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heise online: Europaparlament gibt reinen Softwarepatenten einen Korb



Diese Meldung aus dem heise online-Newsticker wurde Ihnen
von "Joerg-Olaf Schaefers <listen@fx3.de>" gesandt.
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ignorieren Sie diese E-Mail bitte.
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Da kann Hartmut wohl nur gratulieren (stellvertretend natuerlich). Mir scheint aber, dass dies erst das Vorspiel war .. 
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Europaparlament gibt reinen Softwarepatenten einen Korb



 Das europäische Parlament[1] hat sich nach heftigen Diskussionen[2] für
weitgehende Änderungen an der umstrittenen Richtlinie über die
"Patentierbarkeit computer-implementierter Erfindungen[3]" ausgesprochen.
In der Schlussabstimmung am heutigen Mittwoch in Straßburg votierten 364
Abgeordnete für deutliche Revisionen an dem Konstrukt und nur 153 dagegen.
Demnach sollen Geschäftsmethoden und Algorithmen keinen staatlichen
Monopolschutz erhalten und patentierbare Erfindungen auch im
Computerbereich durch einen Bezug auf die Technik und die hinter ihr
stehenden "Naturkräfte" eingegrenzt werden. Auch der
Interoperabilitätsartikel 6a, nach dem Konvertierungsmethoden für den
Datenaustausch zwischen Computersystemen keinen Verstoß gegen ein Patent
darstellen, wurde entgegen entsprechenden Vorschlägen nicht gestrichen.
Schutzansprüche auf reine Programme, die in einen Computer oder ein
Netzwerk geladen werden, soll es nicht geben. 

 Patentrechtsexperten der großen Parteiblöcke zeigten sich allesamt recht
zufrieden mit dem Abstimmungsergebnis. "Wir haben unseren Grundauftrag, die
mittelständische Wirtschaft vor einer zu weit gehenden Patentoffensive zu
schützen, erfüllt", erklärte Evelyne Gebhardt[4], für die Sozialdemokraten
im Europaparlament, gegenüber heise online. Sie sei froh, dass man sich auf
eine gute und enge Definition des "technischen Beitrags" zur
Patentierbarkeit von computergestützten Erfindungen geeinigt habe. Sie habe
aber gehofft, dass in manchen Bereichen noch stärkere Änderungen durchs
Parlament gegangen wären.

 Ähnlich sieht die Lage der CSU-Europaabgeordnete Joachim Würmeling[5] -­
jedoch unter entgegengesetzten Vorzeichen. Auch er begrüßte im Gespräch mit
heise online das deutliche "Signal gegen eine ausufernde
Patentierungspraxis", das die Parlamentarier seiner Meinung nach gegeben
haben. Das richte sich vor allem an die Open-Source-Szene, da dieser
Bereich nun in seiner Gesamtheit "nicht mehr behindert wird". Die
konservativen Volksparteien hätten insgesamt die Linie unterstützt, "dass
wir eine Richtlinie brauchen, dass diese aber auch substanziell verändert
werden muss". In einigen Bereichen ist das Plenum in Straßburg für
Würmelings Geschmack jedoch zu weit gegangen oder habe Formulierungen noch
nicht treffend genug gefasst: Dem Bayreuther Volksvertreter stößt etwa
sauer auf, dass künftig schon reine Bezüge auf Software-Elemente die
Patentierbarkeit von Erfindungen verhindern könnten. In der Detailarbeit
sei jetzt noch zu klären, fordert er daher, dass es für EDV-gestützte
Neuheiten durchaus einen staatlichen Schutz geben müsse.

 Die Grünen brachen derweil in Jubel aus und feierten etwas übereifrig
gleich die vollkommene Absage an die Richtlinie. "Was das Parlament heute
angenommen hat, ist ein Erfolg für alle, die verhindern wollten, dass eine
verheerende Regelung in Kraft tritt", erklärte Daniel Cohn-Bendit[6],
Ko-Vorsitzender der Grünen-Fraktion. Die Direktive selbst werde überhaupt
nicht gebraucht. Die Europa-Abgeordnete Mercedes Escher pflichtete dem bei,
da die Kommission ihren Vorschlag als "Trojanisches Pferd" benützen wollte,
"um Softwarepatente in die EU einzuschleusen." Das Abstimmungsergebnis sei
ein Wink mit dem Zaunpfahl an die USA, "die seit einem Jahr vehement für
die Einführung solcher Patente in der EU und auf internationaler Ebene
lobbyieren".

 Erstmals kamen die Europaparlamentarier im Vorfeld der 1. Lesung der
"Softwarepatentrichtlinie" aber auch mit dem Lobbying zahlreicher
mittelständischer Unternehmen wie Magix oder 1&1[7] sowie Verbänden in
Berührung, was bei manchen Abgeordneten zu Verwunderung geführt hatte[8].
Hartmut Pilch vom Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur
(FFII[9]), der gemeinsam mit der Eurolinux-Allianz gegen die Richtlinie[10]
in ihrer ursprünglichen Form mit am heftigsten gekämpft hatte, bezeichnete
das Votum gegenüber heise online denn auch als "einen kräftigen Tritt des
Parlaments vor das Schienbein der Kommission". Dem Softwarepatent-Vorstoß
sei damit "das Rückgrat gebrochen" worden.

 Die revidierte Richtlinie muss nun aber noch der Europäische Rat für gut
befinden, bevor sie das Parlament in 2. Lesung endgültig verabschieden
kann. EU-Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkestein hatte in der gestrigen
Debatte bereits angekündigt[11], über diesen Weg den Beschlüssen des
Parlaments notfalls Steine in die Weg werfen zu wollen. Gebhardt und
Würmeling setzten aber trotzdem darauf, dass der Rat -- eventuell mit
geringfügigen Änderungen -- den im Parlament gefundenen Kompromiss
letztlich akzeptieren werde. Einen festen Termin für den gemeinsamen
Standpunkt des Rates gibt es nicht. Es wird aber erwartet, dass sich die
darin vertretenen Mitgliedsstaaten rasch zu der umkämpften Sachlage äußern
werden. (Stefan Krempl) / (jk[12]/c't)

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 http://www.heise.de/newsticker/data/jk-24.09.03-000/

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 [3] http://europa.eu.int/comm/internal_market/en/indprop/comp/com02-92de.pdf
 [4] http://www.gebhardt-mdep.de
 [5] http://www.wuermeling.net/
 [6] http://www.cohn-bendit.de/
 [7] http://www.heise.de/newsticker/data/wst-15.09.03-000/
 [8] http://www.heise.de/newsticker/data/jk-03.09.03-007/
 [9] http://swpat.ffii.org/
 [10] http://www.heise.de/newsticker/data/tol-22.09.03-003/
 [11] http://www.heise.de/newsticker/data/wst-23.09.03-001/
 [12] mailto:jk@ct.heise.de

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