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Re: [FYI] GEZ



On Tue, Oct 16, 2001 at 01:36:26PM +0200, Joerg-Olaf Schaefers wrote:
> Tuesday, October 16, 2001, 11:38:17 AM, you wrote:
[...]
> > > Es gibt auch auf dem freien Markt kaum einen - ja durchaus
> > > wuenschenswerten - Qualitaetswettbewerb, es gibt lediglich
> > > einen Kampf um die Quote. Das sind recht gegensaetzliche
> > > Dinge.
> 
> > Natürlich gibt es den - bei Zeitungen und Zeitschriften
> > genau wie im Web.
> 
> Ja, mit den weiter unten von dir beschriebenen Folgen, viele
> Teile des Netzes sind bereits jetzt unnutzbar. Zudem hat nicht

Deine persoenliche Meinung (und durchaus auch meine). Aber dem muss
das Mc-Donalds-Argument entgegengehalten werden: keiner, den man
fragt, bekennt sich dazu dahinzugehen, und trotzdem machen die
von Jahr zu Jahr mehr Umsatz.

> jeder die Zeit und die Faehigkeit (Medienkompetenz, again!)
> sich in diesem Chaos zu orientieren. Ganz nebenbei, ich mag
> dieses Chaos, ich haette nur gerne den weiter unten erwaehn-
> ten "verlaesslichen Gegen-/Ruhepol" fuer die Leute, die nicht
> den ganzen Tag ellenlange Mails an Listen wie debate schrei-
> ben koennen ...

Medienkompetenz ist eine Katze, die sich in den Schwanz beisst.
Wir hier bezeichnen uns mehr oder weniger als medienkompentent und
begruenden das damit, dass wir mehr oder weniger unterschiedliche
Medien konsumieren und bewerten koennen, und betrachten dies als
sinnvoll. Das begruendet allerdings nicht, warum das auch fuer andere
gelten sollte. Medienkompetent ist der, der medienkompetent ist, und
man wird es dadurch, indem man kompetent mit Medien umgeht.

Warum sollten wir uns erdreisten, anderen vorschreiben zu wollen,
dass sie sich dafuer Zeit nehmen sollten, in einem Chaos zu navigieren.
Sollen die sich doch selbst ihre Zeit einteilen, wie sie wollen.

> Zeitungen sind freilich auch etwas guenstiger zu produzieren
> als TV-Inhalte - trotzdem war das Sterben im deutschen Blaet-
> terwald in den letzten Jahren gross wie nie (Kein Wunder beim
> dem Schund, der teilweise auf den Markt geworfen wurde ..).
> Leider erwischt die liebe Marktwirtschaft aber nicht nur den
> Schund, sondern einige Querformate, die sich eben nicht dem
> Mainstream anpassen wollen.

Die Kategorien "Schund" und "Querformate" sind subjektive Wertungen
von Dir (Du im Sinne einer bestimmten intellektuellen "Elite"), daher
auch die von mir aufgebrachte Erwaehnung eines immer unterschwellig
angenommenen "Kanons". Was denn bitte anderes als das Interesse der
Konsumenten an einem Produkt kann denn entscheidend dafuer sein,
ob es fuer "den Konsumenten" im Mittel einen "Wert" besitzt? Soll
da die Meinung einer Intelligenz-Mafia ueber das Produkt wichtiger
sein als die Ansicht desjenigen, der das Produkt wirklich bezahlen
muss? Man muss jener "Mafia" vorhalten, dass sie selbst augenscheinlich
mit ihrem eigenen Portemonnaie abgestimmt hat, statt jenes "kulturell
wertvolle Kulturjournal, welches jetzt eingegangen ist" zu stuetzen.
Das ist nicht einfach mit einem "die Grossen machen alles mit Schund
platt" abzutun - es gibt auch massenhaft Neuerscheinungen von Schund,
die sich auf dem Markt nicht behaupten koennen.

> Das "Multimedia-Internet" der Zukunft hingegen wird Unsummen
> verschlingen - was angesichts der kuehnen Plaenen alle bis-
> her bekannten Medien einzubringen kaum verwunderlich sein
> duerfte.

