[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: Untergrundzeitschrift Z - oder: Hard Stuff.



In MMR 02/1998, Seiten 93 bis 98, ist der Wortlaut
der Einstellungsverfuegung des Generalbundesanwaltes vom 26.11.1997 -
BJs 104/96-4 mit einer Bemerkung von Prof. Hoeren abgedruckt.

Sehr lesenswert! Viele Gedanken des Generalbundesanwaltes zur
Zensurierung des Internet via WebBlock uvm. Rosige Zeiten ;-(

Zu der Begruendung der Einstellungsverfuegung schreibt Hoeren in
seinen Anmerkungen u.a.:

"Selten hat man je von einer Gehorsamsverweigerung der
Strafverfolgungsbehoerden gegenueber dem Gesetzgeber gehoert. Doch
der hier vorliegende Fall gehoert nicht zu den Seltenheiten, sondern
eher zu den Skurilitaeten des Strafrechtes [...] Zur Begruendung wird
auf den Begriff der allgemeinen Gesetze in Art 5 Abs. 2 GG verwiesen,
der ebenfalls strafrechtliche Vorschriften einbeziehe. Dies ist nun
der deutlichste Fall eines Fehlschlusses, den ich in meiner
juristischen Laufbahn gelesen habe [...]

---------------------------------------------------------------------

[...]

Aus den Gründen

[...]

cc) Die nach § 13 StGB erforderliche
Garantenstellung eines reinen "Access Providers"
kann sich nicht aus pflichtwidrigem Vorverhalten
("lngerenz") ergeben, weil die Tätigkeit des
Providers (Eröffnung des Zuganges zum Internet für
interessierte Nutzer) als solche nicht
pflichtwidrig, sondern aufgrund der Bedürfnisse der
heutigen Informationsgesellschaft und insbesondere
auch der Wissenschaft sozial üblich und erwünscht
ist.

Dagegen ist eine Garantenstellung der Beschuldigten
als Verantwortliche des V-Vereins aus der
Überwachung von Gefahrenquellen zu bejahen. Das
Internet in seiner heutigen Gestalt und Funktion
als Mittel der Massenkommunikation basiert
wesentlich darauf, daß es weltweit und in groBer
Zahl Schnittstellen gibt, welche allen
interessierten Nutzern den Zugang zum Netz
eröffnen. Dies gewährleisten unter anderem die
Access Provider, zu denen im Rahmen seiner
satzungsgemäßen Ziele auch der V-Verein gehört.
Diese haben damit wesentlichen Anteil an der
Funktionsweise des Datennetzes. Indem sie den
Zugang zu diesem Netz ermöglichen, müssen sie
deshalb auch als Adressaten gewisser
"Verkehrssicherungspflichten" angesehen werden.
Dies gilt gerade auch für den Bereich strafbarer
Äußerungen. Denn die Besonderheiten des Internet
(grenzüberschreitende Kommunikation, Schnelligkeit
des Datenaustauschs, jederzeitige Zugänglichkeit
von Informationen, teilweise Anonymität der Nutzer)
tragen strukturell das gesteigerte Risiko in sich,
daß das Netz auch zur strafrechtlich relevanten
Form der Kommunikation, vor allem auch zur Begehung
von Äußerungsdelikten, mißbraucht wird (vgl . auch
BG HSt 30,391,396 zur Garantenstellung eines
Wohnungsinhabers).

