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TELEPOLIS: Gibt es Auswege aus dem Patent- und Copy...
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- Subject: TELEPOLIS: Gibt es Auswege aus dem Patent- und Copy...
- From: Lars Weitze <cd@kalkatraz.de>
- Date: Sat, 9 Nov 2002 20:32:49 +0100
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Gibt es Auswege aus dem Patent- und Copyright-Regime?
Stefan Krempl 09.11.2002
Weltweit wird eine Plünderung der Informationsumwelt befürchtet, aber
vor allem Entwicklungsländer sind von der Ausweitung des Systems zur
Sicherung des "intellektuellen Eigentums" bedroht
Über die World Trade Organization ( [1]WTO) und die World Organization
for Intellectual Property ( [2]WIPO) ziehen die reichen nordwestlichen
Länder unter der Führung der USA die Schraube des Patent- und
Urheberschutzes immer fester. Nach Auffassung zahlreicher Experten und
Kommissionen drücken sie damit - ganz im gegenteiligen Sinne der
Erfinder der geistigen Eigentumsrechte - der informationellen Umwelt
den Sauerstoff ab und schnüren die armen Südländer in ihrer Entwicklung
ein. Eine Konferenz der Heinrich Böll Stiftung in Berlin erörterte nun
die Frage, ob das System noch zu retten ist und wie eine Politik der
nachhaltigen Förderung der Wissensgesellschaft aussehen könnte ( s. a.:
[3]Strategien gegen die "digitale Landnahme" gesucht).
"Das Niveau, der Spielraum, die territoriale Ausdehnung und die Rolle
des geistigen Eigentumsschutzes haben sich in den vergangenen 20 Jahren
in beispielloser Geschwindigkeit verändert und erweitert", warnt der im
September veröffentlichte Abschlussbericht einer britischen
[4]Regierungskommission zur Integration geistiger Eigentumsrechte und
Entwicklungspolitik. Die Zahl der Patentanmeldungen sei in diesem
Zeitraum enorm gestiegen. Gleichzeitig, heißt es dort in britischem
Understatement, entstehe "immer mehr der Eindruck, dass viele Patente
von minderer Qualität und sehr breitem Umfang eingereicht werden."
Der Nutzen für die Gesellschaft, den die staatlichen Instrumente der
Gewährung von geistigen Eigentumsrechten eigentlich beispielsweise in
Form der Entwicklung neuer Medikamente oder Technologien sichern
sollten, wird dabei im Verhältnis zu den volks- und
betriebswirtschaftlichen Kosten und Zeitverlusten, die aufwändige
Patentrecherchen vor dem Forschen, das Anmeldeverfahren und eventuelle
Gerichtsklagen mit sich bringen, immer geringer. Diese Relation fällt
in den Entwicklungsländern besonders schlecht aus, da diese bislang
weder im geeigneten Umfang über eine systemimmanent "verwertbare"
technologische Basis verfügen noch über das fundamentale Rechtssystem
des geistigen Eigentums selbst.
Die britische Regierungskommission ist nun durchaus der Meinung, wie
ein Co-Autor der Studie, Daniel Alexander, auf der Böll-Konferenz zur
[5]Zukunft der globalen Güter in der Wissensgesellschaft in Berlin
ausführte, "dass ein bestimmtes Eigentumsschutzrecht zu einem
bestimmten Zeitpunkt sinnvoll für die Entwicklungsländer ist". Und zwar
sollte es auf Kosten der davon profitierenden Konzerne, keinesfalls aus
den überstrapazierten Budgets der Drittweltländer aufgebaut werden.
Kopierfreiheit für Entwicklungsländer
Der Rest des Berichts wimmelt aber nur so von Einschränkungen, und
Verbesserungsvorschlägen in Zusammenhang mit dem verbreiteten Regime.
"Weit reichende Ausnahmen" in den urheberrechtlichen Gesetzen schlagen
die Autoren etwa für die Nutzung im Bildungs-, Forschungs- und
Bibliothekswesen vor - zum Teil verbunden mit dem "Recht zum Hacken"
eventuell eingesetzter "technischer Schutzvorrichtungen". Ähnliche
Nutzerprivilegien lehnt beispielsweise die Bundesregierung im Rahmen
der umstrittenen Urhebernovelle strikt ab ( [6]Privatkopie wird der
Zahn gezogen).
Da gerade das Internet ein "konkurrenzloses Mittel für den
kostengünstigen Zugang zu Wissen und Information" in den
Entwicklungsländern sei, sollten den Surfern dort "Rechte auf freie
Nutzung eingeräumt werden." Anders lautende vertragliche Bestimmungen,
mit denen sich Verwerter international verstärkt ihre Pfründe sichern
und vor allem öffentliche Bibliotheken in die Bredouille bringen,
könnten "als nichtig behandelt werden." Verständnis äußern die Experten
angesichts der Armut im Süden auch für die gängige "Verwendung von
unrechtmäßigen Kopien".
