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Re: BGH-Entscheidung: T-Online darf Verbindungsdaten nicht mehr speichern



Hallo Martin,

> > Formulierungen wie "konsensfähig", "intersubjektiv", "sozialer Frieden" etc
> > zeigen, dass heute mehr denn je Begründungen für Verhaltensnormen im
> > Gesellschaftsvertrag, nicht in universellen Menschenrechten gesucht werden.
> > Menschenrechte sind eher eine vereinfachte, mythologisierte Version der
> > Gesellschaftsvertragslehre.
> 
> Vertragstheorien sind Rechtfertigungsversuche der Rechtsordnung
> in einem Nationalstaat. Das hat mit ihrer historischen Entwicklung
> zu tun, und wird anscheinend in den Vertragstheorien selber überhaupt
> nicht hinterfragt. Eine moderne Vertragstheorie wie Rawls "Theorie der
> Gerechtigkeit" würde, angwendet auf die Gemeinschaft aller Menschen,
> tatsächlich so etwas wie die Begründung für überstaatliche
> Menschenrechte liefern.

Lässt sich daraus z.B. auch die Forderung ableiten, dass man nur der UNO und
nicht etwa der Gemeinde, dem Land oder dem Bund Steuern zahlt?

Ich glaube auch zu einer abgestuften internationalen Ordnung gehört dazu,
dass die jeweils Ortsansässigen bei Migration gefragt werden müssen.

Das wird in dem Maße wichtig, wie jede Region souverän ist.

> "Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung
> tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und
> zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine
> Aggressionen gerechtfertigt werden sollen." -- Albert Memmi

Eine sehr weite und dem üblichen Sprachgebrauch widersprechende Definition.

Wunderbar, um sich die stigmatisierende Wirkung des Wortes auch dann
zunutze zu machen, wenn seine engere Bedeutung, auf der diese Wirkung
beruht, nicht anwendbar ist.

> Tatsächlich mache ich der Mehrheit durchaus das Recht streitig, andere
> Menschen abzuschieben.

Und dazu brauchst du das Stigma "Rassismus".

Die Versuchung ist groß, empörende historische Erfahrungen wie etwa die des
Genozids zu nutzen, um sich selber auf der Seite des Guten zu positionieren
und ohne Argumente in Debatten zu siegen.

> Davon abgesehen bin ich mir nicht sicher, was die meisten Mitglieder der
> Mehrheit tatsächlich entscheiden würden, wären sie über die Umstände und
> Folgen ausreichend informiert, und müßten persönlich Verantwortung dafür
> übernehmen.

Wie soll "persönliche Verantwortung" aussehen?

Persönlich einem abgelehnten Asylbewerber gegenübertreten und die
Abschiebung gegen dessen Willen durchführen?

Wohl eine unangemessene Forderung.

> Was die Stigmatisierungen betrifft, glaube ich nicht, daß wir der in die
> andere Richtung zielende Propaganda z.B. der Bild-Zeitung viel
> entgegenzusetzen haben.

Die Bild-Zeitung hatte zu Axel Springers Zeiten vielleicht teilweise ein
politisches Programm.  Heute zielt sie m.E. einfach nur noch auf Auflage.  Man
kann damit rechnen, dass alles, was emotionale Zustimmung der Leserschaft
hervorruft, dort geschrieben wird.  So bestimmt auch Druck auf die
Tränendrüsen wegen unakzeptabler Härten beim Abschiebeverfahren.  Werbung
gegen Ausländerfeindlichkeit, für mehr grüne Karten etc sowieso.
 
> Inwiefern hat jemand aus Sri Lanka einen anderen Vertrag abgeschlossen
> als Du?

Jemand aus Sri Lanka ist Teil der dortigen Gemeinschaft und für die
Erträglichkeit der dortigen Lebensverhältnisse ebenso mitverantwortlich, wie
wir es für die der unseren sind.  Wenn er die Gemeinschaft wechseln will,
hat die neue ein Mitspracherecht.  So ist es international geregelt und
akzeptiert.

> > > Woher leitest Du denn Dein eigenes Bleiberecht ab? 
> > 
> > Aus dem Konsens der Bürger unseres Landes.
> 
> Das setzt schon voraus, daß der Konsens der Bürger unseres Landes,
> irgendwelche größere Legitimität hat, als der Konsens irgendeiner
> anderen beliebigen Menge von Leuten. Im "Urzustand", auf denen sich
> die Vertragstheorien ja berufen, ist das kaum plausibel.

Die Menschheit ist nunmal an gewissen Grenzen entlang in Kollektive
aufgeteilt.  Und wir wissen auch aus Erfahrung, dass es der Qualität der
Entscheidungen dient, wenn ein Gemeinwesen klein und übersichtlich ist.
Ich habe etwa den Umgang von Politikern mit ihren Wählern in Österreich
als recht positiv im Vergleich zu Deutschland empfunden, und das Leiden
der Menschen in Staaten wie China und Russland wird oft auf deren
Größe zurückgeführt.   Ein Weltstaat wäre aus ähnlichem Grunde wahrscheinlich
nicht wünschenswert.  Man würde zumindest versuchen, ihn in relativ autonome
Bundesstaaten aufzuteilen, zu deren Autonomie zwangsläufig ein Mitspracherecht
bei Migration gehören würde. 

> > > Die Einteilung von Menschen in Leute, die hier sein dürfen, und
> > > Leute die das nicht dürfen, findet an Hand von eher willkürlichen
> > > Kriterien statt, um den hierzulande angehäuften Wohlstandskuchen
> > > nicht mit zu vielen anderen Menschen teilen zu müssen.
> > 
> > Was nicht unbedingt ein anrüchiges Motiv ist.
> 
> Es ist exakt das selbe Motiv (Egoismus) und die selbe Methode
> (Diskriminierung eines Teils der Menschen) wie zum Beispiel
> in Südafrika während der Apartheid. Der Unterschied kann also
> nur in der Legitimation liegen. Wo?

Es wird nicht nach rassischen Kriterien diskriminiert, sondern einfach
zwischen Bürgern und Nichtbürgern unterschieden.
 
> Deine Definition von Allgemeinheit ist die eines nationalen
> Kollektivs. Das kannst Du halten wie Du willst. Aber ich lege
> für mich schon Wert darauf, daß ich - wenn überhaupt - meinen
> hypothetischen Vertrag implizit mit allen Menschen abgeschlossen
> habe.

Was, wie oben ausgeführt, sich nicht widerspricht.  Das universale Kollektiv
ist eben ein regional abgestuftes.

--
 Hartmut Pilch                            http://a2e.de/phm

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