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heise online: SPD-Sprecher verreisst die rheinischen Sperrungsverfuegungen



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SPD-Sprecher verreißt die rheinischen Sperrungsverfügungen

Der Beauftragte für Neue Medien der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg Tauss, hat
die von seinem Parteigenossen Jürgen Büssow an mehr als 80
Internet-Provider in Nordrhein-Westfalen adressierten
Sperrungsverfügungen[1] gegen zwei US-Websites bekannter Neonazis in
ungewöhnlicher Schärfe kritisiert. In einer heise online vorliegenden
Stellungnahme zum Vorgehen des Düsseldorfer Regierungspräsidenten, der
zugleich auch Wächter über die Mediendienste-Anbieter seines Lande ist,
bezeichnet Tauss die umstrittene Anordnung[2] als "in politischer
Perspektive fehlgeleitet und in rechtlicher Hinsicht unhaltbar."

Für den forschungspolitischen Sprecher der SPD steht fest, "dass der
politische Schaden infolge der rechtswidrigen Sperrungsaufforderung groß
ist." Auch das Image des Medienstandortes Nordrhein-Westfalen habe
gelitten. Der von Büssow an den Tag gelegte Aktionismus bedrohe "die
vertrauensvolle und beidseitig verlässliche Zusammenarbeit zwischen
Politik, Verwaltung und Wirtschaft", da sich die Düsseldorfer
Bezirksregierung an Absprachen wie vereinbarte Widerspruchsfristen gegen
die Sperrungsverfügung nicht gehalten habe und die von den Zugangsanbietern
vorgebrachten prinzipiellen Einwände nicht berücksichtigt wurden.

Die von Büssow den Providern nahe gelegten Sperrmaßnahmen wie die leicht zu
umgehende DNS-Umleitung[3] und Proxy- oder Router-Lösungen überschreiten
laut Tauss "die Schwelle von der Einzelfallmaßnahme in Richtung einer
verfassungsrechtlich bedenklichen Schaffung einer präventiven Infrastruktur
zur Inhaltekontrolle im Internet."

Es würde der Versuch unternommen, eine zentrale Filterinstanz ins Netz
einzubauen, die aus demokratischer Sicht keinesfalls wünschenswert sei.
Risiken hinsichtlich einer Beeinträchtigung der freien Meinungsäußerung,
der Kommunikationsfreiheit sowie der Angebots- und der Meinungsvielfalt
lägen auf der Hand -- vor allem, da die Vorstellungen über
jugendgefährdende Inhalte und strafrechtliche Bestimmungen international
nicht einheitlich seien. In den USA etwa fallen die auf den inkriminierten
Webangeboten zu lesenden Botschaften unter das Recht auf "free speech".

Der Netzpolitiker empört sich weiter darüber, dass die Sperrungsverfügung
auf einer "Pervertierung des Mediendienste-Staatsvertrags" (MDStV[4])
basiert. Tauss hatte selbst die 1997 erlassene "Multimedia-Gesetzgebung",
zu der der MDStV gehört, von Anfang an kritisch begleitet. Damit "war unter
anderem beabsichtigt, insbesondere die Access-Provider von der
Verantwortlichkeit für die von ihnen übermittelten Inhalte freizustellen",
erinnert er nun an den eigentlichen Zweck des Gesetzes. Die
Ausnahmebestimmungen in § 18 Absatz 3 MDStV seien "eng" auszulegen. Die von
Büssow akzeptierte DNS-Umstellung greife dabei nicht, da sie eine "bloße
Erschwerung oder Behinderung des Zugangs" darstelle und kein effektives
Mittel zur Sperrung von Websites sei.

"Ließe man es zu", schreibt Tauss, "dass Access-Provider stets schon dann
ordnungsrechtlich verantwortlich sind, wenn der Zugang zu im Ausland in das
Internet gestellten Inhalten nur erschwert werden kann, wäre dies eine
weite Auslegung". Dadurch würde das Regel-Ausnahme-Verhältnis ins Gegenteil
verkehrt. Eine echte Sperrung sei nach dem Stand der Technik aber nicht
möglich, wie selbst die von den Jugendministerien der Länder eingerichtete
Aufsichtsstelle jugendschutz.net[5] auf ihrer Homepage ausführe.

Letztlich ist dem SPD-Politiker zufolge der mit der Sperrungsanordnung
eingeschlagene Weg für Provider unzumutbar und unverhältnismäßig. Er
generiere mittelfristig einen erheblichen Aufwand, ohne den Jugendschutz
tatsächlich zu gewährleisten. Da noch zahlreiche weitere vergleichbare
Inhalte rechtsextremen Charakters im Netz zu finden seien, dürfte die
vermeintliche "Sperrung" von zwei Internetangeboten den Schutz der
deutschen Bevölkerung vor Volksverhetzung nur unwesentlich vergrößern. Im
Gegenteil sei sogar anzunehmen, dass die mit der Sperrungsanordnung
verbundene Öffentlichkeitswirkung dazu geführt habe, dass nun mehr statt
weniger Nutzer auf die illegalen Inhalte zugreifen. (Stefan Krempl) /
(anw[6]/c't)

URL dieses Artikels:
 http://www.heise.de/newsticker/data/anw-20.02.02-009/

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 [1] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-08.02.02-011
 [2] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11864/1.html
 [3] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11175/1.html
 [4] http://www.iid.de/iukdg/gesetz/mdstv.html
 [5] http://www.jugendschutz.net/
 [6] mailto:anw@ct.heise.de

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