Schon nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen
läSt sich eine konkrete Handlungspflicht eines
Access Providers im Einzelfall - wie stets im
Bereich strafbewehrten Unterlassens - jedoch nur
dann annehmen, wenn der Provider beziehungsweise
die für ihn handelnden verantwortlichen Personen
die pflichtbegründenden Umstände kennen, wenn die
Möglichkeit der Erfolgsabwendung bestehl und wenn
dem Provider ein entsprechendes Handeln zumutbar
ist. Daraus folgt insbesondere, daß ein Provider
nur dann gehalten sein kann, den Zugang zu
bestimmten strafbaren Inhalten im Internet zu
sperren, wenn er weiß daß derartige Inhalte über
das Netz verbreitet werden und wo diese auffindbar
sind beziehungsweise wenn er qualifizierten
Hinweisen auf strafbare Äußerungen nicht nachgeht
(vgl. auch Sieber, JZ 1996, 494 ff., 505). Eine
allgemeine Verpflichtung der Provider zur
Überprüfung des Netzes auf strafbare Inhalte kann
nicht angenommen werden und wäre angesichts der
unüberschaubaren Datenmenge auch weder möglich noch
zumutbar. Anders istdie Sachlage jedoch, wenn ein
Provider konkrete Anhaltspunkte hat oder
qualifizierte Hinweise darauf erhält, daß bestimmte
strafbare Inhalte unter bestimmten Adressen (URLs)
im Netz abgerufen werden können. In einem solchen
Fall ist grundsätzlich eine Verpflichtung des
Providers zu bejahen, solchen Hinweisen nachzugehen
und den Zugang dazu, wenn mögl ich und zumutbar, zu
unterbinden.

An dieser sich aus allgemeinen strafrechtlichen
Grundsätzen ergebenden Rechtslage hat sich durch
das Inkrafttreten des TDG am 1.8.1997 nichts
geändert. Dieses Gesetz regelt zwar in seinem § 5
Abs. 3, daß Diensteanbieter für fremde Inhalte, zu
denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung
vermitteln, nicht verantwortlich sind. Dies würde
eine-auch strafrechtliche-VerantwortlichkeitdesV-
Vereins beziehungsweise der Beschuldigten im
vorliegenden Fall ausschließen. § 5 Abs. 4 TDG
bestimmt jedoch, daß "Verpflichtungen zur Sperrung
der Nutzung rechtswidriger Inhalte nach den
allgemeinen Gesetzen" unberührt bleiben, "wenn der
Diensteanbieter unter Wahrung des
Fernmeldegeheimnisses gemäß § 85 TDG von diesen
Inhalten Kenntnis erlangt und eine Sperrung
technisch möglich und zumutbar ist."

Insoweit geht zwar der Gesetzentwurf der
Bundesregierung, der, soweit § 5 TDG betroffen ist,
mit der vom Gesetzgeber beschlossenen Fassung
wörtlich übereinstimmt, in der Begründung zu § 5
Abs. 4 TDG davon aus, daß die strafrechtliche und
deliktische Verantwortlichkeit der Diensteanbieter
nur in den Absätzen 1-3 des TDG geregelt sei,
während Absatz 4 lediglich klarstelle, daß die
objektiven, das heißt keine Schuid voraussetzenden,
Verpflichtungen zur Unterlassung von
Rechtsgutsverletzungen davon unberührt bleiben
sollten (vgl. BR-Drs.966/96 S.22 f.). Diese dem
Gesetzentwurf zugrundeliegende Auffassung findet
jedoch im Wortiaut der nunmehr Gesetz gewordenen
Vorschrift keine Stütze. Insbesondere der Verweis
auf die "allgemeinen Gesetze" kann vielmehr nur als
Verweis - auch - auf das allgemeine Strafrecht
verstanden werden. So ist etwa in der
verfassungsrechtlichen Literatur seit langem
anerkannt, daß die Schranken der "allgemeinen
Gesetze" in Art. 5 Abs. 2 GG auch die Strafgesetze
einschließlich der Vorschriften zum
strafrechtlichen Staatsschutz umfassen (vgl. etwa
Degenhart, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz,
Zweitbearbeitung 1987, Rdnr.112 f. zu Art.5 GG).
Eine andere Auslegung der genannten Vorschrift wäre
auch systemwidrig, da die schuidhafte Verletzung
objektiver Verhaltenspflichten dann stets zu einer
strafrechtlichen Haftung führt, wenn dadurch ein
Straftatbestand erfüllt wird und auch die weiteren
allgemeinen Voraussetzungen einer Strafbarkeit
gegeben sind.

