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Margareta Wolf zu Softwarepatenten



---------- Forwarded message ----------
Date: 09 Jul 2001 20:35:41 +0200
From: PILCH Hartmut <phm@a2e.de>
To: neues@ffii.org
Subject: Margareta Wolf zu Softwarepatenten

In ihrer Ansprache auf dem Linuxtag

http://www.bmwi.de/Homepage/Presseforum/Reden%20%26%20Statements/2001/1705Rede1.jsp

sagte Margareta Wolf, früher wirtschaftspolitische Sprecherin der
Grünen, neuerdings Staatssekretärin im BMWi:

> in diesem Zusammenhang hat auch die Diskussion zur Frage der
> Patentierbarkeit von Software-Innovationen in der Öffentlichkeit breite
> Beachtung gefunden.

Hier hat sich jemand Mühe gegeben, die von der Patentbewegung
propagierte und auch von Lutterbeck & Co übernommene Formel von den
"computer-implementierbaren Erfindungen" zu meiden.
Der Begriff "Software-Innovationen" ist treffsicher gewählt.
Ansonsten käme noch in Frage

        computer-implementierbare Organisations- und Rechenregeln
        Programme für Datenverarbeitungsanlagen

> Das im Auftrag des BMWi erstellte Gutachten der Technischen Universität
> Berlin hat die besonderen Aspekte der Open Source Software beleuchtet.

Es gibt an der TU Professoren, die sich dagegen wehren würden, in
Zusammenhang mit diesem Gutachten gebracht zu werden.  Sicherlich
sogar im Informatischen Seminar.

> Eine weitergehende empirische Studie unter Federführung des Fraunhofer
> Instituts Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI)  untersucht derzeit
> in unserem Auftrag umfassende mikro- und makroökonomische Implikationen
> der Software-Patentierung.

Ich glaube, Frau Wolf kam erst ins BMWi, nachdem dieser Auftrag schon
erteilt worden war.

> insbesondere Entwickler von Open Source Software sehen sich durch
> eine mögliche Ausweitung der Patentierbarkeit von Software gefährdet;
> einige halten die aktuelle Patentierungspraxis in Europa für zu weit
> gehend.

"einige" ist stark untertrieben, aber immerhin sagt das mal jemand.

> Angesichts der zentralen Rolle, die Informations- und
> Kommunikationstechnologien in der modernen Wissensökonomie spielen,
> kommt der Ausgestaltung des Rechtsrahmens für den Schutz geistigen
> Eigentums in Bezug auf Softwareinnovationen besondere Bedeutung zu.

Mit "Schutz geistigen Eigentums" wird impliziert, dass es unabhängig vom
jeweiligen Rechtsrahmen ein "geistiges Eigentum" gibt, welches es zu
schützen gilt.  Unverfänglicher wäre es, von einem "Rechtsrahmen für
die Belohnung geistiger Leistungen" zu sprechen.

> Der Übergang von der Alten zur Neuen Ökonomie ist gekennzeichnet
> durch die globale Verfügbarkeit von Informationsgütern im Internet
> und beschleunigte technologische Neuerungen.
>
> Wirtschaftliches Wachstum ist heute in vielen Bereichen der
> Informationsökonomie von Interoperabilität, Kompatibilität und
> vielfältigen Netzwerkeffekten abhängig.
>
> Und schließlich haben sich im Softwarebereich einmalige Prozesse der
> interaktiven, transparenten Entwicklung von Innovationen
> herausgebildet, die ihren unbestreitbaren Erfolg gerade ohne den
> Patentschutz erzielt hat.
>
> Ich bin der Auffassung, dass der Wettbewerb um Innovationen nicht
> hinter juristischen Auseinandersetzungen zurücktreten darf.
>
> Auf der anderen Seite müssen natürlich die Rechte der Entwickler von
> Software gewahrt werden.

Unverfänglicher wäre: "Auf der anderen Seite muss natürlich den
Belohnungsinteressen der Softwareentwickler Rechnung getragen werden."

> Unternehmen und Programmierer müssen angemessene Erträge für ihre
> Arbeit realisieren können, damit sie einen Anreiz haben, in neue
> Entwicklungen zu investieren.

Nicht "müssen" sondern "sollten".

Die Softwareentwickler haben das grosse Glück, dass sehr viele ihrer
geistigen Leistungen sich zu Geld machen lassen.

