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Schneider, nächste PE
- To: Fitug-Debatten <debate@fitug.de>
- Subject: Schneider, nächste PE
- From: Thomas Roessler <roessler@sobolev.rhein.de>
- Date: Fri, 20 Sep 1996 00:30:18 +0200 (MET DST)
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- Sender: owner-debate@fitug.de
[INLINE]
Mitteilung der Internet Content Task Force (ICTF) vom 19.09.96
RA Michael Schneider, eco e.V.
Im Nachgang zur [1]ICTF-Pressemitteilung vom 16.09. informieren wir
Sie über den aktuellen Stand der Diskussion mit der
Bundesanwaltschaft.
Für den eiligen Leser fassen wir unsere Kernforderungen wie folgt
zusammen:
1. Das Legalitätsprinzip ist konsequent anzuwenden. Sofern - wie
vorliegend geschehen - Ermittlungen wegen des Vorwurfs der
Beihilfe zur Verbreitung der Radikal aufgenommen und auf Carrier
ausgedehnt werden, darf dies nicht auf die Anbieter von
Internet-Zugängen beschränkt bleiben. Vielmehr erwarten wir, daß
die in Deutschland tätigen Telefondienstanbieter abgemahnt und
aufgefordert werden, den Zugang zu den von XS4ALL angegebenen
Einwahlpunkten zu sperren.
2. Alle Maßnahmen der Bundesanwaltschaft müssen erkennbar vom
Grundsatz der Ermittlungsgerechtigkeit getragen sein. Ein
differenzierendes Vorgehen dergestalt, daß an einigen ISPs "ein
Exempel statuiert" wird, ... wäre aus unserer Sicht
verfassungswidrig und auch unter Gesichtspunkten eines fairen
Wettbewerbs bedenklich.
3. Alle Maßnahmen, die bisher ergriffen wurden oder die künftig noch
ergriffen werden, müssen eine stringente argumentative Grundlage
und ein auf dem gesetzlichen Auftrag der Bundesanwaltschaft
basierendes Vorgehen erkennen lassen.
4. Alle Maßnahmen mit Eingriffscharakter bedürfen einer
nachvollziehbaren Ermächtigungsgrundlage.
5. Wir erwarten, daß die Bundesanwaltschaft ihre Aufforderung zur
Sperre binnen drei Tagen nach Zugang dieses Schreibens dem
Ermittlungsrichter zur Prüfung und zur Konkretisierung vorlegt.
Die gerichtliche Überprüfung könnte durch Anrufung des
Ermittlungsrichters - beispielsweise unter analoger Anwendung des § 99
StPO oder einer anderen Ermächtigungsgrundlage - erfolgen. Sollte die
Bundesanwaltschaft diese Möglichkeit, der Sperrung eine
rechtsstaatliche Grundlage zu verschaffen, nicht ergreifen oder sollte
das angerufene Gericht seine Zuständigkeit verneinen, wird die ICTF
den angeschlossenen Providern empfehlen, selbst um Rechtsschutz
nachzusuchen. Da uns die Möglichkeit der Beschwerde nicht offensteht,
wird die ICTF empfehlen, zunächst im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG
eine Klärung herbeizuführen und, falls auch das dafür zuständige
Gericht eine Überprüfung der Maßnahme oder die Verweisung an den
Ermittlungsrichter ablehnt, eine Entscheidung durch das
Bundesverfassungsgericht anzustreben.
Die Empfehlung, der "Abmahnung" der Bundesanwaltschaft zu folgen und
www.xs4all.nl zu sperren, wird aufgehoben, sobald eine entsprechende
gerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden kann.
Aus aktuellem Anlaß weisen wir noch auf folgendes hin: Dieses Dokument
darf zitiert, auf anderen Servern hinterlegt und geposted werden, wenn
und so lange sichergestellt ist, daß der Text vollständig und
unverändert wiedergegeben wird.
_________________________________________________________________
Der Bundesanwaltschaft haben wir heute folgendes Schreiben
übermittelt:
... auf unser gestriges Telefonat nehme ich Bezug. Wie ich Ihnen
bereits mündlich darlegte, sehen sich die ICTF angeschlossenen
Provider aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage, die von Ihnen
verlangte Sperrung über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten,
ohne daß eine gerichtliche Überprüfung der Maßnahme erfolgt.
I.
Lassen Sie mich jedoch zunächst die Ereignisse der letzten Tage
chronologisch zusammenfassen.
Auf Ihr Telefax vom 13.09. habe ich den angeschlossenen ISPs
empfohlen, ...
