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NRW will Internet-Seiten via MDSV sperren



Tag,

uns erreichte heute ein Schreiben der Bezirksregierung
Düsseldorf die sich als zuständige Verwaltungsbehörde
des Mediendienstestaatsvertrag deklariert und sich damit
berechtigt sieht, ISP´s bzw. Access Provider aufzufordern,
verschiedene (amerikanische) Webangebote zu sperren..

Abgetippte Version untenstehend, nicht-so-tolle-Qualität-
PDF unter http://www.ccc.de/CRD/CRD20011004-NRWLAD.pdf
(wer das ganze lesbarer genießen möchte, HTML-Version unter
http://www.ccc.de/CRD/CRD20011004-NRWLAD.html).

Vielleicht können die Juristen hier mal etwas zur Erfolgsaussicht
und Übertragkeit dieser Vorgehensweise auf andere Bundesländer
schreiben? Ist das jetzt Internet-Zensur-Einführung in 
Deutschland oder leben wir schlicht in interessanten Zeiten?

A.

--- schnipp ---

Bezirksregierung Düsseldorf
Dienstgebäude Cecilienallee 2, 40474 Düsseldorf
E-Mail: Leroch@mail.bezreg-duesseldorf.nrw.de
Durchwahl: (0211) 475 25 25
Telefax: (0211) 475 - 29 74
Zimmer: Ce 25
Auskunft erteilt: Herr Leroch

Aktenzeichen:
21.50.20

Düsseldorf, 04. Oktober 2001



Aufsicht nach dem Mediendienste-Staatsvertrag (MdStV)
Ordnungsrechtliches Verfahren bei Verstößen gegen die Bestimmungen des
Mediendienste-Staatsvertrages

                              Anhörung

gemäß Artikel 1, § 3 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag über Mediendienste
vom 20. Mai 1997 (GVBL. I 1997 S. 134) in Verbindung mit § 1 der Verordnung
über Zuständigkeiten nach dem Mediendienstestaatsvertrag vom 17. Sept. 1997 
(GVBL I, 1997, S. 359) ist die Bezirksregierung Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen
als die für den gesetzlichen Jugendschutz zuständige Verwaltungsbehörde im Sinne
des § 18. Abs. 1 MdStV für die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen
nach den §§ 7, 8 und 9 Abs. 1 MdStV und die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten
nach § 20 MdStV zuständig.

Hierbei habe ich festgestellt, dass durch Sie als Access-Provider im Sinne des
§ 18 Abs. 3 MdStV unzulässig Inhalte verbreitet werden.

                                1/8

Angebote im Internet sind unzulässig, wenn sie

1. gegen Bestimmungen des Strafgesetzbuches verstoßen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 MdStV),

2. den Krieg verherrlichen (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 MdStV),

3. offensichtlich geeignet sind, Kinder und Jugendliche sittlich schwer zu
   gefährden (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 MdStV),

4. Menschen, die sterben oder schweren körperlichen oder seelischen Leiden
   ausgesetzt sind oder waren, in einer die Menschenwürde verletzenden Weise
   darstellen und ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, ohne daß ein
   überwiegendes berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der
   Berichterstattung vorliegt; eine Einwilligung ist unbeachtlich
   (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 MdStV),

5. in sonstiger Weise die Menschenwürde verletzen (§ 8 Abs. 1 Nr. 5 MdStV(,

6. gegen die verfassungsmäßige Ordnung, gegen die allgemeinen Gesetze und
   gegen die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der persönlichen Ehre
   verstoßen (§ 7 Abs. 1 MdStV),

Folgende Internet-Service enthalten unzulässige Inhalte

a) http://www.front14.org

   Der amerikanische Service-Provider Front14 hostet ausschließlich
   rechtsextremistische Internetseiten in verschiedenen Sprachen. Neben dem
   bisher bereits kostenlosen Angebot von Speicherplatz auf seinen
   Servern wird mittlerweile auch noch ein kommerzielles erweitertes
   Nutzungsangebot zur Verfügung gestellt. Zu handelsüblichen Konditionen
   werden Speicherplatz, Datentransfer, Email-Adressen mit eigenem Domain-
   Namen etc. angeboten. Aus der Hauptseite geht hervor, dass Front14 selber
   rechtsextremistisch ist. Front14 sagt über sich selbst: "We decided to
   provide an alternative to proud White men and women, one that would be for
   our White interests only." und "Only Front14 offers free webhosting and
   email exclusively to Racialists."
   Unter anderem wird auf den deutschsprachigen von Front14 gehosteten Seiten
   zum Rassenhass und zur Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten
   aufgerufen. Dieses Angebot ist unzulässig, da es sowohl gegen Nr. 1 der
   o.a. Rechtsvorschriften verstößt (z.B. § 130, 130 a, 86 StGB), als auch
   gegen die Nrn. 2, 3, 4 und 5.

