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Re: Innenministerium fordert Zugriff auf Provider-Bestandsdaten



...das geht auch ohne auf Werbe-Java-Grafik-Scheiss zu warten...

DATENSCHUTZ                                     20.1.98

Innenministerium fordert Zugriff auf Provider-Bestandsdaten

Dem Verfassungsschutz soll ermöglicht werden, Urheber von
verfassungsfeindlichen Inhalten im Internet zu identifizieren.

Internetprovider sollen künftig den Verfassungsschutzbehörden Zugriff
auf ihre Bestandsdaten gewähren müssen. Dies fordert in einem
ministeriumsinternen Argumentationspapier der Leiter der Abteilung
Innere Sicherheit im Bonner Innenministerium, Reinhard Rupprecht.
Begründung: Die Behörden wollen Homepages und E-Mail-Adressen per
Datenabgleich eindeutig identifizieren können.

Da der Verfassungsschutz bei Internet-Angeboten mit verfassungswidrigem
Inhalt nicht wie Polizei oder Staatsanwaltschaft die Auskunft mit Hilfe
der Strafprozeßordnung bekommen oder beschlagnahmen könne, brauche er
ein gesondertes Zugriffsrecht, heißt es in dem Papier. Das
Teledienste-Datenschutzgesetz (TDDSG), das die Datenschutzvorschriften
für die Diensteanbieter enthält, will man entsprechend anpassen. Das
Gesetz war erst im August vergangenen Jahres als Teil des Informations-
und Kommunikationsdienstegesetzes in Kraft getreten. Ein zunächst
vorgeschlagener Absatz, der genau die von Rupprecht geforderten
Zugriffsrechte der Sicherheitsbehörden enthielt, war im
parlamentarischen Verfahren wieder gestrichen worden.

Ein Zugriff sei "für die Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden
von erheblicher Bedeutung", so Rupprecht. Auf Homepages im Internet
finde man inzwischen "politisch extremistische konzeptionelle Texte" und
"Verkaufsofferten für Propagandamaterialien" ebenso wie "detaillierte
und umfangreiche technische Anleitungen zur Herstellung von
Sprengstoffen und zum Bau von Bomben". Die Verantwortlichen könnten
jedoch meist nicht belangt werden, da zahlreiche Homepages keine näheren
Rückschlüsse auf die Identität des Betreibers zuließen - die Verwendung
von Phantasienamen und Pseudonymen nehme zu, klagen die Staatsschützer.
Für die Identifikation der Verantwortlichen sei daher ein Zugriff auf
die Provider-Bestandsdaten erforderlich. Nutzer, die aus der Anonymität
heraus bzw. unter Pseudonymen gegen die verfassungsgemäße Ordnung
agitieren, seien gegenüber dem staatlichen Aufklärungsinteresse "nicht
schützenswert", heißt es in dem Papier.

Rupprecht versichert, mit der neuen Regelung für private
Telediensteanbieter werde den Behörden kein grundsätzlich neues
Eingriffsrecht eingeräumt. Vor der Privatisierung des
Telekommunikationsmarktes habe die Deutsche Bundespost auf dem Wege der
Amtshilfe einen ähnlichen Zugriff ermöglicht. Daher handele es sich nun
allein "um einen juristischen Anpassungsprozeß". Datenschutzrechtliche
Bedenken könnten durch entsprechende Verfahrensregelungen ausgeräumt
werden, die Regelung sollte daher "sachgerechterweise" im
Teledienste-Datenschutzgesetz (TDDSG) erfolgen.

Beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz wurde der Vorschlag aus dem
Bundesinnenministerium jedoch rundweg zurückgewiesen. Die "eindeutige
Position" sei, daß eine solche Auskunftsverpflichtung für den
Verfassungsschutz etwas sei, "das wir in unserer Rechtsordnung bisher
nicht hatten".

Nach Ansicht des SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss ist nichts
dagegen einzuwenden, daß man sich bemüht, "Verfassungsfeinden im
Internet die Möglichkeit zu nehmen, im Schutze einer 'anonymen'
E-Mail-Adresse demokratiefeindliche Aktivitäten zu entfalten". Tauss
befürchtet allerdings, daß der Zugriff des Verfassungsschutzes über eine
obligatorische Standleitung zur Regulierungsbehörde realisiert werden
soll. Ein ähnliches System mußten bereits Telekommunikations- und
Mobilfunkbetreiber nach Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes (TKG)
installieren. Das Problem bestünde dann in dem erheblichen finanziellen
Aufwand, der mit der Maßnahme verbunden sei. Für viele kleine und
mittelständische Internetprovider sei dies "ganz sicher das
wirtschaftliche Aus".

Auch der forschungspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Manuel Kiper,
kritisierte vor allem die möglichen ökonomischen Nebenwirkungen: "Dem
Ministerium ist es in seiner Überwachungswut offensichtlich egal, wie
kleine Mailboxbetreiber die Kosten für die Einrichtungen zum Datenabruf
auftreiben sollen."

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums hingegen versicherte, daß
technische Schnittstellen mit Standleitung nicht anvisiert seien. Dem
Ministerium gehe es lediglich um eine "eindeutige Identifizierung" der
Nutzer. Alles weitere werde in der politischen Diskussion entschieden.

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