Der Aufwand, die Sperre aufrecht zu erhalten, ist jedoch so erheblich,
daß er die kleineren unter den ICTF angeschlossenen Providern bereits
nachhaltig wirtschaftlich beeinträchtigt. ...
Parallel zu der Erweiterung der Sperrung erhielten wir am Nachmittag
des 16.09. seitens des Betreibers von XS4ALL eine E-Mail folgenden
Inhalts:
"... Our user, tank, has told us he will remove the radikal
information from the URL: http://www.xs4all.nl/~tank/radikal and
replace it with a simple mirror-list. I expect this to happen later
today, please check. If the information is removed from the URL,
there is no more reason to keep the IP-filtering going on. ..."
In einer weiteren E-Mail wurde folgendes hinzugefügt:
"I've just checked the URL, and it's now replaced with a
mirror-list. I don't know if they will put it back, but I assume
they will not. ..."
Eine Überprüfung ergab, daß die Radikal in ein anderes Verzeichnis auf
www.xs4all.nl verschoben worden war. Sie war gleichwohl weiterhin
abrufbar und zwar auch über diejenige URL, deren Sperrung Sie namens
der Bundesanwaltschaft verfügt hatten.
II.
Wir entnehmen daraus, daß der Betreiber von XS4ALL nicht beabsichtigt,
die Distribution der Radikal einzustellen. Seine öffentlichen
Äußerungen und die von ihm ergriffenen Maßnahmen lassen vielmehr
darauf schließen, daß der Höhepunkt der Auseinandersetzung noch nicht
erreicht ist.
So wandte sich XS4ALL an zahlreiche internationale Organisationen und
veröffentlichte unter dem 18.09. gemeinsam mit einigen von diesen
folgende Resolution:
/* bitte lesen Sie [2]diese Seite */
Auch wenn wir uns dieser Resolution in Teilen nicht anschließen, macht
sie doch sehr deutlich, welche Eingriffe in Rechte Dritter die
Sperrung inzwischen verursacht und in welchem Umfang der gesamte
Vorgang in das politische Umfeld hineineskaliert.
III.
Meinen bisherigen Ausführungen zur Wirksamkeit der Sperre habe ich im
Grunde nichts hinzuzufügen.
Auch wenn man unterstellt, daß die uns angeschlossenen Provider in der
Lage wären, den Zugang zu XS4ALL weiterhin zu blockieren, hat dies
letztlich keinen Einfluß auf die Verbreitung der "Radikal". Inzwischen
sind Wege gefunden worden, XS4ALL als Ausgangspunkt zu umgehen, wie
auch der Sperrung durch deutsche ISPs auszuweichen, indem andere
Kanäle für den Datentransport gewählt werden. Besondere Aufmerksamkeit
verdient in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß unter der URL
http://www.xs4all.nl/ ~tank/radikal/ nunmehr ein neuer Zugangsweg
eröffnet wird. Die Seite beginnt in ihrer Fassung vom Abend des 16.09.
mit folgender Aussage:
How to get the Radikal
...
Phone: Call and login as "new"
So first dial the international number +31 (hollands international
code) and then one of these numbers: ...
Angefügt ist eine Liste, die 10 Einwahlpunkte in Holland beinhaltet.
In der Liste werden Telefonnummern und die technischen Protokolle
angegeben, mit denen über die Einwahlpunkte ein Zugriff auf die
Ressourcen von XS4ALL möglich ist. Die Kunden deutscher ISPs werden
damit nach unserer Einschätzung in die Lage versetzt, unter Verwendung
des vorhandenen Equipments (Zugangssoftware und Endgeräte) durch eine
bloße Änderung der Telefonnummer in ihrer Konfiguration auf die
Radikal zuzugreifen. Der Aufwand dafür ist gering und die entstehenden
Mehrkosten sind angesichts der Tatsache, daß inzwischen auch eine
komprimierte und daher schnell übertragbare Version der Radikal
vorliegt, gering.
IV.
Vor dem Hintergrund des erheblichen Eingriffscharakters der von Ihnen
veranlaßten Sperrung stellen wir folgende Forderungen auf:
1. Das Legalitätsprinzip ist konsequent anzuwenden. Sofern - wie
vorliegend geschehen - Ermittlungen wegen des Vorwurfs der
Beihilfe zur Verbreitung der Radikal aufgenommen und auf Carrier
ausgedehnt werden, darf dies nicht auf die Anbieter von
Internet-Zugängen beschränkt bleiben. Vielmehr erwarten wir, daß
die in Deutschland tätigen Telefondienstanbieter abgemahnt und
aufgefordert werden, den Zugang zu den von XS4ALL angegebenen
Einwahlpunkten zu sperren.