                                2/8

b) http://www.stormfront.org

   Der amerikanische Service-Provider Stormfront.org bietet ausschließlich
   rechtextremistische Internetseiten in überwiegend englischer Sprache.
   Es wird in verschiedenen Ausbaustufen ein kommerzielles Nutzungsangebot
   zur Verfügung gestellt. Zusätzlich werden Speicherplatz, Datentransfer,
   Email-Adressen mit eigenem Domain-Namen etc. angeboten. Aus der Hauptseite
   geht hervor, dass Stormfront.org rechtsextremistischer Gesinnung ist. In
   einem deutschsprachigen Angebot wird u.a. der Begriff "Befreite Zonen"
   erklärt und welchen Umgang man mit Andersdenkenden plant: "...wir
   bestrafen Abweichler und Feinde..."
   Über Stormfront.org die auch einen eigenen Versand betreiben, können
   verbotene nationalsozialistische Symbole heruntergeladen bzw. per Post
   bestellt werden. Dieses Angebot ist unzulässig, da es sowohl gegen Nr. 1 der
   o.a. Rechtsvorschriften verstößt (z.B. § 130, 130 a, 86 StGB), als auch
   gegen die Nrn. 2, 3, 4, und 5.

c) http://www.nazi-lauck-nsdapao.com
   
   Auf dieser Seite wird nationalsozialistisches Propagandamaterial angeboten
   und auf zynische Art die Opfer des Holocaust verunglimpft. Es können
   rassistische Computerspiele (KZ-Rattenjagd, Nazi-Doom) heruntergeladen
   werden. Sogenannte Nachbildungen von Zyklon B Kanistern - Marke
   Konzentrationslager Ausschwitz - werden ebenso wie nationalsozialistische
   Logos und Klingeltöne für das Mobiltelefon angeboten.
   Dieses Angebot im Internet ist unzulässig, da es gegen die Nrn. 1, 2 und
   3 der o.a. Rechtsvorschriften verstößt. Insbesondere liegt hier der
   Verstoß gegen strafrechtliche Bestimmungen vor (z.B. § 130, 130 a und
   86 StGB).

d) http://www.rotten.com

   Auf der Seite dieses amerikanischen Content-Provider, der gleichzeitig
   sein Angebot hostet, wird auf zynische Art und Weise Gewalt- und
   Kriegsverherrlichung betrieben.

                                3/8

   Weiterhin werden in unzähligen Bildern Unfall- und Gewaltopfer unter
   Nichtbeachtung der Menschenwürde gezeigt.
   Eine Unzulässigkeit dieser Angebote ergibt sich nicht nur aus dem Verstoß
   gegen die o.g. Rechtsvorschriften unter den Nrn. 1 und 2 (§ 130, 130 a und
   86 StGB) sowie Nr. 3 (sittliche Gefährdung von Kindern und Jugendlichen),
   sondern insbesondere gegen die Nrn. 4 und 5 - Menschen werden in einer die
   Menschenwürde verletzenden Weise dargestellt -.

Die unter a) bis d) aufgeführten Internet-Adressen verstoßen gegen die Nr. 6
der o.g. Rechtvorschriften i. S. d. § 7 Abs. 1 MdStV.

Nach § 18 Abs. 2 MdStV trifft die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde bei
einem Verstoß gegen die Bestimmungen des Mediendienste-Staatsvertrags die zur
Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter.
Sie kann insbesondere Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen.

Nach § 5 Abs. 1 MdStV sind Anbieter für eigene Inhalte, die sie zur Nutzung
bereithalten (Content-Provider), nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.
Gemäß § 5 Abs. 2 MdStV sind Anbieter für fremde Inhalte, die Sie zur Nutzung
bereithalten (Service-Provider), nur dann verantwortlich, wenn Sie von diesen
Inhalten Kenntnis haben und es ihnen technisch möglich und zumutbar ist,
deren Nutzung zu verhindern.
Nach § 5 Abs. 3 MdStV sind Anbieter für fremde Inhalte, zu denen sie lediglich
den Zugang zur Nutzung vermitteln (Access-Provider), nicht verantwortlich.

