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Re: [FYI] U.S.-CA: Out-of-state resident can be sued in DVD case



On Wed, Aug 08, 2001 at 09:12:53AM -0400, Pnekanzlei@aol.com wrote:
> Ja, aber was soll man sonst machen, wenn man nicht alles auf dem kleinsten 
> gemeinsamen nenner nivellieren will (und der ist nun einmal sehr klein).

Ich habe meine Vorstellung von einer Lösung schon anklingen
lassen: Eine konsequentere Anwendung des Territorialprinzips. 
Das lässt gar nicht so viele Lücken, wenn man bedenkt, dass in
jedem Fall dort angeknüpft wird, wo sich der Täter aufhält/ die
Tastatur bedient.
> 
> Man muesste eine praktische Loesung finden, wie man das Problem, dass 
> nationales Recht unterlaufen werden kann, geloest werden kann. Nur wenn man 
> eine Loesung findet, kann man verhindern, dass das Internet in nationale 
> Zonen aufgeteilt wird. Sagen, man will keine Loesung, weil Recht sowieso doof 
> ist hilft nix.

Ich bin Jurist und denke nicht, dass meine Lösung einfach Recht
doof findet. Du solltest Dir die Mühe machen, auf meinem Niveau
zu argumentieren. 

Wenn Du selbst Jurist bist, dann wirst Du wissen, dass ich
nationales Recht nur dort unterlaufen kann, wo es anwendbar ist.
Ist es nicht anwendbar, dann kann es nicht unterlaufen werden. 
Nicht alles, was im Web weltweit von Deutschland aus sichtbar
ist, muss an deutschem Recht gemessen werden. Die informationelle
Rezipientenfreiheit sagt doch gerade, dass ich mich aus allgemein
zugänglichen Quellen informieren darf. Wenn diese eben legal in
einem Land sind, dann bringt das ein mehr an unterschiedlicher
Kultur. Bei wirklich schlimmen Dingen wie Mord, KiPo oder
sonstigen Horror-Sachen gilt meist sowieso der
Weltrechtsgrundsatz und es gibt im Herkunftsland entsprechende
Vorschriften, die von der Justiz verwendet werden können. Der
Rest kann von G8 oder einer anderen Organisation (UNO) als
Vertrag vereinbart werden. Bei "geistigem Eigentum" funktioniert
das doch auch. Wenn es da schon funktioniert, dann sollte es für
die wirklich schlimmen Dinge auch internationale Vereinbarungen
geben. Oder ist "geistiges Eigentum" wichtiger als die
Unversehrtheit unserer Kinder?

Es geht aber darum, dass die Vorhersehbarkeit des Verstosses als 
Kriterium im Recht lächerlich wird, wenn ich potentiell alle
Rechtsordnungen dieser Welt anwenden kann. (Forum shopping)

Es bleibt die Frage, wie man sites behandelt, die für den
bundesdeutschen Markt geschneidert sind und komplett von
ausserhalb betrieben werden, also mit Leuten, die ihren Fuss nie
nach Deutschland setzen und von Deutschland aus nichts tun. Die
Sache muss im Herkunftsland zulässig sein und in Deutschland
verboten oder wider die Rechtsordnung. Der Verstoss muss so
gravierend sein, dass die überragende Bedeutung des Territorial- 
prinzips zurücktreten muss.

Dies ist zuerst einmal eine aussergewöhnlich Fallkonstruktion. 
Wenn wir dann ein Problem zutage fördern, das uns wirklich nervt,
dann kann man erst einmal politisch aktiv werden. 

Volksverhetzende Seiten sind ein solches Problem im Verhältnis zu
den USA. Dort wo solche Seiten in deutsch verfasst sind und der
Autor nur in den USA sitzt, haben wir wirklich ein Problem. Das
dürfte aber ungefähr 1% der Fälle ausmachen. Meistens steht nur
der Server dort und die Polizei ist nicht in der Lage, denjenigen
aufindig zu machen, der die Site editiert, weil sie weder
know-how noch Material hat. 

Anstatt das zu ändern werden dann wilde und gefährliche
Rechtskonstruktionen erwogen, die das ganze System in Frage
stellen und deren Prinzipien letztlich zu Lasten aller Bürger
dieser Welt gehen werden, die z.B. nicht mehr sicher nach
Deutschland einreisen oder hier Geschäfte machen können.
(Stichwort Anwendung unseres UWG auf US-Firmen via link oder was
auch immer)

Ich warne alle: Meine Lösung klingt viel zu vernünftig, als das
es in dieser Restriktion von Gerichten wahrgenommen werden
könnte, weil es einen willentlichen Machtverzicht bedeutet. Ich
habe schon immer Mindermeinungen vertreten und dies hier ist
wieder eine.

Also: Es gibt eine relativ einfache Lösung. Aber diese wird
politisch kaum durchsetzbar sein, weil sie an Egoismen und
Profilierungswünschen scheitern wird.

Daraus hat Sieber die Lehre gezogen und schlägt einfach ein
gemeinsames internationales Regelwerk für das Internet vor. Das
hätte eine bessere Chance, weil dort dann mit Macht gespielt
werden kann.

Schilys derzeitige Manöver sind allerdings eines guten Juristen
nicht würdig und zeigen die komplette Ratlosigkeit des
Innenministeriums gegenüber dem Netz. Der paternalistische
Ansatz, der dort gepflegt wird, verträgt sich nicht mit der
Netz-Architektur. Also kommt es zum Konflikt. Da die
Netz-Architektur weniger PR-Leute hat als das Innenministerium,
sehen wir in den Zeitungen immer die gleichen Argumente.
Allerdings bedeutet das nicht, dass die Netz-Architektur verloren
hat. Ich denke, es ist der Lärm eines Rückzugsgefechts des
Innenministeriums. 

Erst wenn wieder nachvollziehbare, überzeugende Urteile in
Netzdingen die Oberhand gewinnen, wird es wieder besser. Bis
dahin schadet sich die Justiz eben selbst. Es gibt alternative
Lösungen: Mediation, Schiedsgerichtsbarkeit, Vergleich... Die
sparen Zeit, Geld und Nerven, denn ich muss mich nicht mit einem
Richter auseinandersetzen, der zwar schon browsen kann, aber
nicht versteht, was das bedeutet. Der also -um mit Wau zu
sprechen- noch beim Bit verweilt und noch nicht beim Deut angelangt
ist.

Man kann sicherlich viel Geld verdienen, wenn man es schafft, ein
Unternehmen aus dem um-sich-schlagen der Justiz heraus zu halten.
Schneider hat mit eco e.V einen Ansatz gewagt. Ich hatte damals
nicht die Kraft zu einer Alternative und heute mache ich
Netz-Architektur..;)

Gruss

Rigo

Reproduktion mit Quellen-Angabe (GPL)

P.S. lange her, dass ich mir sowas von der Seele geschrieben
habe.