[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

[FYI] [intern.de] Hinweis genügt, wir sperren



Hallo Liste,

---[schnipp]---

Hinweis genügt, wir sperren
21.03.2003

Dass die von Google gelieferten Ergebnisse teilweise zensiert sind,
dürfte inzwischen weidlich bekannt sein. Der Techniker Seth Finkelstein,
der einen neuen Fall dokumentiert, will die Suchmaschine deshalb nicht
unbedingt kritisieren. Google reagiere nur auf äußeren Druck, teils
durch Regierungen, teils durch Unternehmen, die sich auf Gesetze
stützen. Doch Finkelstein hält es für notwendig, dass die Anwender von
diesen Maßnahmen erfahren. Auch, um sich irgendwann gut informiert gegen
solche "Störungen" zur Wehr setzenzu können.

Das scheint angesichts der von Finkelstein dokumentierten Ereignisse
angebracht. Im Februar titelte die britische Tageszeitung Chester
Chronicle "Sick website taken down". In dem Beitrag hieß es, die
Suchmaschine Google habe eine "kranke" Pädophilen-Seite aus dem Index
entfernt. "Die Macht des Volkes und The Chronicle" haben einen Sieg im
Namen der Stadt Chester errungen.

Was war passiert? Anfang Februar hatte die Tageszeitung berichtet, dass
die Suche nach einem Stadtführer für Chester ("Chester Guide") als
zweites Suchergebnis eine fragwürdige Seite liefert. Dort beschreibt
"Chester the Molester" (etwa "Chester, der Kinderficker"), wie man
kleine Mädchen zum Sex bringt beziehungsweise zwingt ("Chester's guide
to: Picking up little girls").

Nachdem der Zeitung der Fall bekannt geworden war, hatte man umgehend
nicht-offizielle Meldestellen und auch die Polizei informiert. Letztere
gab aber an, dass sie hilflos sei. Die gemeinte Seite werde erstens in
Finnland betrieben und verstoße zweitens nicht gegen britische Gesetze.

Doch die Zeitung hat es dennoch geschafft, Google zur Löschung zu
bewegen. Eine Google-Sprecherin wird vom Chronicle mit der Angabe
zitiert, die Seite sei geprüft und für illegal befunden worden. Man
bedanke sich für die Geduld und dafür, dass diese Seite Google zur
Aufmerksamkeit gebracht wurde.

Wie aber Seth Finkelstein berichtet, ist so ziemlich alles falsch, wass
in diesem Beitrag des Chester Chronicle geschrieben wurde.

Tatsächlich fällt es schwer, die gemeinte Seite als "illegal"
einzustufen. Es handelt sich vielmehr um einen Witz. Einen reichlich
geschmacklosen und unintelligenten Witz, zugegeben. Aber schlechter
Geschmack sollte nicht genügen, etwas für illegal zu erklären.

Vielleicht hatte der finnische Betreiber der Site sogar einen
vernünftigen Grund, "Chester's Anleitung" in eine Text-Sammlung
einzubetten, die noch weitere Beispiele für "kranken Humor" liefert.

Ein objektiver Grund zur Sperre von "Chester's Guide" ist damit nicht
gegeben. Dennoch werden die gelieferten Ergebnisse von Google
manipuliert.. Die "gesperrte" Seite erscheint nicht mehr.

Sucht man beispielsweise nur in den von Google indizierten Seiten des
Hosts nach dem Begriff "lesbian" (lesbian
inurl:torkyarkisto.marhost.com), so zeigt Google nur eines von
eigentlich zwei Ergebnissen (Results 1 - 1 of about 2). Ein "kranker"
Witz wird geliefert, der andere nicht.

Finkelstein schließt daraus übrigens auf die Technik der Sperren. Die
gesperrten Daten sind demnach sehr wohl noch im Index der Suchmaschine
enthalten. Nur die Ergebnisdarstellung wird manipuliert.

So kommt es vermutlich auch, dass Google "landestypische" Sperren
einrichten kann, ohne verschiedene Indices zu verwenden.

Schon im vergangenen Jahr hatten die Harvard-Wissenschaftler Edelmann
und Zittrain beobachtet, dass Google.de und Google.fr eine ganze Reihe
rechtsradikaler Sites sperren. Bei Google.com sind die gleichen Sites
aber zu finden und die von Google.de, Google.fr und Google.com
angegegebene Index-Größe ist identisch.

Wer um diese speziellen Sperren gebeten hat, wird nicht angegeben. Man
kann aber vermuten, dass es sich hierbei (auch) um staatliche Stellen
gehandelt hat, die ihre Forderungen mit einer gewissen Berechtigung
vorbringen konnten.

Leider hat sich in den vergangenen Monaten aber gezeigt, dass Google
sich manchmal sehr leicht von einem Wunsch auf Sperrung überzeugen
lässt. Zuletzt berichteten wir beispielsweise im Januar, dass es
Unternehmen sogar gelingen kann, Konkurrenten auf Grundlage
gegenstandsloser Abmahnungen von der Ergebnisseite Googles auszusperren.

Das Beispiel des Chester Guide zeigt nun, dass es offenbar noch nicht
einmal einer Abmahnung bedarf, um eine Sperrung zu erwirken. Google wird
nicht umhin können, hier irgendwann einen Riegel vorzuschieben. Der Ruf
der Suchmaschine wird sonst zwangsläufig Schaden nehmen.

Seth Finkelstein: Chester's Guide to Molesting Google 
http://sethf.com/anticensorware/general/chester.php 

Seth Finkelstein: Google Censorship - How It Works 
http://sethf.com/anticensorware/general/google-censorship.ph p 

Chester Chronicle: Sick website taken down 
http://shorl.com/fogatranypryfra 

intern.de: Googles nationale Filter 
http://www.intern.de/news/3630.html 

intern.de: Google protestiert - und löscht 
http://www.intern.de/news/3921.html 

Die "Witz"-Sammlung 
http://torkyarkisto.marhost.com/ 

---[schnapp]---

Tschuess, Tim.

-- 
Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich.
Man wird ja auch kein Auto, wenn man in einer Garage steht.
-> Albert Schweitzer


-- 
To unsubscribe, e-mail: debate-unsubscribe@lists.fitug.de
For additional commands, e-mail: debate-help@lists.fitug.de