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Orwell & das TKG



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Hallo zusammen,

Rolf Weber schrieb bzw. zitierte u.a.:

>> >selbst wenn ein krypto-verbot kaeme haetten wir dadurch noch lange
>> >keinen polizeistaat (siehe frankreich), aber (das ist jetzt geklaut, ich
>> >weiss aber nicht mehr von wem) "es entstuende das *potential* fuer
>> >einen ueberwachungsstaat orwell'schen ausmasses".
>> 
>> Keine Sorge. Orwell wird rechtlich moeglich, indem man einfach das neue
>> Telekommunikationsgesetz in die Tat umsetzt. Ich wiederhole mich: Alle
>> "Kundendaten" muessen zum transparenten Abruf den "Diensten" zur Verfuegung
>> stehen. Das impliziert doch geradezu ein Kryptoverbot.
>> 
>ein gesetz, welches die TK anbieter dazu verpflichtet irgendwelchen
>behoerden !ohne gerichtsbeschluss! alle (also damit auch die inhalte)
>kundendaten zu ueberlassen, hielte ich auch fuer sehr schlecht.
>ich kenne allerdings den wortlaut dieses gesetzes nicht (waere nett
>wenn ihn jemand hierein postet), kann also dazu auch keinen kommentar
>abgeben.
>allerdings: so ein gesetz wuerde mE zu 99.9% gegen GG verstossen.

Ich möchte die Orwell'schen Ausmaße des TKG aus meiner Sicht einmal 
systematisieren, weil hier immer wieder nur Fragmente erwähnt werden. Das 
meiste läßt sich aus der Netzwesenseite (http://www.thur.de/ulf/) von Ulf 
(?) zusammentragen. Ich hoffe, daß die Länge meines Postings nicht stört, 
aber es werden ja ohnehin stets ausufernde Zitate gepostet, anstatt für 
Interessierte nur die entsprechenden URL's anzugeben.

Prinzipiell lassen sich die Auskünfte, die die TK-Anbieter den 
Bedarfsträgern ( Hallo Neusprech ! ;-) ) jederzeit, unentgeltlich und vor 
allem von ersteren unbemerkt (D.h. die wenigen auf Seiten der TK-Anbieter 
mit den Auskünften verbundenen Vorgänge dürfen nur von ausgesuchtem 
Personal, welches einer staatlichen Sicherheitsüberprüfung unterzogen und 
zur Verschiegenheit verpflichtet wurde, bearbeitet werden.) zur Verfügung 
stellen müssen, in drei Kategorien einteilen:

1. Die einfache Teilnehmerauskunft i.S. eines tagesaktuellen, 
'bidirektionalen' ( = Welcher Teilnehmer gehört zu welcher Rufnummer ? ) und 
vollständigen ( _alle_ Teilnehmer in Fest- und Mobilnetzen _aller_ 
TK-Anbieter ) Telefonbuchs.

2. Die Verkehrsanalyse:
Darunter fallen alle Informationen, die im Rahmen des TK-Verkehrs anfallen, 
_ohne_ daß der Sprech- oder Datenverkehr inhaltlich abgehört wird. Hiermit 
lassen sich Fragen beantworten wie 'Wer war wann mit wem wie lange verbunden 
?' oder 'Wer hat versucht, wen zu erreichen' oder auch 'Wann wurde wo der 
Hörer abgenommen ?'. Im ISDN-Dienst fällt auch die Diensteerkennung an und 
vor allem im Mobilfunk auch die Funkzelle. Bei letzterer ist zu 
unterscheiden, ob sie beim Telefonieren anfällt oder nur durchs Einbuchen.

3. Das Abhören eines bestimmten Teilnehmers selbst:
Hierbei wird jede (abgehende _und_ ankommende) Verbindung eines Teilnehmers 
(ggf. entschlüsselt) aufgezeichnet und anschließend manuell analysiert. 
Wichtig dabei ist, daß die TK-Anbieter den Bedarfsträgern das oben 
definierte _unbemerkte_  Abhören ermöglichen muß. Für eine bestimmte 
Abhöraktion sind keinerlei technische Maßnahmen mehr einzuleiten; es reicht, 
die bestimmte Nummer in einen Computer einzugeben.

