHZ 52, 74 -- Rote Taube; BGHZ 67, 22 --
"[130]Dispositionsprogramm"; BGH GRUR 1977, 152 -- Kennungsscheibe;
BGH GRUR 1980, 849 -- "[131]Antiblockiersystem") zu entnehmenden
Begriff der technischen Erfindung auszugehen, der sich zusammenfassend
dahin formulieren lässt, dass darunter die planmäßige Benutzung
beherrschbarer Naturkräfte außerhalb der menschlichen
Verstandestätigkeit zur unmittelbaren Herbeiführung eines kausal
übersehbaren Erfolges zu verstehen ist. In dem zur Entscheidung
stehenden Fall ist die Benutzung von Naturkräften in dem genannten
Sinne nicht Bestandteil der Problemlösung, und der erstrebte Erfolg --
die erwünschte Aufteilung der Stäbe -- stellt sich aufgrund der
Anwendung der Anweisung nicht unmittelbar ein, sondern erst durch die
Benutzung technischer Mittel, die aber ebensowenig Anteil an der
Lösung haben. Wie in den vom Senat bisher entschiedenen Fällen die
EDV-Anlage, so ist in diesem Falle außer dieser auch die (übrige)
maschinelle Einrichtung, deren Tätigkeit durch den Rechner ausgewertet
und gesteuert wird, nicht Gegenstand der Erfindung. Anders wäre es nur
dann, wenn die Erfindung die Gestaltung oder die Nutzung der
technischen Mittel erfinderisch verändern würde. Speiell im Falle des
Prozessrechners könnte eine als technisch zu beurteilende Neuerung
auch darin liegen, dass durch die beanspruchte Lehre neue und
erfinderische Steuerungsmittel oder deren neue und erfinderische
Verwendung zur Beeinflussung des Produktionsvorgangs gefordert und
offenbart würden. Davon kann aber hier, auch nach den eigenen
Darlegungen der Anmelderin, keine Rede sein.
Aus der gleichen Situation folgert der BGH 2000:
Dies führe hier dazu, daß der Anmeldungsgegenstand die für ein
Programm für Datenverarbeitungsanlagen erforderliche Technizität
aufweise.
Wobei natürlich auch die Behauptung, ein "Programm für
Datenverarbeitungsanlagen" könne als solches zum Anmeldungsgegenstand
werden, noch einmal aus einer anderen Richtung belegt, dass der
heutige Technikbegriff des BGH sich nicht mehr im Rahmen der vom
Gesetzgeber vorgesehenen Möglichkeiten bewegt.
Allerdings habe der Senat in diesem Begriff der Technik das brauchbare
Abgrenzungskriterium gegenüber andersartigen Leistungen des
Menschen gesehen, für die ein Patentschutz weder vorgesehen, noch
geeignet sei (BGH GRUR 1992, 36, 38 - "Chinesische Schriftzeichen"
unter Hinweis auf die Rspr. des Senats zum PatG 1968).
Dieses Zitat stammt ursprünglich aus dem Dispositionsprogramm-Urteil,
s. unten.
Es gehöre aber auch zu den durch die Rspr. des Senats noch zum Patentgesetz
1968 herausgearbeiteten Grundsätzen, daß der Technikbegriff des
Patentrechts nicht statisch, d.h. nicht ein für allemal feststehend
verstanden werden könne. Er sei vielmehr Modifikationen zugänglich,
sofern die technologische Entwicklung und ein daran angepaßter
effektiver Patentschutz dies erfoderten (vgl. BGH GRUR 1969, 672,
675 - "Rote Taube").
Hier geht es um mögliche Entwicklungen der Technik selber: den
Umstand, dass der Bereich der beherrschbaren Naturkräfte nicht
statisch ist, etwa, speziell im Fall "Rote Taube", dass der Bereich
der Biologie allmählich unter "Technik" subsumiert werden kann.
Es geht keinesfalls darum, alle möglicherweise schützenswerten
geistigen Leistungen dem Patentschutz zu erschließen. Hierzu der BGH
im
Dispositionsprogramm-Beschluss 1976
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bgh-dispo76/
Der Begriff der Technik
erscheint auch sachlich als das einzig brauchbare Abgrenzungskriterium
gegenüber andersartigen geistigen Leistungen des Menschen, für die ein
Patentschutz weder vorgesehen noch geeignet ist. Würde man diese
Grenzziehung aufgeben, dann gäbe es beispielsweise keine sichere
Möglichkeit mehr, patentierbare Leistungen von solchen zu
unterscheiden, denen nach dem Willen des Gesetzgebers andere Arten des
Leistungsschutzes, insbesondere Urheberrechtsschutz, zuteil werden
soll. Das System des deutschen gewerblichen und Urheberrechtsschutzes
beruht aber wesentlich darauf, dass für bestimmte Arten geistiger
Leistungen je unterschiedliche, ihnen besonders angepasste
Schutzbestimmungen gelten und dass Überschneidungen zwischen diesen
verschiedenen Leistungsschutzrechten nach Möglichkeit ausgeschlossen
sein sollten. Das Patentgesetz ist auch nicht als ein Auffangbecken
gedacht, in welchem alle etwa sonst nicht gesetzlich begünstigten
geistigen Leistungen Schutz finden sollten. Es ist vielmehr als ein
Spezialgesetz für den Schutz eines umgrenzten Kreises geistiger
Leistungen, eben der technischen, erlassen und stets auch als solches
verstanden und angewendet worden.
