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Re: Patent-Wahnsinn ...



On 11 Feb 2002, at 23:33, Alvar Freude wrote:

> Erfundene Felder?
> 
> Dr. Dietrich Klein, Rechtsexperte beim Deutschen Bauernverband, zur
> Patentierung ganzer Äcker
> 
> 
> http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/artikel121695.php

Man darf auf keinen Fall vergessen, dass es sich bei 
Patentanspruechen stets um Immaterialgueterrecht handelt.

Angenommen, jemand hat ein vebessertes Fensterscharnier erfunden.

Er koennte dann einen Patentanspruch formulieren, etwa

"Fensterscharnier, dadurch gekennzeichnet, dass [naehere Angabe der 
erfinderischen Merkmale]."

Wie ist ein derartiges Textkonstrukt, das noch nicht einmal einen 
grammatikalisch vollstaendigen Satz darstellt, zu interpretieren?

In U.S.-Patenten findet sich manchmal zu Beginn der Patentanspruehke 
der Hinweis:

"I / We claim:"

Also koennte man einen vervollstaendigten Anspruch lesen etwa wie 
folgt:

"Ich beanspruche / wir beanspruchen ein Fensterscharnier, welches 
dadurch gekennzeichnet ist, dass [naehere Angabe der erfinderischen 
Merkmale]."

Aber auch dies ist immer noch eine missverstaendliche Abkuerzung, 
denn sie suggeriert einen sachenrechtlichen BGB-artigen Anspruch auf 
das Fensterscharnier. Dies widerspraeche aber dem 
immaterialrechtlichen Charakter des Patentwesens.  

Besser waere vielleicht:

"Ich beanspruche / wir beanspruchen ein ein Monopol auf eine 
bestimmte technische Lehre, die sich in einem Fensterscharnier 
manifestiert, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass [naehere 
Angabe der erfinderischen Merkmale]."

Was aber auch ginge (warum nicht?)

"Ich beanspruche / wir beanspruchen ein ein Monopol auf eine 
bestimmte technische Lehre, die sich in einem Gebaeudefenster 
manifestiert, welches ein Fensterscharnier aufweist, welches dadurch 
gekennzeichnet ist, dass [naehere Angabe der erfinderischen 
Merkmale]."

Oder auch gleich:

"Ich beanspruche / wir beanspruchen ein ein Monopol auf eine 
bestimmte technische Lehre, die sich in einem Gebaeude manifestiert, 
welches ein Gebaeudefenster aufweist, welches ein Fensterscharnier 
aufweist, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass [naehere Angabe 
der erfinderischen Merkmale]."

Und nun zum Acker:

"Ich beanspruche / wir beanspruchen ein ein Monopol auf eine 
bestimmte technische Lehre, die sich in einem Acker manifestiert, 
welcher eine Bepflanzung aufweist, welche eine Beschaffenheit 
aufweist, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass [naehere Angabe 
der erfinderischen Merkmale]."

Ein Eintrag eines derartigen Patentes in das Grundbuch (!) ist nicht 
erforderlich, da der real existierende koerplerliche Acker nichts mit 
der im Patentanspruch abgegrenzten monopolisierten technischen Lehre 
zu tun hat.  

Patente auf technische Lehren, die mit Biomasse zu tun haben, sind 
bekanntlich heftig umstritten. Man sollte m.E. die Situation nicht 
dadurch verunklaren, dass man in der Oeffentlichkeit den Eindruck 
foerdert, durch Patente waere es moegtlich, BGB-maessige 
sachenrechtliche Eigentumsverhaeltnisse an Lebewesen oder 
Grundsteucken zu erwerben.  Patentansprueche bilden naemlich entgegen 
ihrer etwa gegenueber der mathematischen Fachsprache geradezu 
umgangssprachlichen Anmutung eine hochartifizielle Fachsprache, die 
man lesen koennen sollte, wenn man sich oeffentlich dazu aeussert.

"Klein: Das ist im Moment kaum abzuschätzen. Der Patentanspruch 
umfasst auch das Feld. Was das für den Bauern, der das Verfahren 
anwendet, genau bedeutet, wird nicht gesagt. Offenbar soll jegliche 
Produktion auf diesem Feld als eine Nutzung des Patentes gelten. Dass 
die Anbauflächen selbst patentiert wurden, ist einfach grotesk. Wie 
kann denn Grund und Boden und dessen landwirtschaftliche Nutzung eine 
Erfindung sein? Es passieren Dinge, da kommt man nicht ohne weiteres 
darauf."

Herr Klein kann offenbar Patentansprueche nicht lesen.

--AHH



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