Bezogen auf das Patentsystem haben die Briten einige
Verbesserungsvorschläge parat, die auch in Europa - beispielsweise in
der Diskussion um die umstrittene neue Patentrichtlinie der EU - und
den USA gern ins Spiel gebracht werden. Gerade im Pharmasektor, wo sich
der Patentschutz seit langem stark auf die Arzneimittelpreise auswirkt
und Länder wie Südafrika daher bereits etwa im Kampf gegen AIDS mit
einer vollkommenen Abkehr vom System liebäugelten, sollte der
Mechanismus der Zwangslizenzen stärker angewendet werden. Ferner
befürwortet die Kommission die Einführung eines differenzierenden
Preissystems.
Ähnlich hatte jüngst auch die Enquete-Kommission des Bundestags zur
[7]Globalisierung der Weltwirtschaft gefordert, dass die Bereitstellung
von Wissen als ein globales öffentliches Gut anzusehen sei. Das
TRIPS-Abkommen der WTO über die handelsbezogenen Aspekte der Rechte des
geistigen Eigentums und die Biopatent-Richtlinie der EU sollten daher
einer Revision unterzogen werden. Generell plädieren Patentexperten
weltweit auch seit langem dafür, die Anforderungsstufen an eine
Gewährung des Rechtsschutzes deutlich zu erhöhen und die Prüfungen zu
verbessern.
Keine Allheilmittel für die Renovierung des Patentsystems
Doch all die guten Vorschläge dürften selbst bei ihrer Umsetzung nur
geringe Wirkungen entfalten. Auch die Sache mit den Zwangslizenzen sei
trotz erster Erfolge im Gesundheitsmarkt in Großbritannien und in der
EU "kein Allheilmittel", erklärte Alexander auf der Böll-Tagung. Um
Wirkungen zu erzielen, müsste das ganze System zunächst "unglaublich in
Form gebracht und beschleunigt werden." Auch eine genauere Untersuchung
von Patentansprüchen stoße in der Realität rasch auf enge Grenzen. Nur
Genies könnten da etwas bewirken.
Brian Kahin, Leiter des [8]Center for Information Policy an der
University of Maryland, würde es dagegen schon begrüßen, wenn endlich
zumindest "Erfinder und Techniker" selbst - und nicht irgendwelche
Anwälte - die Ansprüche prüfen würden. Eine Verbesserung würde aber
auch dann nur eintreten, wenn es "deutlich weniger Anträge von
vornherein geben würde". Eine Verkürzung von Patentlaufzeiten auf zwei
Jahre, wie sie etwa im Bereich des Softwareschutzes von Skeptikern wie
dem Berliner Gesellschaftsinformatiker [9]Bernd Lutterbeck gefordert
wird, hält Kahin dagegen nicht für einen geeigneten Weg: "Das würde die
Vorteile eines Patents nur verringern, die hohen Kosten aber
beibehalten."
Ein Argument für die Kommerzialisierung von Wissen steuerte auf der
Berliner Konferenz schließlich noch Christian Kilger, Geschäftsführer
der ipal Gesellschaft für Patentverwertung der Berliner Hochschulen,
bei. Seit seine Firma vor etwa zwei Jahren im Vorfeld des Wegfalls des
Professorenprivilegs aus dem Arbeitnehmerrecht, ihre Erfindungen selbst
zu veröffentlichen beziehungsweise zu vermarkten, gegründet wurde, sind
bei ihm rund 160 Anmeldungen eingegangen. Die würden dann keineswegs
wie wild sofort ans Patentamt weitergereicht, sondern zunächst intern
auf sinnvolle Verwertbarkeit geprüft.
"In weit weniger als der Hälfte der Fälle haben wir dann Patente
angemeldet", erläuterte Kilger, "in einer handvoll Fälle sind wir bei
der Lizenzierung." Durch dieses Verfahren und spätere Ausgründungen sei
zum einen sicherzustellen, dass Innovationen aus den Unis wirklich
geschützt und nicht etwa gleich direkt an die Industrie verramscht
würden, zum anderen hofft der Diplom-Biologe im Blick auf Vorbilder wie
das MIT in Boston auf die Schaffung "vieler Arbeitsplätze".
Im Umfeld der Konferenz, die sich allgemein für die Sicherung des
gemeinsamen öffentlichen Gutes "Wissen" sowie die Bewahrung und
Förderung der Vielfalt der Kultur- und Informationsgüter im Sinne einer
nachhaltigen Wissensökologie aussprach, konnte sich Kilgers Argument
aber nur schwer durchsetzen. Von der Tagung ging angesichts der vielen
offenen Fragen rund um das Regime geistiger Eigentumsrechte vielmehr
das Plädoyer aus, einer künstlichen Verknappung von Wissen durch dessen
Umwandlung in eine beliebige Ware entgegenzuwirken und die
Langzeitverfügbarkeit auch des elektronisch repräsentierten Wissens zu
sichern.
Links
[1] http://www.wto.org/
[2] http://www.wipo.org/
[3] http://www.heise.de/newsticker/data/mw-09.11.02-005/
[4] http://www.iprcommission.org/
[5]
http://www.wissensgesellschaft.org/veranstaltungen/veranstaltungen.html
[6] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/copy/12136/1.html
[7] http://www.bundestag.de/gremien/welt/
[8] http://cip.umd.edu/
[9] http://ig.cs.tu-berlin.de/
Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/special/copy/13574/1.html
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