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[FYI] (Fwd) Sicherheitspaket weiterhin in der Kritik (Pressemitteilu




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Date sent:      	Wed, 07 Nov 2001 15:14:15 +0100
To:             	vpo-presse-list@datenschutz.de
From:           	Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein <mail@datenschutzzentrum.de>
Subject:        	Sicherheitspaket weiterhin in der Kritik (Pressemitteilung ULD
 	SH)

Kiel, 7. November 2001
P R E S S E M I T T E I L U N G

Zur Verabschiedung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des
internationalen Terrorismus durch das Bundeskabinett erklären die
Datenschutzbeauftragten von Baden-Württemberg, Bayern, Berlin,
Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Thürigen und
Schleswig-Holstein:

Das heute vom Bundeskabinett verabschiedete Bündel von erneuten
Verschärfungen der Sicherheitsgesetze ist unter rechtsstaatlichen
Aspekten nicht akzeptabel. Zwar ist der ursprüngliche Entwurf von
Innenminister Schily an einigen Stellen korrigiert worden, gleichwohl
ist insgesamt Folgendes festzustellen:

·	Der Gesetzentwurf schießt weit über das Ziel einer angemessenen 
und
zielorientierten Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September
hinaus.

·	Er sieht für Polizei und Geheimdienste neue Befugnisse vor, die
sensible Bereiche des Rechtsstaates wie die förderale Struktur der
Polizei, die Trennung von Polizei und Geheimdiensten sowie die
Unterscheidung von Strafverfolgung und Gefahrenabwehr empfindlich
stören. Statt dass die Notwendigkeit hierfür begründet würde, werden
verfassungsrechtliche Bindungen wie überflüssiges Beiwerk beiseite
geschoben.

·	Die Frage, welchen Sicherheitsgewinn die vielen Antiterrorgesetze
der letzten 20 Jahre gebracht haben, wird nicht gestellt; damit wird
auch der Frage aus dem Weg gegangen, welche Vollzugsdefizite bei den
deutschen Sicherheitsbehörden bestehen. Die Erweiterung der Aufgaben
der Verfassungsschutzbehörden mit schwammigen Begriffen wie
“Bestrebungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung” und das
“friedliche Zusammenleben der Völker” erweckt beispielsweise den
Eindruck, als habe es nicht längst vor dem 11. September zu den
Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden gehört, Gewaltbestrebungen oder
darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen von Ausländern zu
beobachten. Im Einzelnen stechen aus der Vielzahl der angestrebten
Veränderungen die folgenden besonders hervor:

·	Das Bundeskriminalamt soll bei sämtlichen öffentlichen und
nichtöffentlichen Stellen ohne nähere Begründung “zur Erfüllung seiner
Aufgabe als Zentralstelle” “oder sonst zu Zwecken der Auswertung”
Daten erheben dürfen. Damit wird eine Grauzone eröffnet, die zu
Vorfeldermittlungen des BKA ohne justizielle Aufsicht führt, die
deutlich über die vom Grundgesetz zugelassene unterstützende
Zentralstellenfunktion hinausgehen und die die Zuständigkeiten der
Länder zur Gefahrenabwehr ignorieren. Wie weit dieser Spielraum
definiert wird, sieht man daran, dass das BKA seit Tagen versucht, bei
Firmen und öffentlichen Stellen in den Bundesländern umfangreiche
Datenbestände zu erheben und damit Abgleiche durchzuführen, ohne dass
die gesetzlichen Bestimmungen der Rasterfahndung eingehalten werden.

·	Die Geheimdienste, neben den Verfassungsschutzbehörden teilweise
auch der Militärische Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst,
sollen umfangreiche Auskunftsansprüche gegenüber Banken, Post- und
Telekommunikations- und Teledienstunternehmen über die dort
vorhandenen Daten und gegenüber Luftverkehrsunternehmen über alle
Reisebewegungen erhalten. Anders als bei polizeilichen Ermittlungen
soll es nicht darauf ankommen, ob die Betroffenen sich in irgendeiner
Weise strafrechtlich verdächtig gemacht haben. Zudem wird durch die
neuen Ermittlungsbefugnisse der Geheimdienste auf Gebieten, für die
die Polizei zuständig ist, das verfassungsrechtliche Trennungsgebot
verletzt. Zwar sollen diese Maßnahmen im Gegensatz zum Vorentwurf nur
durch die Behördenleitung bzw. das Ministerium angeordnet werden
können, außerdem sind parlamentarische Kontrollen und eine spätere
Benachrichtigung der Betroffenen vorgesehen. Einer Gesetzgebung, die
explizit unter dem Motto betrieben wird, Hindernisse müssten
weggeräumt werden, damit die Zusammenarbeit zwischen den Behörden
“reibungslos” funktioniert, ist aber zuzutrauen, dass derartige
Verfahrenshindernisse bei nächster Gelegenheit bereinigt werden.

·	Aus der Begründung ist ersichtlich, dass sogar geplant ist, dem
Bundesamt für den Verfassungsschutz die Durchführung des Großen
Lauschangriffs in Privatwohnungen zu gestatten, wenn es zur
“effektiven Bekämpfung des Ausländerterrorismus” notwendig erscheint.
Die entsprechende Gesetzesformulierung soll im Laufe der
Parlamentsberatungen nachgeschoben werden.

·	Die Möglichkeit der Aufnahme biometrischer Merkmale in Pässe und
Ausweise soll ausdrücklich eröffnet werden. Während bei Deutschen die
Einzelheiten einem Ausführungsgesetz vorbehalten bleiben, sollen
solche Dokumente für Ausländerinnen und Ausländer per Rechtsverordnung
durchgesetzt werden. Die Frage, ob die biometrischen Merkmale auch
außerhalb des Verfügungsbereiches der Betroffenen, also z.B. in
zentralen oder dezentralen Referenzdateien gespeichert werden dürfen,
wird ausdrücklich offen gelassen. Damit sieht der Gesetzentwurf ohne
Notwendigkeit die Einführung einer komplexen neuen Technologie vor,
ohne offen zu legen, welche Nutzungen insbesondere von Fingerabdrücken
und Gesichtsgeometrie durch die Polizei oder andere Behörden möglich
und geplant sind.

·	In einer Vielzahl von ausländerrechtlichen Bestimmungen wird ohne
Nachweis der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit in das Recht auf
informationelle Selbstbestimmung der nicht deutschen Mitbürger
eingegriffen. Auf jeden Fall abzulehnen ist, dass die sensiblen und
für die Betroffenen unter Umständen buchstäblich lebensbedrohlichen
Informationen aus Asylanträgen ohne Schutzvorkehrungen an die
Geheimdienste übermittelt werden sollen; selbst die Weiterübermittlung
an den Geheimdienst des Verfolgungsstaates ist nicht ausgeschlossen.
Durch die beim BKA vorgesehene zentrale Speicherung von
Fingerabdrücken und von Sprachprofilen vieler Ausländerinnen und
Ausländer wird eine polizeilich vielfach nutzbare
Vorratsdatenverarbeitung aufgebaut.

·	Zum ersten Mal sollen sogar Sozialdaten in die Rasterfahndung
einbezogen werden dürfen.

Es bleibt zu hoffen, dass der Deutsche Bundestag die Gesetzentwürfe
der Regierung einer gründlichen Beratung unterzieht. Möglicherweise
ist es sinnvoll, wirklich eilbedürftige Teile vorzuziehen und die
nicht terrorismusbezogenen Vorhaben ohne Zeitdruck und mit der
gebotenen verfassungsrechtlichen Sensibilität zu beraten.


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