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Re: CDU begibt sich auf den Netzpfad ...



Das "Strategiepapier" der CDU-Internet-Kommission findet sich unter

        http://www.cdu.de/chancen-deutschland/strategie.pdf

Auf S. 13 ist unter der Überschrift 

<<
        PATENTE ERMÖGLICHEN
>>

zu lesen:

<<

  Der auch durch internationale Verpflichtungen abgesicherte Schutz
  immaterrieller Rechte muss grundsätzlich auch für Leistungen im
  Bereich der Software gelten (Fußnote: Mit "Softwareentwicklungen"
  sind hier nach angelsächsischer Rechtsordnung patentierbare
  Entwicklungen, d.h. Software in Kombination mit dem zugehörigen
  Prozessor, gemeint).

>>

Dieser Satz enthält mehrere inhaltliche Fehler:

<< 

  (1) Der "Schutz immaterieller Rechte" ist für "Leistungen
      im Bereich der Software" über das Urheberrecht gewährleistet,
      welches auch nach Art 10 TRIPS anzuwenden ist.
  (2) Internationale Verpflichtungen zum Patentschutz für Software
      gibt es nicht, und wenn man sie etwa aus Art 27 TRIPS
      konstruieren wollte, würden das eine Patentlaufzeit von 20 
      Jahren unumgänglich machen.
  (3) Die Fußnote scheint nicht zum Haupttext zu passen.  Was gemeint
      sein soll, bleibt offen.  Möglicherweise die Ablehnung von
      Ansprüchen auf "Computerprogrammprodukte" und "Computerprogramme",
      wie sie ca 1994 im angelsächsischen Bereich begann und 1997 vom        
      EPA nachahmend eingeführt wurden ?
>>

Das Papier schreibt weiter:

<<                  

  Deswegen sollten Patente auf Softwareentwicklungen auch nach deutschem
  Recht erteilt werden können.  

>>
 
Es scheint, dass die Forderung nach Softwarepatenten lediglich aus
vermeintlichen "internationalen Verpflichtungen" abgeleitet wird.

<<

  Patente auf Software dürfen aber nur bei Offenlegung des Quellcodes
  erteilt werden.

>>

Die Autoren haben offenbar nicht begriffen, dass ein Softwarepatent
(Logikpatent) nichts mit einem bestimmten Computerprogramm zu tun hat,
dessen Quelltext offengelegt werden könnte.

Obige Forderung kann auf zwei Arten mit Inhalt gefüllt werden:

(1) Logikpatente sollten ein Programmtext-Beispiel enthalten.

(2) Alle Software, in welcher die patentierte Funktionslogik zur
    Anwendung kommt, muss mit Quelltext veröffentlicht werden.

Ersteres ist bloße Kosmetik, letzteres käme einer Revolution gleich.
Wollte man die revolutionäre Variante, so sollte man lieber gleich
fordern, dass alle Software mit Quelltext veröffentlicht werden muss,
damit überall gleichermaßen einfach untersucht werden kann, ob eine
Patentverletzung vorliegt.  Es dürfte ohnehin kaum noch Programme
geben, die keine Patente verletzen.

<<

Patentinhaber sind zu verpflichten, lizenzfreie Schnittstellen zu
schaffen oder zu ermöglichen.

>>

Hiermit wird nicht gesagt, dass patentierte Verfahren zum Zwecke der
Interoperabilität lizenzfrei verwendbar sein sollen, wie etwa beim
Urheberrecht der Fall.  Vielleicht ist das gemeint, aber dieser Punkt
führt zu sehr vielen Fragen.  Ein MP3-Encoder dient dazu, eine
patentierte Schnittstelle benutzen zu können.  Andere Programme dienen
dafür, etwas auf BeOS zum Laufen zu bekommen.  Fast alles in der
Software hat mit Schnittstellen zu tun.  Wie weit soll die Regelung
reichen?