2. Alle Maßnahmen der Bundesanwaltschaft müssen erkennbar vom
Grundsatz der Ermittlungsgerechtigkeit getragen sein. Ein
differenzierendes Vorgehen dergestalt, daß an einigen ISPs "ein
Exempel statuiert" wird, während andere nicht mit dem gleichen
Nachdruck zur Sperrung aufgefordert werden, wäre aus unserer Sicht
verfassungswidrig und auch unter Gesichtspunkten eines fairen
Wettbewerbs bedenklich. Der guten Ordnung halber weise ich darauf
hin, daß die vorstehende Aufforderung nicht die Unterstellung
beinhaltet, es werde zur Zeit keine Ermittlungsgerechtigkeit
geübt. Allerdings halten wir es - nicht zuletzt aufgrund einiger
Presseberichte - für geboten, an den Stellenwert des Grundsatz zu
erinnern.
3. Alle Maßnahmen, die bisher ergriffen wurden oder die künftig noch
ergriffen werden, müssen eine stringente argumentative Grundlage
und ein auf dem gesetzlichen Auftrag der Bundesanwaltschaft
basierendes Vorgehen erkennen lassen. Präventive Aspekte, die nach
meiner Auffassung inzwischen sehr deutlich in den Vordergrund
gerückt sind, müssen weitgehend unberücksichtigt bleiben oder an
die dafür zuständigen Polizeibehörden des Bundes und der Länder
delegiert werden.
4. Alle Maßnahmen mit Eingriffscharakter bedürfen einer
nachvollziehbaren Ermächtigungsgrundlage. Dabei kommt es weder
darauf an, ob der Eingriffscharakter in der Ausgestaltung der
Maßnahme sofort erkennbar wird, noch auf die Bezeichnung der
Maßnahme als "Verwaltungsakt", "Verfügung", "Beschluß" oder
"Anordnung". Entscheidend ist vielmehr, ob der Eingriff gewollt
war und ob dem Adressaten de facto keine Wahl bleibt, als die
Maßnahme umzusetzen.
5. Wir erwarten, daß die Bundesanwaltschaft ihre Aufforderung zur
Sperre binnen drei Tagen nach Zugang dieses Schreibens dem
Ermittlungsrichter zur Prüfung und zur Konkretisierung vorlegt
(Einzelheiten dazu weiter unten). Die Frist orientiert sich an dem
Zeitraum, den § 100 Abs.2 für die Herbeiführung der richterlichen
Entscheidung nach einer von der Staatsanwaltschaft unter dem
Gesichtspunkt der "Gefahr im Verzuge" verfügten Beschlagnahme
vorsieht.
V.
Die von Ihnen jetzt veranlaßte Sperrung bewegt sich materiellrechtlich
wie prozessual in einem rechtlich weitgehend ungeklärten Umfeld. Ihren
bisherigen Ausführungen entnehme ich, daß eines der Ziele, das Sie mit
dem gegenwärtigen Vorgehen gegen die Verbreitung der Radikal im
Internet verbinden, die Klärung der rechtlichen Verhältnisse auf der
Basis geltenden Rechts (also insbesondere vor Inkrafttreten des
Informations- und Kommunikations-Dienstegesetzes) ist.
Der Versuch, die dringend gebotene Klärung herbeizuführen, setzt nach
meiner Auffassung jedoch am falschen Punkt an. Um Ihnen darzulegen,
wieso ich zu dieser Einschätzung gelange und um zugleich die Ebene der
akademischen Diskussionen um die rechtliche Einordnung des Internet zu
verlassen, möchte ich das Problem anhand eines fiktiven, aber zur
weiteren Analyse sehr geeigneten Parallelfalles darstellen.
Dabei gehe ich von folgenden tatsächlichen und rechtlichen Prämissen
aus:
1. Die Radikal wird im Ausland von einem Versender für Interessenten
bereitgehalten. Potentielle Interessenten müssen per Post oder
telefonisch eine Nachricht an den Versender übermitteln, der
sodann in einem Umschlag, auf dem der Absender (nicht jedoch die
Absendeadresse) ersichtlich ist, genau eine Ausgabe der Radikal an
den Interessenten verschickt.
2. Es gelingt Ihnen nicht, effizient gegen den Versender vorzugehen,
da Sie aufgrund einer geschickten Weiterleitung der Post seinen
Aufenthaltsort nicht kennen oder weil Ihnen der Staat, in dem sich
der Versender aufhält, keine Amtshilfe gewährt.