4. Das routinemäßige Abhören mindestens des Auslandsverkehrs u.ä.:
Hierunter möge alles fallen, was technisch machbar ist, also das Abfangen 
und automatische Analysieren von Faxen, E-Mails und Gesprächen sowie 
insbesondere die Auswertung jener Bewegungsdaten in den Mobilfunknetzen, die 
_nicht_ im Rahmen des Telefonierens anfallen.


Die einfache Teilnehmerauskunft steht den Bedarfsträgern meines Wissens ohne 
Gerichtsbeschluß zur Verfügung.

Jenen Bedarfsträgern, die dem Legalitätsprinzip unterliegen (Polizei und 
Staatsanwaltschaft), stehen auch die Kategorien 2 & 3 offen. Sie benötigen 
de jure einen Gerichtsbeschluß oder müssen ein Eilverfahren einleiten, um 
sie einsehen zu dürfen.

Die restlichen Bedarfsträger (Verfassungsschutz und Geheimdienste) können 
alle Kategorien nach Belieben nutzen.


Diese erwähnten technischen und juristischen Möglichkeiten sind nun 'mal 
gegeben bzw. werden in absehbarer Zeit eingerichtet (Austausch der alten, 
analogen Vermittlungsstellen gegen 'digitale' Geräte) folglich ist ein 
diesbezügliches Jammern oder Empören sinnlos; sinnvoll ist meines Erachtens 
lediglich, die Gefahren für die Zukunft abzuschätzen: 


Aus meiner Sicht ergeben sich mindestens folgende Gefahren:

+ Die juristischen Schwellen zur Einleitung der Maßnahmen der 2. und 3. 
Kategorie werden gesenkt, z.B.:

- - durch Ausweitung der Eilverfahren

- - einfachere Genehmigungsverfahren, sobald die Justiz eine Überlastung beklagt
( Die Richter, welche die Abhörbeschlüsse fassen bzw. nachträglich 
genehmigen, sind (soweit mir bekannt) nur ihrem Gewissenverpflichtet, was 
auch immer das heißen mag !!! ( Unsere Bundestagsabgeordneten übrigens auch, 
was man beim Fraktionszwang immer wieder beobachten kann  :-(  ) )

- - Aufhebung des Genehmigungsverfahrens für die Maßnahmen der Kategorie 2, 
denn technisch betrachtet sind letztere bereits jetzt von jenen der 
Kategorie 3 getrennt.

+ Maßnahmen der Kategorie 4 könnten in die Kategorien 2 (Mobilfunkdaten) 
bzw. 3 (z.B. Scannen _aller_ Anschlüsse nach bestimmten Stimmustern oder 
Schlüsselwörtern und Aufzeichnung, sobald jene auftreten) einbezogen werden.

+ Die Praxis des _unbemerkten_ Abfragens ( oder auch 'nur' die 
Online-Abfrage) könnte sich 'bewähren' und für andere, die Bedarfsträger 
interessierende Datensammlungen _verbindlich_ werden, z.B. die Kundenstamm- 
und Verkaufsdaten technischer Versandhäuser ( Wer kaufte bestimmte, bei der 
Herstellung von Bomben verwendete Bauteile ? ) oder Erotikversandhäuser 
(Dessous in kleinen Konfektionsgrößen) oder Buchhändler oder 
Kreditkartengesellschaften oder gar Banken oder oder oder ... Rasterfahndern 
dürfte angesichts solcher Möglichkeiten das Herz höher schlagen, denn 
bislang muß nichtstaatlichen Besitzern der Daten zumindest eine 
Durchsuchungsanordnung zugestellt werden (Die Daten der Einwohnermelde- 
sowie der Kfz-Stellen sind den Bedarfsträgern ohnehin online zugänglich.).

Wer mag meine Paranoia vervollständigen ;-) ???

Bis bald,

Hagen



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