<<

Im Interesse der Innovationsfähigkeit sollte die Laufzeit von
Softwarepatenten kurz bemessen sein und 5 Jahre nicht überschreiten.

>>

Ist das nun als eine Bedingung für die Einführung von Softwarepatenten
zu verstehen?

Wenn ja, dann lehnen die Autoren Softwarepatente unter den gegebenen
Umständen ab.

Wenn nein, dann ist obiger Satz nur Lug und Trug.

<<

Berechtigte Sicherheitsinteressen der Anwender müssen Vorrang vor 
Urheberrechten der Entwickler haben.

>>

Hier zeigen die Autoren erneut, dass sie Urheber- und Patentrecht
verwechselt haben.   

Weitere Fußnoten oder Verweise enthält das Papier nicht.  Natürlich
ist es auch nur in PDF-Form verfügbar und nicht etwa als Hypertext.
D.h. es ist, wie die meisten parteipolitischen Verlautbarungen, nicht
auf dem neuesten Stand der "Medienkompetenz".

"Politische Kompetenz" ist aber vielleicht grundsätzlich etwas
anderes.  Als Kompromiss zwischen einer möglichen
Wahlkampffinanzierer-Klientel und einem besorgten Publikum taugt das
Papier vielleicht.  Erstere wird vergewissert: CDU will "Patente
ermöglichen".  Letzteres darf glauben, die CDU halte eine Laufzeit von
20 Jahren für zu lang und sei um die Interoperabilität besorgt.

Heute findet sich wieder einen Bericht über das Papier der
CDU-Internet-Kommission im Heise Newsticker.

        http://www.heise.de/newsticker/chk-30.08.01-003/

Die Urteile des dortigen Publikums sind durchweg vernichtend.
Stellvertretend erwähnt seien:

  Holger Voss zum CDU-Papier: Nichts Positives
  http://www.heise.de/newsticker/forum/go.shtml?read=1&msg=75&g=20010830chk003

  Bemerkungen zum "neuen Patenttyp"
  http://www.heise.de/newsticker/forum/go.shtml?read=1&msg=25&g=20010830chk003

Die Patentproblematik ist nur ein Nebenaspekt dieses Papiers.
Hauptsächlich geht es z.B. darum, das Internet müsse stärker
kommerzialisiert werden, die "Gratiskultur" habe ebenso wie
Pauschalabgaben auf Geräte keine Zukunft, an deren Stelle müsste
"Digital Rights Managment" treten, "Hacker-Tools" müssten
strafrechtlich verfolgt werden.  Natürlich fehlt auch nicht die
Forderung, in der Kommunikation zwischen Staat und Bürgern sei
bevorzugt herstellerneutrale Software einzusetzen, deren Quelltext
frei zugänglich ist.  Auch andere Kreise bekommen ein wenig Zucker ab,
so z.B. wird erneut die Forderung nach einer "Flatrate" erhoben.  An
wen sich diese Forderung richtet, bleibt unklar.

Aus Kreisen der CDU/CSU-Fraktion war auf Anfrage zu erfahren, dass
dieses Papier keineswegs endgültig sei und speziell zum Thema
Softwarepatente nach wie vor das Eckwertepapier des MdB Dr. Martin Mayer

        http://www.m4m.de/internet/pmsoftpa.htm 

gelte.  Den von MdB Mayer formulierten Eckwerten genügen die
Vorstellungen des CDU-Papiers in keiner Weise.  Eigentlich sagte auch
MdB Mayer in seinem Papier nicht sehr viel.  Aber er stellte einige
Richtlinien auf, an denen eine Debatte sich orientieren kann.  Darin
zeigt sich eine gewisse Bescheidenheit und Redlichkeit, die auch dem
"Chancen@Deutschland"-Papier gut angestanden hätte.

--
Hartmut Pilch                                      http://phm.ffii.org/
Schutz der Innovation vor der Patentinflation:   http://swpat.ffii.org/ 
85000 Stimmen gegen Logikpatente:            http://www.noepatents.org/