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>Lines: 125
>Newsgroups: de.soc.netzwesen
>Message-ID: <6BXO$vkzh2B@bionic07.bionic.zerberus.de>
>From: H.WILLENBERG@BIONIC.zerberus.de (Horst Willenberg)
>Path: as-node.jena.thur.de!jengate.thur.de!fiction!golden-gate.owl.de!uni-paderborn.de!news.rwth-aachen.de!genesis.westend.com!news.gtn.com!linteuto.teuto.de!bi-node.zerberus.de!bionic.zerberus.de
>Organization: INDISPOS
>Subject: Re: CIX-DE: "Freiwillige Selbstkontrolle"
>Date: Tue, 25 Jun 1996 00:03:00 +0200
>X-Mailer: CrossPoint v3.11 R/C1713
>References: <834345987.256@ulf.mali.sub.org> <ADF07CA2966893654@pppx49.berlin.snafu.de> 
>	    <4qliuh$pk@Dortmund.Germany.EU.net>
>X-Gateway: ZCONNECT bi-node.zerberus.de [UNIX/Connect v0.74b]
>Distribution: world
>MIME-Version: 1.0
>Content-Type: text/plain; charset=ISO-8859-1
>Content-Transfer-Encoding: 8bit
>X-ZC-Charset: ISO1
>X-ZC-Post: Horst Willenberg;Eisenbahnstr. 35a;33647 Bielefeld (Brackwede)
>X-ZC-Telefon: V+49-521-449631
>X-ZC-PGP-Key-Avail: 

Ich nehme Bezug auf
sastre@Anwalt.DE (Michael Schneider) am 24.06.96
zum Thema "Re: CIX-DE: "Freiwillige Selbstkontrolle"":

Daß die Rechts-Situation in den USA nicht mit der in Deutschland  
vergleichbar ist, vermag ich nicht zu prüfen. Nach wie vor finde ich es  
sehr einleuchtend, daß eine redaktionelle Verantwortung dann eintritt,  
wenn ein Vertrieb (ISP) anfängt, redaktionelle Maßnahmen durchzuführen.  
Ich sehe nicht, was eine solche Erkenntnis mit unterschiedlichen  
Rechtsauffassungen (jedenfalls nicht im Vergleich USA/BRD) zu tun habe.

Das ITCF-Konzept aber umgeht ja vorgeblich diese Problematik, indem eben  
nicht die Transporteure (ISP) die Bewertung vornehmen, sondern die  
Ergebnisse der Auswertungen des ITCF umsetzen. Mir mutet das arg nach  
Selbstberuhigung an. Ich kann nicht erkennen, wieso die redaktionelle  
Verantwortung für die ISP sich in Luft auflösen sollte, nur weil die  
redaktionelle Tätigkeit (ITCF) delegiert wurde.

Und auch der Schlagabtausch in Richtung der Online-Dienste wie CI$ usw.  
vernebelt verschiedene Fakten.

Eine Zumutung ist schon die Frage

MS> Na, prima. Und was soll das jetzt belegen ? Es ist doch wohl
MS> besser, sehr selektiv einzelne Gruppen zu "sperren", als gleich
MS> 200 Stück ?

weil solche Logik auf der Annahme basiert, Transporteure seien gehalten,  
über Qualität der Transportwaren zu urteilen, was umso schlimmer ist, weil  
es hier um Rechtsgüter geht.

Nimmt es Wunder, wenn die Polemik sich dann zur Süffisanz

MS> Ganz abgesehen davon: Ich glaube nicht, daß Compuserve sich um
MS> die Entwicklung von Bewertungsmaßstäben drücken wollte. Die hat
MS> CS nämlich längst für die eigenen Foren entwickelt und zwar
MS> genau so, wie alle anderen großen Online-Dienste. Und wer sich
MS> nicht an die Maßstäbe hält, findet sich nach Abmahnung ohne
MS> Anschluß wieder. Das ist (aus Eigeninteresse und aus
MS> strafrechtlichen Gründen) gängige Praxis.
MS>
MS> DARÜBER regt sich nur niemand auf.

steigert? Und können wir (die staunenden Laien und eigentlichen  
transzendenzierenden Netzwesen, denn wir sind Anbieter und Verbraucher  
zugleich) - können wir also etwas dafür, daß die Online-Dienste so agieren  
und vertragsabgesichert mit willigen Kunden so agieren?

