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[FYI] [intern.de] Google protestiert - und löscht



Hallo,

irgendwie bin ich da erst heute drueber gestolpert und sonst hat
augenscheinlich auch noch keiner drauf hingewiesen...

---[beisskannte]---

Google protestiert - und löscht
29.01.2003

Im vergangen Jahr hat die Church of Scientology es mit Hilfe einer
einfachen Abmahnung geschafft, Google zur Entfernung von Informationen
aus dem Index der Suchmaschine zu bewegen. Dass Google damals so leicht
nachgegeben hat, erweist sich heute als Fehler. Mittlerweile fühlt sich
offenbar jedermann dazu ermächtigt, unliebsame Informationen - und
Konkurrenten - aus dem Index der wichtigsten Suchmaschine zu verbannen.

Jüngstes Beispiel: Die amerikanische Au Pair-Vermittlung InteliMark
Enterprises, Betreiber von GreatAuPair.com, hat Google die Kopie einer
Abmahnung zukommen lassen und dazu aufgefordert, drei konkurrierende
Sites aus dem Index zu sperren. Begründung: Die Sites haben gegen den
Digital Millenium Copyright Act (DMCA) verstoßen, das umstrittene
Urheberrechtsgesetz der USA.

Die Site-Betreiber sollen demnach urheberrechtlich geschütztes Material
des Klägers verwendet haben. Um zu verhindern, dass Google selbst zum
Helfershelfer wird, soll die Suchmaschine von diesen Inhalten befreit
werden. Der gleichen Argumentation hatte sich Google schon im
vergangenen Jahr gebeugt, als die Scientologen die Entfernung eines
Sektenkritikers aus dem Google-Index verlangten.

Auch jetzt reagierte Google umgehend, die drei Au Pair-Sites wurden aus
dem Index gesperrt. Und wie schon in vielen anderen Fällen auch, wurde
die Abmahnung bei ChillingEffects.org veröffentlicht. Offenbar will
Google damit zeigen, dass man gegen diese Art der Einflussnahme
protestiert.

Ein stiller, fast schon institutionalisierter Protest, der nichts
bewirkt. Die drei Sites sind jedenfalls aus dem Index verschwunden. Eine
davon, Aupair-World.net, wird von einem deutschen Unternehmen geführt.
Der Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung wird von diesem entschieden
zurückgewiesen.

Dabei werden in der Abmahnung gleich zwei Vergehen aufgelistet. Zunächst
soll bei der Eingabe des angeblich markenrechtlich geschützen Begriffs
"Great Aupair" eine Werbung des beklagten Unternehmens erschienen sein.

Das bestreitet Aupair-World.net. Man habe noch nie Werbung bei Google
geschaltet. Tatsächlich geht aus den weiteren Ausführungen des Klägers
hervor, dass es im Fall des deutschen Angebotes gar nicht um Werbung
ging. Vielmehr ist nach Eingabe von "Great Aupair" der Text eines
mexikanischen Au Pair-Mädchens als Ergebnis aufgetaucht. Es hatte sich
bei Aupair-world.net im Forum nichtsahnend unter dem Namen "Great
Aupair" angemeldet. Was sollte es auch ahnen? Es hielt sich eben für ein
großartiges Au Pair.

Der zweite Vorwurf des Klägers: Das deutsche Unternehmen soll den Satz
"It's fast, easy and FREE!" rechtswidrig übernommen haben. Die
Aufforderung, sich als Au Pair zu registrieren, weil es "schnell,
einfach und kostenlos" ist, ist also nach Ansicht des Klägers
urheberrechtlich geschützt. Aupair-World gibt dazu an, die drei Worte in
einer anderen Kombination gebraucht zu haben. Auf dem Angebot des
deutschen Unternehmens hieß es demnach "fast, free & easy".

Und mit dieser zweiten Behauptung hat der Kläger sein Pulver auch schon
verschossen. Es gibt keine weiteren Vergehen, die man dem Beklagten
vorwirft. Schon das oberflächliche Lesen der Abmahnung zeigt, dass es
sich hier bestenfalls um einen Witz handelt.

Doch das ist Google im Fall der Au Pair-Vermittlung ebenso gleichgültig
wie im Fall der Church of Scientology. Offenbar genügt es wirklich, ein
halbwegs juristisch formuliertes Schreiben zu verschicken, um den
Google-Index von unliebsamer Konkurrenz zu bereinigen.

Das alles mag albern oder klingen und den Leser belustigen. Doch für das
betroffene deutsche Unternehmen heißt es zunächst einmal, aus dem Index
der wichtigsten Suchmaschine auf unbestimmte Zeit verbannt zu sein.

Und es bedeutet im konkreten Fall, einen Anwalt in Deutschland zu
beauftragen, der wiederum mit einem Anwalt in den USA kooperiert, um
dort eine "counter Notification" zu formulieren. Nach dieser
Gegendarstellung kann Google eventuell wieder zur Aufnahme der Inhalte
bewegt werden. Wenn der Kläger aber auf einem Verfahren besteht, dann
bleibt es bis zum Ende der Verhandlung beim Status quo.

Die Entscheidung Googles aus dem vergangenen Jahr, im Fall einer
Abmahnung lieber kampflos klein beizugeben, bekommt unter diesen
Umständen einen extrem faden Beigeschmack. Sinnvoller wäre es wohl
gewesen, sich einmal der juristischen Auseinandersetzung zu stellen.
Denn sonst wird Google bald mit Abmahnungen überschüttet.

Chilling Effects: Great Au Pair Complains to Google 
http://www.chillingeffects.org/dmca512/notice.cgi?NoticeID=5 11 

Die Site des Klägers
http://www.greataupair.com/ 

Die Site des Beklagten
http://www.aupair-world.net/ 

intern.de: Scientologen veranlassen Index-Sperrung
http://www.intern.de/news/2693.html 

---[beisskannte]---

Tschuess, Tim.

-- 
'Es gibt kaum einen Lehrsatz, der besser dazu angetan waere,
unsere Zeitgenossen zu schokieren, als dieser: Dass es
naemlich unmoeglich ist, eine Ordnung aufzubauen, die jedem
gerecht wird.' -- Bertrand de Jouvenal ("De la Souverainete")


-- 
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