3. Gehen Sie schließlich davon aus, daß Ihnen das Instrument der
Postbeschlagnahme (sei es nach § 99 StPO oder nach §§ 111b ff.
StPO) als Folge einer planwidrigen Gesetzeslücke nicht zur
Verfügung stünde.
Die sich dann aufgrund der angenommenen Gesetzeslücke fiktiv ergebende
Situation ist mit der vorliegenden in den wesentlichen Punkten
identisch. Es besteht - nachvollziehbarer - Anlaß, die Verbreitung
eines nach deutschem Recht strafrechtswidrigen Druckwerkes zu
verhindern. Eine "Standardmaßnahme" dafür ist - jedenfalls im
Strafverfahren - nicht verfügbar. In dieser Lage kommen nach meiner
Ansicht genau drei Handlungsalternativen in Betracht:
1. Die rechtsstaatlich unbedenklichste Möglichkeit besteht darin, den
Versand der rechtswidrigen Zeitschrift so lange zu dulden, bis der
Gesetzgeber eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen hat, die dem
Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes genügt (zur Frage der
Grundrechtsrelevanz Ihrer Sperrungsaufforderung nehme ich
gesondert Stellung).
2. In Ermangelung einer Ermächtigungsgrundlage kommt die Bildung
einer Analogie zu bestehenden Vorschriften in Betracht, die
Maßnahmen im Vorfeld von Ermittlungen oder im Verlauf von
Ermittlungen ermöglichen.
3. Die letzte Handlungsalternative ist die von Ihnen vorliegend
ergriffene: In Ermangelung einer Grundlage für ein eigenes Handeln
wird den beteiligten Dritten (in meinem fiktiven Beispiel betrifft
das die Post AG, real sind es die von uns vertretenen Provider)
aufgegeben, anstelle der Bundesanwaltschaft tätig zu werden. Zu
diesem Zweck wird ihnen die Bestrafung als Mittäter in Aussicht
gestellt, sofern sie die ihnen zugedachte Rolle nicht übernehmen.
Es ist sicher naheliegend, den unter (3) dargestellten Weg zu
beschreiten. Gleichwohl wird dadurch nach meiner Einschätzung eine in
doppelter Weise verfassungswidrige Sachlage hergestellt:
1. Die in der StPO für wesentliche Eingriffe der Ermittlungsbehörden
vorgesehene richterliche Überprüfung wird vollständig
"ausgehebelt". Mehr noch: Das Fehlen der Ermächtigungsgrundlage
führt vorliegend dazu, daß der Rechtsschutz der betroffenen
Unternehmen über dasjenige Maß hinaus verkürzt wird, das in einer
gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage vorgesehen worden wäre. Der
Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes verkehrt sich damit ins
Gegenteil.
2. Die Adressaten Ihrer "Abmahnung" werden einer Pflichtenkollision
ausgesetzt, die sie selbst nicht auflösen können. Auf der einen
Seite müssen sie geschlossenen Verträge erfüllen, auf der anderen
Seite sind sie aber gehalten, strafrechtlichen Sanktionen
auszuweichen. Welches Verhalten letztlich de lege lata geboten
ist, wird gegebenenfalls erst nachträglich ein Gericht entscheiden
(und zwar der Strafrichter, sofern die Sperrung nicht erfolgt und
im übrigen der Zivilrichter durch Inzidentprüfung, falls die
Sperrung erfolgt und ihre Rechtmäßigkeit von einem Kunden
angezweifelt wird). Einen geeigneten rechtlichen Hinweis kann auch
die Bundesanwaltschaft zur Zeit nicht geben, da Sie selbst aus dem
in der Literatur geführten Streit keine eindeutigen
Handlungsmaximen entnehmen können.
Auf diese Weise wird ein von Art. 19 IV GG nicht gedeckter
gerichtsfreier Raum geschaffen.
VI.
Dies ist besonders bedenklich, da von der Sperrungs-Maßnahme sowohl
die Adressaten Ihrer "Abmahnung" wie auch Dritte in ihren Grundrechten
tangiert werden.