Wieso eigentlich kann ein Anwalt der ISP dermaßen naiv oder unvorsichtig  
sein, den Newsroom of Internet, das Usenet, mit Online-Services und deren  
geschlossenen Foren derart in einen Topf zu werfen?

Oder dürfen wir vermuten, daß es weder naiv noch unvorsichtig, sondern  
schlicht weitsichtig ist?

Welches Szenario stände denn am Ende einer ITCF-Offensive wenn nicht ein  
Usenet mit Online-Strukturen? Indem die ISP sich durch die Hintertür via  
ITCF redaktionelle Verantwortung aneignen und damit einen de-jure ONLINE- 
BETRIEB DEUTSCHES INTERNET installieren, dem ein DE-FAKTO nahezu  
automatisch folgen wird.

Wieder mal hält das NETZ her, diesmal um wirtschaftspolitschen  
Machtvorstellungen das Feld zu bereiten. Einst hieß es Wissen ist Macht,  
heute sind wir klüger: Alle Macht hängt an den  
Informationsinfrastrukturen. Anscheinend sind die heißesten Phasen im  
Gerangel um die technische Vorrangstellung schon überschaubar, nun beginnt  
der Kampf um die Kommunkationsstrukturen.


Die Steuerung der Struktur über die Steuerung der Inhalte kann dann auch  
nicht anders als denn konsequent gewisse Fragen zu ignorieren: So die  
Frage, wieso Vorstöße wie das ITCF in irgendeiner Form etwas mit  
Selbstkontrolle zu tun hätten. Befinden sich denn wirklich alle ECO- 
Mitglieder in der Annahme, der ITCF-Vorstoß sei irgendwie anders gelagert  
denn bspw. ein Verbot harter Verschlüsselung von E-Mail?


Die Dualität von Anbietenden und Verbrauchenden wird also nicht etwa aus  
vorauseilendem Gehorsam oder Naivität oder ähnlichen Selbstbetrügereien  
aufgebrochen, sondern schlichtes kommerzielles Zweckdenken wünscht sich  
eine naheliegende Zukunft, in der die Transformation von der  
Netzgemeinschaft zum regulierten Online-Dienst eben notfalls zum Preis der  
(redaktionellen) Entmündigung vorgenommen werden soll. Eine Entmündigung,  
die mit Drohgebärden schmackhaft gemacht werden soll. Eine Entmündigung  
dadurch, daß die wahren Anbietenden/Verbrauchenden mit der Schere im Kopf  
zum vorauseilenden Gehorsam gemahnt werden.

Wenn ANWALT sich nun auf Positionen zurückzieht der Art "alle treten uns",  
obwohl wir nur "vermittelnde Ansichten in einer polarisierten Situation  
vertreten" - nun, dann ist solcher Jammer nur ein weiterer Beweis dafür,  
daß die Angelegenheit entweder völlig unausgegoren oder aber sehr wohl  
völlig zweckorientiert ist.

Damit schließt sich der Kreis, denn welche Zweckorientierung könnte ein  
Kreis von Personen haben, der sehr gut darüber informiert ist, WIE  
sensibel das polydirektionale Instrumentarium ist und dennoch die  
selbstangestoßene Entwicklung in Richtung eines regulierten Online- 
Dienstes ignorieren (wollen)?

                                *

Leider habe ich das Gefühl, daß das Konzept aufgehen wird: die am WiN  
angeschlossenen Server werden zur akademischen Enklave, die  
Endverbrauchskreise aus den Online-Diensten sind schon so manches gewohnt,  
die Mailboxszene fühlt sich bestätigt und wuselt weiter, die ECO-Onliner  
mit ITCF-Betreuung werden sich für das wahre Internet halten - bei aller  
Vielschichtigkeit bleibt Donald Duck am Tropf von Onkel Dagobert.


Wer auch immer die ISDN-Vorschläge in die unterste Schublade gelegt hat,  
sollte sie vielleicht doch sofort hervorkramen und prüfen, denn so wie es  
aussieht, könnten die vielgescholtenen Mailboxnetze sich zum Backbone  
eines non-universitären, nicht von Entmündigungsverträgen geknebelten
IO (Internet Online) - Kartells entwickeln.


Meine soziale Reichweite war nie so groß wie jetzt. Ich bin gegen die  
redaktionelle Entmündigung, die das Usenet zu einer Art Zeitung mit  
beschränkter Leserbrief-Gewährleistung machen wird.


Horst Willenberg

--
        ** Horst Willenberg   *   h.willenberg@bionic.zerberus.de. **