Allerdings können nach § 18 Abs. 3 MdStV Maßnahmen zur Sperrung von Angeboten
auch gegen die Anbieter von fremden Inhalten nach § 5 Abs. 3 MdStV gerichtet
werden, wenn sich Maßnahmen gegenüber den Verantwortlichen nach § 5 Abs. 1 und
2 als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erweisen. Vorraussetzung
ist, dass der Anbieter unter Wahrung des Fernmeldegeheimnisses gemäß § 85 des
Telekommunikationsgesetzes von den Inhalten Kenntnis erlangt und eine Sperrung
technisch möglich und zumutbar ist.

                                4/8

Die Content- und Service-Provider sämtlicher o.g. Angebote haben ihren Sitz
nicht in der Bundesrepublik Deutschland, so dass die Maßnahmen gegenüber
diesen Verantwortlichen nach §5 Abs. 1 und 2 MdStV weder durchführbar noch
erfolgversprechend sind.

Bei den o.g. Angeboten sind soweit Content- und Service-Provider nicht
identisch sind, die Content-Provider-Adressen nicht ermittelbar, da die
entsprechenden Registrierungsdaten nicht vorhanden oder fehlerhaft sind.
Deshalb wurden die zuständigen amerikanischen Service-Provider von mir per
E-Mail auf die Rechtswidrigkeit der o.g. Internet-Seiten nach deutschem
Recht hingewiesen und ersucht, diese Angebote zu entfernen. Eine Reaktion der
angeschriebenen Service-Provider erfolgte nicht.

Insofern mache ich hier vom § 18 Abs. 3 MdStV Gebrauch, wonach Maßnahmen
zur Sperrung von Angeboten auch gegen Anbieter von fremden Inhalten nach
§ 5 Abs. 3 MdStV gerichtet werden können, wenn der Anbieter von den Inhalten
Kenntnis erlangt hat. Sofern Ihnen diese Angebote bisher nicht bekannt waren,
setze ich Sie hiermit davon in Kenntnis.

Eine Sperrung dieser unzulässigen Angebote ist technisch möglich.

Angesichts dessen, dass die o.g. Angebote gegen das Strafgesetzbuch verstoßen
und die verfassungsmässige Ordnung nachhaltig gefähren, habe ich eine
Sperrung auch für zumutbar.

Ich gebe Ihnen hiermit gemäß § 28 Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG)
Gelegenheit, sich zu der beabsichtigen Sperrungsverfügung zu äußern.

Sofern Sie sich _schriftlich_ äußern wollen, erwarte ich Ihre Stellungnahme
bis zum 22.10.2001.

Ich gebe Ihnen - wie auch allen anderen mir bekannten Access-Providern in
NRW, denen ich ebenfalls mit heutigem Datum ein Anhörungsschreiben zugesandt
habe - zusätzlich Gelegenheit sich in einer _mündlichen_ Anhörung zu äußern.

Die Anhörung findet statt

                                5/8
am 13. November 2001 um 10:00 Uhr im Plenarsaal der
Bezirksregierung Düsseldorf, Cecillenallee 2, 40474 Düsseldorf,

wozu ich Sie hiermit recht herzlich einlade.
Ich bitte Sie an Hand des beigefügten Vordrucks bis zum 10. Oktober um
Mitteilung ob und ggf. wer aus Ihrem Hause hieran teilnimmt.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
(Schütte)

                                6/8
_________________                            _____________________
   Absender                                        Anschrift
                                            Mit Fax- und Telefonnummer

Bezirksregierung Düsseldorf
Dezernat 21
- Medienaufsicht -
Cecilienalee 2

40474 Düsseldorf

Fax: 0211/475-2974

Medienaufsicht nach dem Mediendienste-Staatsvertrag (MdStV);
Mündliche Anhörung an 13. November 2001 um 10:00 im Plenarsaal der
Bezirksregierung Düsseldorf

a) An dem o.g. Termin wird teilgenommem [ ] Ja [ ] Nein
   Name des/der Teilnehmer/s: _____________________________________________

b) Name und Anschrift des tatsächlich Verantwortlichen:
   ________________________________________________________________________
   ________________________________________________________________________
   ________________________________________________________________________


   _____________________   _________________
   Datum                   Unterschrift

                                7/8

--- schnapp ---



-- 
"Military justice is to justice like military music is to music. " (Gaucho Marx)

Andy Mueller-Maguhn, andy@ccc.de, Postfach 64 02 34, D-10048 Berlin, Germany
Key ID 331F9781 - Fingerprint 4996 E00B 317E AA17 9753 4678 9485 AD2A



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