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[FYI] [heise] Schwere Bedenken gegen Ausschnüffelung der Nutzer bei Copyright-Verstößen



Hallo,

---[schnipp]---

   Schwere Bedenken gegen Ausschnüffelung der Nutzer bei
   Copyright-Verstößen
   [12.12.2003 12:48 ]

   -
   Der von der Medienindustrie vehement geforderte Auskunftsanspruch von
   Rechteinhabern gegen Provider[1] könnte den E-Commerce gravierend
   behindern, würde tief in die Privatsphäre der Nutzer eingreifen und
   das Zivilrecht überstrapazieren. Dies sind die Kernpunkte einer
   Stellungnahme[2], die das Institut für Rechtsfragen der Freien und
   Open Source Software (ifrOSS[3]) an das Bundesjustizministerium[4]
   geschickt hat. Das Ministerium arbeitet gerade unter Hochdruck am
   Referentenentwurf für die zweite Reformstufe des Urheberrechts. Die
   Hausherrin, Brigitte Zypries, hatte dabei jüngst im Einklang mit dem
   "Forum der Rechteinhaber" die Frage aufgeworfen[5], ob Provider
   künftig Vertretern der Musik- oder Filmindustrie Auskunft über die
   Personen hinter einer IP- oder E-Mail-Adresse ohne Umweg über die
   Strafverfolgungsbehörden geben sollten.

   Dagegen sprechen laut den Rechtsexperten des ifrOSS eine Reihe von
   Gründen. Zum einen würde ein solches Sonderrecht die
   datenschutzrechtliche Position der Netzbürger komplett unterwandern
   und der vom Teledienstedatenschutzgesetz[6] geforderten Möglichkeit
   zur anonymen oder pseudonymen Nutzung von Online-Angeboten
   zuwiderlaufen. Denn Sinn machen würden "angesichts der Menge der
   anfallenden Daten innerhalb des elektronischen Verkehrs" nur
   "automatisierte Verfahren" zur Identifizierung der Nutzer, erläutert
   Carsten Schulz vom ifrOSS. Damit werde es den Rechteinhaber möglich,
   diese begehrten Informationen "zu sammeln, zu bündeln und nach
   bestimmten Kriterien auszuwerten." Sie könnten Verhaltensprofile
   einzelner und Bezugsprofile zwischen verschiedenen Teilnehmern am
   Datenverkehr erstellen. Eine konkrete Rechtsverletzung würde so Tür
   und Tor öffnen für eine allgemeine Beschnüffelung der Nutzer. Im
   Zweifelsfall, warnt Schulz, könnte "der gesamte Bereich der
   Individualkommunikation umfassend überwachbar" und "selbst der Bestand
   an technisch geschützten Daten auf einzelnen Rechnern bei jeder
   Einwahl in elektronische Datennetze überprüft werden".

   Dies sei besonders bedenklich, da die Erhebung der
   Identifikationsdaten zur Geltendmachung des Auskunftsanspruchs nicht
   in allen Fällen fehlerfrei erfolge. IP- und E-Mail-Adressen lassen
   sich im Netz leicht fälschen. In den USA sind bei entsprechenden
   Verfahren daher bereits erhebliche Zweifel[7] aufgetreten, ob
   Angeklagte beispielsweise Tauschbörsen zu den von den Rechteverwertern
   angegebenen Zeitpunkten überhaupt nutzten. Angesichts zunehmender
   Sorgen der Netzbürger über Vertrauen, Privatsphäre und Sicherheit beim
   Gebrauch des Internet könnten die Auskunftsansprüche zusammen mit dem
   skizzierten Spionagepotenzial so auch "das Vertrauen des Nutzers in
   den elektronischen Geschäftsverkehr insgesamt und nachhaltig
   schwächen", fürchtet das ifrOSS.

   Auf die Zugangsanbieter käme zudem eine Kostenlawine zu, beten die
   Juristen weitere Schwachpunkte der diskutierten Regelung vor. Gehe man
   davon aus, dass die Provider die gewünschten Personendaten "auch im
   Interesse ihrer Nutzer und unter Berücksichtigung
   datenschutzrechtlicher Belange" erst nach einer ausreichenden Prüfung
   der vorgelegten Beweise herausgeben würden, "bedarf dies umfangreicher
   personeller Ressourcen und der Zurverfügungstellung einer geeigneten
   Infrastruktur."

   Weitere Punkte, die gegen die gesonderten Auskunftsrechte sprechen:
   Das deutsche Zivilrecht kennt derart weitgehende Regelungen bisher
   nicht, merken die Rechtsexperten an. Es bestünden daher
   verfassungsrechtliche Bedenken, dass der für das Privatrecht gefundene
   Interessenausgleich "langfristig ausgehöhlt wird". Bisher würden
   private Unternehmen gerade nicht zum "Ermittler in fremder Sache"
   degradiert, um auch die "Entfaltung einer freien Gesellschaft" zu
   fördern. Zudem stünden den Rechtsinhabern bereits mit dem im "ersten
   Korb" der Urheberrechtsnovelle[8] umgesetzten rechtlichen Schutz für
   Kopierschutzsysteme "wirksame Mittel zur Verfügung", um den so
   genannten Raubkopierern im nichtgewerblichen Bereich
   entgegenzusteuern. (Stefan Krempl) / (jk[9]/c't)

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     [2] http://www.ifross.de/ifross_html/art39.pdf
     [3] http://www.ifross.org/
     [4] http://www.bmj.bund.de/
     [5] http://www.heise.de/newsticker/data/gr-25.10.03-001/
     [6] http://www.online-recht.de/vorges.html?TDDSG
     [7] http://www.eff.org/IP/P2P/20030924_eff_pr.php
     [8] http://www.heise.de/newsticker/data/ad-12.09.03-000/
     [9] mailto:jk@ct.heise.de

---[schnapp]---

Tschuess, Tim.

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Place your clothes and weapons where you can find them in the dark.
(Heinlein: The notebooks of Lazarus Long)


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