Die sperrenden Provider werden in der von Art.12 GG geschützten
Gewerbefreiheit betroffen. Die Notwendigkeit einer Sperrung
beeinträchtigt sie ebenso in ihrem Recht, Zugang zu allen Ressourcen
des Internet zu ermöglichen wie auch in ihrer wirtschaftlichen
Entfaltungsfreiheit. Für einige Kunden ist die Tatsache, daß von
Sperrungen aus technischen Gründen auch rechtmäßige Angebote erfaßt
werden, Anlaß, den Provider zu wechseln. Weiterhin ist abzusehen, daß
denjenigen Providern, die nicht der Sperrung unterworfen sind - dazu
gehören insbesondere Anbieter mit Sitz im Ausland - aus diesem Umstand
ein zusätzliches Argument für ihr Marketing erwächst. Schließlich
ergibt sich als mittelbare Folge der Aussage aus Ihrem Telefax vom
13.09., wonach "sämtliche technischen Möglichkeiten auszuschöpfen"
sind, "um einen Abruf der Druckschrift radikal Nr. 154 ... zu
unterbinden", eine Verpflichtung zur Bereitstellung umfangreicher
technischer und personeller Mittel. Dies kann nur dann gerechtfertigt
sein, wenn die Maßnahme gemäß Art.12 Abs.1 S.2 GG auf eine gesetzliche
Regelung und auf ein verhältnismäßiges Maß zurückgeführt wird.
Im Hinblick auf die Kunden der Provider stellt sich die Sperrung als
Eingriff in den Schutzbereich des Brief-, Post- und
Fernmeldegeheimnisses aus Art. 10 I GG dar. Die Vorschrift schützt den
Informationsaustausch zwischen räumlich voneinander entfernten
Kommunikationspartnern, wobei nicht nur der Brief-, Post- und
Fernmeldeverkehr, sondern jede Form der physikalischen, elektrischen
oder elektronischen Übermittlung von Informationen erfaßt wird. Das
Recht aus Art. 10 I GG ist immer dann betroffen, wenn - wie hier - in
Telekommunikationsprozesse aktiv eingegriffen wird.
Weiterhin kommt ein Eingriff in Art. 5 I GG in Betracht. Die
Vorschrift gewährleistet einerseits die freie Weitergabe von
Informationen und andererseits die Möglichkeit, den jeweiligen
Kommunikationspartner auszuwählen. Dies ist denjenigen Kunden der
angeschlossenen Provider, die Internet-Teilnehmer erreichen wollen,
welche von XS4ALL versorgt werden, zur Zeit nicht mehr möglich.
VII.
Nach alledem halten wir eine gerichtliche Überprüfung der Sperrung für
unabdingbar. Wir stellen anheim, eine derartige Prüfung Ihrerseits zu
veranlassen. Dies könnte durch Anrufung des Ermittlungsrichters -
beispielsweise unter analoger Anwendung des § 99 StPO oder einer
anderen Ermächtigungsgrundlage - erfolgen.
Sollten Sie diese Möglichkeit, der Sperrung eine rechtsstaatliche
Grundlage zu verschaffen, nicht ergreifen oder sollte das angerufene
Gericht seine Zuständigkeit verneinen, wird die ICTF den
angeschlossenen Providern empfehlen, selbst um Rechtsschutz
nachzusuchen. Da uns die Möglichkeit der Beschwerde nicht offensteht,
werde ich empfehlen, zunächst im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG eine
Klärung herbeizuführen und, falls auch das dafür zuständige Gericht
eine Überprüfung der Maßnahme oder die Verweisung an den
Ermittlungsrichter ablehnt, eine Entscheidung durch das
Bundesverfassungsgericht anzustreben.
VIII.
Die von uns beabsichtigte gerichtliche Entscheidung sollte eine
Regelung folgender Fragen vorsehen:
1. Dauer der Sperre,
2. Objekt der Sperre (wobei sich eine URL aus den bereits dargelegten
Gründen nur bedingt als Objekt einer Sperrung eignet),
3. Verfahren nach Ablauf der Sperrfrist,
4. Kosten der Maßnahme.
Bezüglich der Kosten rege ich an, in entsprechender Anwendung des § 88
Abs.4 S.3 TKG die den Providern entstehenden notwendigen
Mehraufwendungen der Staatskasse aufzuerlegen.
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[3][LINK] Zurück zur [4]ICTF-Leitseite.
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Kommentare und Anregungen senden Sie bitte an: [5]webmaster@anwalt.de.
Copyright © 1996 Rechtsanwalt Michael Schneider
Letzte Änderung am 19. September 1996
References
1. http://www.anwalt.de/ictf/p960916d.htm
2. http://www.anwalt.de/ictf/p9609191.htm
3. http://www.anwalt.de/ictf/index.html
4. http://www.anwalt.de/ictf/index.htm
5. mailto:webmaster@anwalt.de