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Re: CIX-DE: "Freiwillige Selbstkontrolle"



In article <4qbjqa$5b3@Dortmund.Germany.EU.net>,
sastre@Anwalt.DE (Michael Schneider) wrote:

> Dummerweise haben wir es hier nicht mit einer Gesetzes- sondern
> mit einer Auslegungsproblematik zu tun. Und die wird typischerweise erst im
> Strafverfahren relevant. Man darf sicher hoffen, daß unsere Richter so
> vernünftig sind, sich (beispielswesie) konsequent der Siebert'schen Ansicht
> anzuschließen. Wissen werden wir das aber erst später. Darauf zu warten,
> birgt ein erhebliches Risiko.

Deine Argumentation in diesem Punkt läuft immer darauf hinaus zu behaupten, mit der ICTF sollte den ISPs strafrechtlich der Rücken freigehalten werden.

Daß _gerade_ eine Sichtung und strafrechtliche Bewertung von Usenet-Beiträgen der _untaugliche_ Versuch dazu sein kann, ist hier zuerst von Holger Bruns angemerkt worden.

Die einschlägigen US-Fälle, in denen die Frage der inhaltlichen Kontrolle von Onlinediensten prozeßentscheidend wurden, sind Cubby v Compuserve und Stratton Oakmont v Prodigy. In beiden Fällen ging es um Schadenersatzansprüche der jeweiligen Firmen wegen geschäftsschädigender Angriffe in Foren der jeweiligen Onlinedienste.

Compuserve gelang es nachzuweisen, daß es keinen Einfluß auf die Äußerungen in seinen Foren hat und diesen auch nicht anstrebe. Das Gericht sprach CIS frei. Prodigy dagegen, das, ähnlich wie AOL, gerade mit der Zensur und Kontrolle von Inhalten seiner Foren wirbt ("der familienfreundliche Onlinedienst"), galt dem Gericht als "publisher" und wurde zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt. (Beide Entscheidungen liegen auf ftp.eff.org.)

Derselbe Ansatz stand im übrigen auch hinter Compuserves Entscheidung, im Dezember _alle_ 200 von der bayrischen StA "zur Überprüfung" genannten newsgroups zu sperren. Compuserve wollte gar nicht erst einen Präzedenzfall schaffen und anfangen, Maßstäbe zur Beurteilung von Usenet-Inhalten zu errichten. Deshalb sperrte es pauschal alles und forderte zugleich, die Anklage zurückzuziehen.

Niemand verlangt von einem kommerziellen Unternehmen, sei es CIS oder die deutschen ISPs, mit offener Hemdbrust gegen Zensoren den Helden zu spielen. Was man erwarten kann, und was im wohlverstandenen eigenen Interesse auch das schlauste ist, ist, sich konsequent und konsistent als Common carrier zu verhalten.

Eine ICTF ist das Gegenteil davon.

Boris.

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