Es gibt aber noch wichtigere geistige Leistungen, für die sich auf
privatwirtschaftlicher Basis schwer angemessene Erträge realisieren
lassen.

Wer davon träumt, dies mithilfe des Patentwesens zu ändern, lese
folgende goldenen Worte:

   BGH-Beschluss Dispositionsprogramm 1976
   http://swpat.ffii.org/vreji/papri/bgh-dispo76

     Das Patentgesetz ist auch nicht als ein Auffangbecken
     gedacht, in welchem alle etwa sonst nicht gesetzlich begünstigten
     geistigen Leistungen Schutz finden sollten. Es ist vielmehr als ein
     Spezialgesetz für den Schutz eines umgrenzten Kreises geistiger
     Leistungen, eben der technischen, erlassen und stets auch als solches
     verstanden und angewendet worden.

   Bernhardt & Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, 1986:

      Kein hinreichendes Argument für die Gewährung von Patentschutz ist
      der Umstand, dass die geistige Leistung, der sie zugutekommen soll,
      anderweitig nicht oder nicht umfassend geschützt ist. Vielmehr
      können die Grenzen des nach geltendem Recht erreichbaren Schutzes
      auch Anzeichen dafür sein, dass den Freihaltungsinteressen der
      Vorrang gebührt.

> Hinzu kommt, dass wir es mit ganz unterschiedlichen Teilmärkten in
> den Softwarebranchen zu tun haben und mit unterschiedlichen
> Unternehmensgrößenstrukturen:
>
> Innovationsmanagement und langfristige Interessen in Bezug auf gewerbliche
> Schutzrechte eines großen Automobilherstellers mit eigener
> Softwareabteilung werden sich kaum mit denen eines kleinen
> Softwareunternehmens oder freien Entwicklers decken, die einen Teil ihrer
> Wertschöpfung über produktbegleitende Dienstleistungen erzielen.

Verkomplizierend kommt noch hinzu, dass Unternehmen oft kurzfristig
denken und ihre Aussagen zu Fragen der rechtlichen Rahmenbedingungen
oft weniger von den Unternehmensinteressen (geschweige den Branchen-
oder Volkswirtschaftsinteressen) als von der Berufsideologie des zur
Beantwortung der Fragen befugten Funktionärs bestimmt sind.  In vielen
Fällen ist ferner so wenig Wissen vorhanden, dass eine Umfrage nicht
mehr als eine Stimmungsbarometer sein kann.

> Nicht vergessen dürfen wir darüber hinaus die Dimension der
> internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen
> Softwareindustrie.
>
> Es handelt sich hier um ausgesprochen komplexe Fragestellungen, zu denen
> ich von dem bereits erwähnten Forschungsprojekt richtungweisende Aussagen
> erwarte.

In der Tat handelt es sich oben um komplexe Fragestellungen.
Ich erwarte von dem ISI-Forschungsprojekt dazu ein paar erhellende
Überlegungen, aber nichts richtungsweisendes.

> Wir brauchen eine breite Debatte über den geeigneten Schutz der Rechte
> der Entwickler, die Gewährleistung von Anreizen zur Innovation und die
> Sicherung des Wettbewerbs auf den Softwaremärkten.

Soweit ich sehen kann, stellen die bisherigen Studien nur wenige der
hierzu wesentlichen Fragen wie z.B.

	http://swpat.ffii.org/stidi/

Von der Beantwortung ganz zu schweigen.

Weder Lutterbeck noch Fraunhofer stellen etwa die Grundfrage, welche
Abgrenzungsregeln in Frage kommen und zu was für Patenten sie führen.

Wir haben diese Frage ins Zentrum des Seminars auf dem Linuxtag
gerückt und dabei kam eine sehr interessante Diskussion heraus.
Einige Vorträge werden wir nach und nach unter

	http://swpat.ffii.org/penmi/linuxtag-2001/

stellen.

> Die Bundesregierung wird hierzu auch auf europäischer Ebene einen
> aktiven Beitrag leisten.

Hoffentlich insbesondere auch zum Stellen und Beantworten der richtigen
Fragen.

--
Hartmut Pilch                                      http://phm.ffii.org/
Schutz der Innovation vor der Patentinflation:   http://swpat.ffii.org/
80000 Stimmen gegen Logikpatente:            http://www.noepatents.org/
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