Es verbietet sich demnach, den Schutz von geistigen Leistungen auf dem
Weg über eine Erweiterung der Grenzen des Technischen -- die auf deren
Aufgabe hinauslaufen würde -- zu erlangen. Es muss vielmehr dabei
verbleiben, dass eine reine Organisations- und Rechenregel, deren
einzige Beziehung zum Reich der Technik in ihrer Benutzbarkeit für den
bestimmungsgemäßen Betrieb einer bekannten Datenverarbeitungsanlage
besteht, keinen Patentschutz verdient. Ob ihr auf andere Weise, etwa
mit Hilfe des Urheber- oder des Wettbewerbsrechts, Schutz zuteil
werden kann, ist hier nicht zu erörtern.
Von dieser Selbstbeschränkung des BGH von 1976 ist heute nichts mehr
zu spüren. Stattdessen möchte der BGH gerne Wirtschaftspolitik machen:
Jedenfalls für zum Patent angemeldete
Neuerungen auf dem technischen Gebiet der Herstellung von
(Silicium-)Chips sei diese Notwendigkeit anzuerkennen.
Warum war diese Notwendigkeit für die Walzstabteilung nicht
anzuerkennen?
Was hat sich geändert?
Die technischen Verhältnisse offenbar nicht. Vielleicht die
Wirtschaftlichen. Hierüber finden sich
laienhaft-wirtschaftspolitische Überlegungen in einem Melullis-Artikel
von 1998
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-mellu98/
Dort heißt es, die "Softwareindustrie" spiele heute eine zentrale
Rolle, die stärkeren Investitionsschutz als bisher erfordere.
Mit einem Freibrief für richterliche Wirtschaftspolitik aber hat der
"dynamische Technikbegriff" noch nie im entferntesten etwas zu tun
gehabt. Warum und in wieweit er dynamisch ist, wird in folgenden
grundlegenden Lehrwerken
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/grur-kolle77/
http://swpat.ffii.org/vreji/papri/krasser86/
sehr gut erklärt.
Das BPatG werde daher in eine weitere Sachprüfung der (technischen)
Erfindung eintreten müssen. § 1 Abs. 2 und 3 PatG enthebe hiervon
nach den bisherigen Feststellungen nicht. (...) Der Senat, der
bislang noch nicht habe entscheiden müssen, was unter einem vom
Patentschutz ausgeschlossenen Programm im Sinne des § 1 Abs. 2 und
3 PatG zu verstehen sei, könne diese Streitfrage auch hier
dahinstehen lassen, weil die angemeldete Lehre nach keiner der
hierzu vertretenen Meinungen (vgl. im Einzelnen: Melullis, GRUR
1998, 843, 850 ff.; Tauchert, Mitt. 1999, 248, 251; van Raden, GRUR
1995, 451, 456; sowie: Entscheidungen "Computerprogrammprodukt" und
"Computer programm product II" v. 1.7.1998 - T1173/97, Abl. EPA
1999, 609 bzw. v. 4.2.1999 - T 935/97, [1999] R.P.C. 861) vom
Patentschutz ausgeschlossen sei.
Der Senat weiß also immerhin, dass nach seiner neuesten
Gesetzesauslegung der Begriff "Programm" keinen Sinn mehr ergibt,
sieht dies aber nicht als Anlass, eine gesetzeskonformere Auslegung zu
suchen, sondern erhebt die offensichtlich mit dem Gesetz nur schwer in
Einklang zu bringenden Meinungen von Tauchert, Melullis u.a. in den
Status einer neuen Rechtsquelle. Gesetzeskonformere Meinungen wie die
des BPatG werden hier nicht erwähnt.
Mal schauen, ob wenigstens die Artikel von Schölch (GRUR) und
Kiesewetter-Köbinger (MDP) demnächst in diesem Kontext Beachtung
finden. Wenn richterliche Wirtschaftspolitik statthaft ist, sollte es
ja auch möglich sein, diese noch ein wenig weiter zu flexibilisieren
und auf eine breitere Basis zu stellen. Eine solide Arbeit wie die
des früheren BGH wäre mir zwar lieber. Aber vielleicht ist ja nicht
nur der BGH sondern unser ganzes Gemeinwesen geistig-moralisch so
heruntergekommen, dass wir heute weniger auf bewährte Arbeitsteilung
(z.B. Legislative vs Judikative) vertrauen können und mehr
improvisieren müssen. Deshalb nehme ich auch den Richter Melullis
hier in den Verteiler mit auf. Das Internet ist einer der wenigen
Lichtblicke in der letzten Zeit. Das Patentwesen braucht eine frische
Kraft, um aus der Sackgasse heraus zu kommen.
--
Hartmut Pilch http://phm.ffii.org/
Pflege statt Pluenderung der Informationsallmende: http://www.ffii.org/
Schutz der Innovation vor der Patentinflation: http://swpat.ffii.org/
79000 Unterschriften gegen Logikpatente: http://petition.eurolinux.org/