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EPA-Prüfungsrichtlinien 1978 deutsch



Unter

        http://swpat.ffii.org/vreji/papri/epo-gl78/indexde.html

findet sich jetzt auch die deutsche Fassung der EPA-Prüfungsrichtlinien
von 1978.

Kurz nach seiner Gründung durch das Europäische Patentübereinkommen
1973 begann das Europäische Patentamt damit, detaillierte Richtlinien
für die Prüfung von Patentanmeldungen zu erarbeiten. Diese erste
Fassung, die 1978 in Kraft trat, erklärt unmissverständlich, was
Erfindungen gemäß Art 52 EPÜ sind, was unter "Programme für
Datenverarbeitungsanlagen" zu verstehen ist und warum sie ebenso wie
mathematische Methoden, Geschäftsverfahren, Informationsstrukturen
u.v.m. keine patentfähigen (technischen) Erfindungen sind. Demnach
sind mit DV-Programmen sowohl Algorithmen als auch diese verkörpernde
Produkte und Prozesse ebenso wie sonstige "Abstraktionen" in all ihren
Verkörperungen von der Patentierbarkeit ausgenommen, und der Prüfer
wird aufgefordert, Patentansprüche nicht nach ihrem Wortlaut sondern
nach dem darin erkennbaren technischen Beitrag als solchem zu
beurteilen (= Differenzbetrachtung / Kerntheorie). Hierbei wird auch
klar, dass die Appositioin "als solche" in Art 52(3) den
Anwendungsbereich der Patentierbarkeitsausschlüsse nicht einschränkt.
Was einen technischen Beitrag darstellen kann, wird jedoch, anders als
in der damaligen BGH-Rechtsprechung, nicht definiert. In der Revision
von 1985 wurde dieser Mangel nicht behoben, aber die Definition des
DV-Programms wurde gestrichen und durch lange mehrdeutige Erklärungen
ersetzt, die den Weg für eine schrittweise Beseitigung aller Grenzen
der Patentierbarkeit eröffneten.

Hier ein paar Auszüge aus den Erläuterungen Art 52 EPÜ von 1978:

<zitat quelle="http://swpat.ffii.org/vreji/papri/epo-gl78/indexde.html">

   Im Übereinkommen ist die Bedeutung des Begriffs "Erfindung" zwar nicht
   festgelegt, aber Art 52(2) enthält eine nicht erschöpfende Aufzählung von
   Dingen, die nicht als Erfindungen angesehen werden.
   
   Einige Ausnahmen in dieser Aufzählung schließen sowohl etwas
   Abstraktes als auch dessen Verkörperung ein (e.g. eine ästhetische
   Formschöpfung als etwas Abstraktes oder als Bild, Skulptur usw; ein
   Programm für Datenverarbeitungsanlagen als etwas Abstraktes oder in
   Form eines Verfahrens zum Betreiben einer Datenverarbeitungsanlage
   oder als Aufzeichnung, z.B. auf einem Magnetband).
   
   Etwas "Abstraktes" als solches ist nie patentierbar.
   
   Seine Verkörperung in Form von Erzeugnissen oder Verfahren kann
   patentierbar sein, sofern die Erfindung technische (d.h. praktische)
   Merkmale aufweist.

   ...

   Programme für Datenverarbeitungsanlagen:

          Programme für Datenverarbeitungsanlagen können verschiedene
          Formen haben, beispielsweise Algorithmen, Flussdiagramme oder
          Serien codierter Befehle, die auf einem Band oder anderen
          maschinenlesbaren Aufzeichnungsträgern gespeichert werden
          können; sie können als Sonderfall entweder für eine
          mathematische Methode (siehe vorstehend) oder eine Wiedergabe
          von Informationen (siehe nachstehend) betrachtet werden. Wenn
          der Beitrag zum bisherigen Stand der Technik lediglich in einem
          Programm für Datenverarbeitungsanlagen besteht, ist der
          Gegenstand nicht patentierbar, unabhängig davon, in welcher
          Form er in den Ansprüchen dargelegt ist. So wäre z.B. ein
          Patentanspruch für eine Datenverarbeitungsanlage, die dadurch
          gekennzeichnet ist, dass das besondere Programm in ihr
          gespeichert ist, oder für ein Verfahren zum Betrieb einer durch
          dieses Programm gesteuerten Datenverarbeitungsanlage in
          Steuerabhängigkeit von diesem Programm ebenso zu beanstanden
          wie ein Patentanspruch für das Programm als solches oder für
          das auf Magnettonband aufgenommene Programm.

    ...

   Bei der Prüfung der Frage, ob eine Erfindung vorliegt, muss der Prüfer
   zwei generelle Punkte berücksichtigen. Zunächst sollte er die Form
   oder die Art des Patentanspruchs außer acht lassen und sich auf den
   Inhalt konzentrieren, um festzustellen, welchen neuen Beitrag die
   beanspruchte angebliche "Erfindung" zum Stand der Technik leistet.
   Stellt dieser Beitrag keine Erfindung dar, so liegt kein
   patentierbarer Gegenstand vor. Dieser Sachverhalt ist durch in IV.2.1
   aufgefürten Beispiele anhand verschiedener Wege zur Beanspruchung
   eines Programms für eine Datenverarbeitungsanlage erläutert. Ein
   weiteres Beispiel: Ist ein gewerbliches Erzeugnis, das seiner Art nach
   selbst patentierbar ist, bekannt, so würde ein Patentanspruch auf
   dieses Erzeugnis, das sich gegenüber dem Stand der Technik lediglich
   durch eine andere Farbe unterscheidet, keine Erfindung darstellen, es
   sei denn, dass die gewählte Farbe ein unterschiedliches technisches
   (und nicht nur rein ästhetisches) Merkmal mit sich bringt. Ausschlüsse
   von der Patentierbarkeit gelten jedoch nur insoweit, wie sich die
   betreffende Anmeldung auf die ausgeschlossenen Gegenstände oder
   Tätigkeiten als solche bezieht.

   Der Ausschluss kommt also unter Umständen nicht zum Tragen, wenn die
   Erfindung auch neue technische Merkmal aufweist. Dies wird durch die
   Beispiele veranschaulicht, die in IV.2.1 unter "ästhetische
   Formschöpfungen" angegeben sind. Darüber hinaus wäre beispielsweise
   eine Schallplatte nicht patentierbar, wenn das Besondere daran
   lediglich die darauf aufgezeichnete Musik wäre; würde jedoch die Form
   der Rille so geändert, dass die Schallplatte bei Verwendung eines
   speziellen Tonabnehmers auf eine neuartige Art und Weise funktioniert
   (siehe beispielsweise im Falle der ersten Stereoschallplatten), so
   könnte ein patentierbarer Gegenstand vorliegen.

</zitat>

--
Hartmut Pilch                                      http://phm.ffii.org/
Schutz der Innovation vor der Patentinflation:   http://swpat.ffii.org/ 
85000 Stimmen gegen Logikpatente:            http://www.noepatents.org/