Mag sein. Ja und?

> Vor allem handelt es sich hier aber auch um einen Markt, der
> zur Zeit kaum naeher definiert ist und den viele Printhaueser
> gerne "von unten" besetzen wuerden. Da kann man den Futter-
> neid durchaus verstehen ...

Mag sein, aber das Problem haben die Medien seit jeher.
Der Markt ist inzwischen allerdings groesser geworden, die
umlaufenden Geldmengen aber nicht. Das heisst nur und korrekt,
dass der Wettbewerb zunehmen muss. Fatal ist es, wenn ein Teil
der Wettbewerber an diesem Rennen das Fahrzeug beliebig mit
Fremdgeldern aufruesten darf, waehrend den anderen noch zusaetzlich
die Handbremse angezogen wird. Dass gerade so nichts Vernuenftiges
entstehen kann, ist offensichtlich.

> > Das Problem, was Patalong im zweiten Teil seines Artikels durch-
> > aus anschneidet, was Du aber völlig ignorierst, ist doch, daß
> > öffentlich-rechtliche Angebote im Wettbewerb zu Privaten stehen,
> > dabei aber dank Gebührenfinanzierung niemals verlieren können,
> > selbst wenn sie sich dabei unglaublich dämlich anstellen und Un-
> > summen an Geld verschleudern.
> 
> Dann hat man ihnen gefaelligst auf die Finger zu hauen,

ACK.

> was dank Verfilzung und offizieller Entkoppelung vom
> Staat eben nicht ganz so einfach ist.

Deregulierung also, nicht noch weitere Ausbreitung der
Selbstbedienung. Fuer nichts anderes plaediere ich.

> Das Problem sehe ich durchaus, da gibt es eine Menge zu
> regulieren (afaik bestand da waehrend der letzten Diskus-
> sion vor knapp einem (halben?) Jahr sogar weitgehend Ei-
> nigkeit zwischen mir und Holger Veit). Ich verwende ja
> nicht umsonst Umschreibungen wie "Das ist kein Bug, das
> war mal ein Feature". Das ist aber noch lange kein Grund
> den ö-r Rundfunk hinzurichten, wie es Holger Veit fordert
> und fortan medienpolitischen Sozialdarwinismus zu betrei-
> ben. Wohin sowas fuehrt, kann man nicht nur bei Neil Post-
> man nachlesen.

Ich verlange nicht die Hinrichtung der OeR. Ich verlange, dass
sie sich auf ihre Kernaufgaben beschraenken und eben nicht mit
ungleichen Mitteln (mit einem zwangsweise abkassierten Budget
im Ruecken) den Markt verbiegen. Waeren da nicht die Unsummen
aus den Gebuehreneinnahmen, haetten sich Uebertragungsrechte
wie beim Sport nicht in so schwindelerregende Hoehen entwickelt.

Solange sie ihrem Auftrag nicht nachkommen, sehe ich keinen Grund
dafuer, sie dafuer auch noch mit meinem Geld zu honorieren. Die
Misere, dass sie wohl vermutlich binnen kuerzester Zeit verrecken
wuerden, wenn man ihnen den Geldhahn zudrehen wuerde, haben sie
sich selbst zuzuschreiben.

> ...
> 
> > Ich finde den Markt auch sehr wichtig - nur willst Du doch nicht
> > ernst- haft behaupten, daß durch die jetzt ergangene Entscheidung
> > der Markt oder die Qualität der Informationen in irgendeiner Art
> > und Weise profitiert.  
> 
> Das Problem ist ein anderes, ARD und ZDF wollen Gelder (und
> eine Freigabe) fuer - imo durchaus noetige und sinnvolle -
> Netzaktivitaeten, dabei aber keine sorgsam erkaempften Res-
> sortetats (andere nennen es Wasserkoepfe) anfassen (Gebueh-
> renerhoehungen sind bis auf weiteres nicht machbar. Da sind
> sich alle einig.). Die Entscheidung der Laender verlangt nun
> aber genau dies, das schlachten heiliger Kuehe auf fetten
> ö-r Weiden (Prima!). Sollten die Anstalten allerdings nicht
> zu umfassenden interen Strukturveraenderungen bereits sein,
> wird die "Qualitaet der Informationen" sogar noch weiter
> leiden.

