[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
[FYI] [heise] Chaotische Umsetzung der Sperrungsverfügung in NRW
Hallo Liste,
http://www.heise.de/newsticker/data/tol-15.06.03-004/
---[schnipp]---
Chaotische Umsetzung der Sperrungsverfügung in NRW
[15.06.2003 16:18 ]
Die Aufgabe schien trivial: Im Februar 2002[1] verpflichtete die
Bezirksregierung Düsseldorf die Provider in Nordrhein-Westfalen zur
Sperrung zweier Webseiten. Über ein Jahr nach dem Erlass der
Sperrungsverfügung hat der Bonner Rechtswissenschaftler Maximillian
Dornseif deren Auswirkungen untersucht und fand chaotische
Verhältnisse vor: Während sich manche Provider strikt an die Vorgaben
der Behörde halten und den Zugriff auf strafbare Inhalte kaum
erschweren, schießen andere über das Ziel hinaus und sperren legale
Inhalte. Sogar der Mailverkehr ist betroffen.
Dornseif stellte die Ergebnisse seiner Untersuchung[2] erstmals auf
der Arbeitstagung[3] des Vereins zur Förderung eines Deutschen
Forschungsnetzes (DFN[4]) in Düsseldorf vor. Der Jurist konzentrierte
sich auf die technischen Aspekte der Sperrungen: "Während die
rechtlichen Probleme von Gelehrten, Verwaltung, Bürgerrechtlern,
Anwälten und Gerichten ausführlich im Detail diskutiert wurden, gab es
keine ernsthafte Erörterung der sonstigen Aspekte der
Sperrungsverfügung."
Um sich einen Überblick über die tatsächlichen Effekte der Sperrungen
zu verschaffen, versuchte Dornseif auf die DNS-Server der betroffenen
Provider zuzugreifen und prüfte deren Antworten auf bestimmte
Anfragen. Auf diese Weise konnte er 27 Provider testen, die offenbar
zur Durchführung der Sperrung auf DNS-Manipulationen setzen. Das
Ergebnis: zwar sperren alle untersuchten Provider genau die in der
Verfügung erwähnte Internetadresse http://www.stormfront.org. Bei 12
Anbietern reicht es allerdings schon aus, die Subdomain "www."
wegzulassen, um ohne Probleme auf die strafbaren Inhalte zuzugreifen.
Auch unter umgekehrten Vorzeichen gibt es Mängel: So sperren 15
Provider ebenfalls eine Subdomain, auf der keine strafbaren Inhalte zu
finden sind. Drei Provider sperren sogar die Domain rotten.com, die
zwar zu Beginn im Fokus der Bezirksregierung stand, auf der
Sperrungsverfügung aber fehlt.
Selbst auf den Email-Verkehr haben die DNS-Manipulationen
beträchtliche Auswirkungen. Nur ein Provider hat nach Angaben von
Dornseif versucht, die Effekte auf den Mailverkehr zu begrenzen. Bei
allen Providern gab es in der Untersuchung Probleme mit Mails, die an
die von der Sperrung betroffenen Domains gesandt werden sollen.
Die Information der Kunden ist ebenfalls mangelhaft: zwar leiten
einige Unternehmen ihre Kunden auf Seiten um, die sie über die
Sperrungen informieren, bei vielen Providern erhält der Kunde aber
lediglich unklare Fehlermeldungen wie "Host not found". Bei zwölf
Providern liegen die Fehlerseiten bei einem anderen Anbieter. Dornseif
sieht darin ein Datenschutzproblem, da so verfolgt werden kann, wer
die gesperrten Seiten aufgerufen hat.
Grund für die Konfusion ist die ungenaue Formulierung der
Sperrungsverfügung. Die Bezirksregierung ließ den Providern die Wahl
zwischen drei verschiedenen Blockade-Methoden, die jedoch nicht näher
erläutert werden. Auch was genau zu sperren ist, ist unklar, mal ist
vom "Gesamtangebot" die Rede, an anderer Stelle von einzelnen
Internet-Seiten. Infos über die IPs der zu sperrenden Seiten oder gar
eine technische Beschreibung der zu treffenden Maßnahmen fehlen in der
behördlichen Anweisung komplett.
Auf Nachfrage erläutert Regierungsdirektor Jürgen Schütte von der
Bezirksregierung Düsseldorf gegenüber heise online die Intention der
Sperrungsverfügung: "Der Erfolg liegt nicht in einer Totalsperre,
sondern dass der Zugang zu den strafbaren Internetseiten behindert
oder erschwert wird." Eine Sperrung des Email-Verkehrs sei weder
beabsichtigt, noch gefordert.
Wenn die Provider die Verfügung nicht oder nur unzureichend erfüllen,
kann die Behörde Zwangsgelder verhängen. Bevor dies geschehe, müsse
der Sachverhalt erst geprüft werden. Bei Zuwiderhandlungen würden die
Provider laut Schütte zunächst kontaktiert und ihnen ein Zwangsgeld
angedroht.
Im Zuge der Beratungen zu den Internetsperren hatten die Firmen
Webwasher, Bocatel und Intranet ein Filterkonzept vorgestellt, das die
Internetblockade zentral und zielgenau abwickeln sollte. In
Zusammenarbeit mit der Universität Dortmund wurde das Konzept
getestet. Der Abschlußbericht[5] vom Dezember 2002 liegt jetzt auch
online vor. Demnach kann der Filterpilot Inhalte auf einigen hundert
IPs sperren. Eine Umsetzung des Konzepts steht jedoch zur Zeit nicht
an, da organisatorische Fragen nicht geklärt sind und Projektgelder
zur Finanzierung fehlen. (Torsten Kleinz)/ (tol[6]/c't)
URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/newsticker/data/tol-15.06.03-004/
Links in diesem Artikel:
[1] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-08.02.02-011
[2] http://md.hudora.de/publications/#blocking
[3] http://www.uni-duesseldorf.de/dfn-tag2003/
[4] http://www.dfn.de/
[5] http://www.jugendmedienschutz.net/projekte/filterpilot/Docs/2002-1216_Filterpilot-Abschlussbericht.pdf
[6] mailto:tol@ct.heise.de
Copyright 2003 by Heise Zeitschriften Verlag
---[schnapp]---
Tschuess, Tim.
--
Wer die Menschen ruinieren will,
braucht ihnen nur alles zu erlauben.
(Napoleon Bonaparte)
--
To unsubscribe, e-mail: debate-unsubscribe@lists.fitug.de
For additional commands, e-mail: debate-help@lists.fitug.de