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Re: W3C will Web patentieren



> Wenn alles nach den Vorstellungen der Autoren des Konzepts weitergeht,
> wird das W3C ab Februar 2002 in seinen Standards auch patentierte
> Verfahren aufnehmen. Bisher freie Methoden und Software fallen im PPF
> unter eine so genannte "Royalty-Free License" (RF[3]). Patentiertes
> muss "sofern es Eingang in Standards des W3C finden soll" unter eine
> "Reasonable and Non-Discriminatory License" (RAND[4]) fallen.

Wird da nicht etwas verwechselt?

Bisher freie Methoden können gar nicht unter Patente fallen.  Bei ihnen
erübrigt sich die Frage nach der Gestaltung der Lizenz.

Ich hatte das so verstanden:  grundlegende Standards können nur dann
verabschieded werden, wenn alle damit zusammenhängenden Patente
gebührenfrei (RF) lizenziert werden.  Bei Standards einer höheren
Applikationsebene dürfen die Patentinhaber hingegen dem Implementierer
auferlegen, die Verbreitung seiner Software zu kontrollieren und pro
Kopie eine Gebühr abzuführen, m.a.W. nur proprietäre Sw zu schreiben.

> Und das kann bedeuten: Eines Tages muss der Internetnutzer auch den
> oder die Inhaber eines Patents bezahlen, das eine genutzte
> Dienstleistung berührt.

Ist dieses Recht des Patentinhabers nicht eher bereits mit dem Erwerb der
kostenpflichtigen Software (oder der Veröffentlichung der
tributpflichtigen Webseiten) erschöpft?

> Das PPF schreibt zwar vor, dass die so genannte "lower-layer
> infrastructure" des Netzes auf RF-Basis entwickelt werden muss, kann aber –
> spätestens nach seiner eigenen Einführung – dafür keine Garantie geben.

Den Satz verstehe ich nicht.
Richtig dürfte sein:  Das W3C kann nicht gewährleisten, dass ein
anfangs als "auf hoher Ebene angesiedelter Standard" nicht im Laufe
kurzer Zeit (<<20 Jahre) zu einem grundlegenden Allgemeingut unterster
Ebene wird.

> Inwieweit die Absichten des PPF umsetzbar sind und nicht die Arbeit
> des Konsortiums lähmen, wird sich zeigen müssen. Dem PPF zufolge
> sollen vor allem die Mitglieder des W3C, die an einer Standardisierung
> mitwirken, in die Verantwortung genommen werden. Sie sollen bei ihrer
> Aufnahme in eine Arbeitsgruppe nach bestem Wissen und Gewissen
> Auskunft darüber geben, ob ihre Vorschläge bestehende Patente
> berühren. Ist das der Fall, werden die Patente daraufhin geprüft, ob
> sie mit der RAND-License konform gehen. Nur dann können patentierte
> Verfahren und Software im Standard verwendet werden und der Standard
> selbst fällt unter die RAND-License. (chk[5]/c't)

Patente lassen sich nicht daraufhin überprüfen, ob sie mit einer
bestimmten Lizenz konform gehen.

Soweit ich sehe geht es darum, dass die Mitglieder des W3C sich von
vorneherein vertraglich verpflichten, eventuell versteckte Patente unter
mehr der weniger erträglichen Lizenzbedingungen zur Verfügung zu stellen.

Ohne eine solche Politik befürchtet das W3C wohl, dass es angesichts
zahlreicher Patente in seiner Arbeit zunehmend lahmgelegt wird.  Durch
Pauschalgebühren kann man Firmen einbinden, die sonst nur querschießen
würden.  Allerdings kann man nicht verhindern, dass Patenthaie von
außerhalb des W3C weiterhin querschießen. Meistens lässt sich aber mit
einem Patent ja dann am meisten Geld verdienen, wenn viele Leute in
geregelter Weise zu Nutzern werden. Es gibt kaum etwas lukrativeres als
die Teilnahme an einem Patentpool um einen Standard herum.  Wer so einen
Patentpool, egal ob von außen oder von innen, durch höhere
Gebührenforderungen gefährdet, hat meistens mehr zu verlieren als zu
gewinnen.

Die Hauptschuldigen an dieser Misere sitzt nicht im W3C sondern im BMJ,
der EU-Kommission, der US-Regierung usw.  Andererseits sollten wir
trotzdem vom W3C verlangen, dass es nicht diesen Weg des geringsten
Widerstandes geht, den ihm seine zahlungskräftigen Großfirmen-Mitglieder
sicherlich gerne einreden möchten.  Denen kommt es sehr recht, wenn für
das Einrichten gemeinschädlicher Zollschranken nicht sie selbst sondern
das W3C verantwortlich gemacht werden kann.

--
Hartmut Pilch                                      http://phm.ffii.org/
Schutz der Innovation vor der Patentinflation:   http://swpat.ffii.org/
89000 Stimmen gegen Logikpatente:            http://www.noepatents.org/