ACK. Aber dafuer sind neuerlich aufgetane Geldquellen wie die
PC-Abgabe kontraproduktiv. Der Aufwand fuer eine angemessene
Internetpraesenz oder auch den Empfang von TV-Sendungen ueber
eine WinTV-Karte ist marginal (im letzteren Fall liegen die
Kosten beim User, im ersten Fall zahlt er fuer die Netzanbindung);
eine solche Gebuehrenzulage wird dagegen den Wasserkopf weiter
aufblaehen.

[...]
> Kleine Lokalradios haben da als Einzelkaempfer kaum Ueber-
> lebenschancen, ganz abgesehen davon, dass sie oftmals ein-
> fach nur schlecht sind und das kein Mensch einen weiteren
> Chartsender braucht, der zwischendurch die Schweinepreise
> vom Wochenmarkt kommuniziert. Es ist schlicht und ergrei-
> fend eine beschissene Geschaeftsidee.

Was sich ja durchaus auch an den Einschaltquoten zeigt. Aber
das heisst im Umkehrschluss nicht, dass mehr Geld auch mehr
Qualitaet bedeutet - erwaehnte SWR- und RPR- Tralala-Sender.

> > Der Pluralität dient das mit Sicherheit nicht,
> 
> Soweit ich das beurteilen kann, unterscheiden sich die
> einzelnen Kanaele des WDR und HR schon recht erheblich.
> Die Lage im wilden Sueden kenne ich nicht.

Ich wage zu behaupten, dass lediglich WDR 2 und HR 3
als Autofahrersender eine groessere Verbreitung haben;
WDR1/EinsLive als Kiddiefunk und WDR4 als Omaschlagersender
sind so zielgruppenbezogen, dass man da vom hehren
Vollprogramm-Auftrag nichts mehr merkt.

> > Auf Dauer sehe ich nur eine Chance für die ö-r-Medien, wenn sie den
> > unseligen Absolutheitsanspruch völlig aufgeben und sich darauf
> > beschränken, ein Angebot unter vielen zu machen.
> 
> Dann koennen wir sie gleich einstampfen. Mir waere ein
> verlaesslicher Gegenpol zum durch und durch von Werbung
> und populistischer Meinungsmache penetrietem Mainstream
> wesentlich lieber. Auch und vor allem im Netz. Ja, ich
> bin ein unverbesserlicher Idealist.

Wenn schon die Rede ist von Meinungsmache, dann doch wohl
am ehesten durch subtile Beeinflussung durch Sender wie 
den "Rotfunk" WDR und den "Schwarzfunk" BR (am augenscheinlichsten 
ist das bei den Politmagazinen von ARD und ZDF). Es muss ja nicht
so auffaellig sein wie Sudel-Ede im Schwarzen Kanal. Dass Sabine
Christiansen sich da lieb und adrett von Politprofis unterbuttern
laesst, ist keine sonderlich neutrale Berichterstattung. Auch die
Tagesschau betreibt eine Auswahl der Beitraege (und es fehlt
die Information, was sie denn nicht gesendet haben - das kann
man vielleicht anderntags in der Zeitung lesen, wenn man Glueck
hat). Mainstream ist die politische Mitte, die man bei den OeR
findet. Bei den Gesellschaftsklatsch-Nachrichten in Kirch-TV
sehe ich zumindest noch recht schnell, dass da Meinungsmache
stattfindet (und muss dann eh am anderen Tag in die Zeitung gucken), 
bei den OeR kann ich es nicht mehr leicht feststellen
(und hoffe eigentlich, dass die Berichterstattung hinreichend
neutral ist). Bei der aktuellen Kriegsberichterstattung und der
vergangenen vom Balkan weiss ich auch heute nicht, was ich
wirklich fuer bare Muenze nehmen soll.

Holger

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