Trotz dieser Einschränkung durch § 5 Abs. 4 TDG
läuft dessen Absatz 3 keineswegs leer, da sich aus
dem Zusammenspiel von Absatz 3 und Absatz 4 nunmehr
positivrechtlich ergibt, daß ein Access Provider
nicht gehalten ist, das Netz nach strafbaren
Inhalten zu durchforschen und dann darauf zu
reagieren, sondern daß eine Verpfiichtung zur
Sperrung nur dann bestehen kann, wenn er von der
Verbreitung strafbarer Inhalte positiv Kenntnis hat
und ihm ein Einschreiten möglich und zumutbar ist.

dd) Die Verantwortlichen des V-Vereins hatten mit
Eingang des Hinweisschreibens der
Bundesanwaltschaf tvom 10.9.1996 Kenntnis von der
Verbreitung des strafbaren Inhalts der Zeitschrift
Z über bestimmte URLs im Internet. Wie sich aus der
Einlassung der Beschuldigten E und B ergibt,
gelangte dieses Hinweisschreiben den Beschuldigten
B und A sogleich zur Kenntnis. Ferner wurde Anfang
1997 - zu diesem Zeitpunkt wurden die
inkriminierten Texte nach wie vor - auch - über den
Server des niederländischen Internet-Providers P
verbreitet - darüher hinaus der Vorstand des
Vereins informiert. Dieser bestand damals aus den
Beschuldigten E, F und C.

ee) Daß eine Sperrung des Zugangs zu den strafbaren
Inhalten der Druckschrift Z unter den im
Hinweisschreiben der Bundesanwa/tschaft genannten
Internet-Adressen (URLs) technisch generell möglich
gewesen wäre, ergibt sich aus dem im vorliegenden
Ermittiungsverfahren erstatteten Gutachten des
Sachverständigen S vom Bundesamt für Sicherheit in
der Informationstechnik vom 25.8.1997 und dem am
4.11.1997 eingegangenen Gutachten des auf Probleme
der EDV-Sicherheit spezialisierten Sachverständigen
T:

Grundsätzlich bestehen dabei verschiedene
technische Möglichkeiten: So kann ein Access
Provider etwa durch Sperrung der sogenannten IP-
Nummer für seine Nutzer den Zugang zu dem Server,
auf dem die inkriminierten Texte gespeichert und
zur Nutzung bereitgehalten werden, vollständig
sperren. Dies hat zur Folge, daß mit diesem Server
überhaupt kein Datenverkehr mehr möglich ist. Von
dieser Möglichkeit hat der V-Verein ersichtlich
während der kurzzeitigen Sperrung im April 1997
Gebrauch gemacht. Eine Modifikation dieser Möglichkeit
besteht darin, die Sperrung auf einzelne
Dienste zu beschränken mit der Folge, daß
beispielsweise E-Mail-Verkehr mit dem teilblockierten
Server noch möglich ist, während etwa
der Dienst "www" (World Wide Web), über den auch
die Verbreitung der Texte der Zeitschrift Z
erfolgte, gesperrt wäre. Auch eine solche
Teilblockade hätte jedoch zur Folge, daß nicht nur
die strafrechtlich relevanten Texte oder die
Zeitschrift Z insgesamt, sondern auch eine Vieizahl
strafrechtlich völlig unbedenklicher Informationen
verschiedener anderer Urheber nicht mehr zugänglich
wären.

Eine andere Möglichkeit besteht grundsätzlich
darin, in den Kommunikationsmechanismus der Rechner
der Endnutzer Filter einzubauen, mit deren Hilfe
bestimmte URLs ausgefiltert und damit gezielt der
Zugang zu bestimmten zu beanstandenden Inhalten
gesperrt werden kann. Ausweislich des Gutachtens
des Sachverständigen T stand dem V-Verein diese
Möglichkeit jedoch nicht zur Verfügung, da die
Universitäten als Endnutzer ihrerseits über zu
breit gegliederte Systemlandschaften verfügen, um
diese Lösung zu realisieren.

Schließlich besteht die Möglichkeit der
Ausfilterung bestimmter URLs über sog.
"Proxyserver". Diese Möglichkeit setzt voraus, daß
die Access Provider sog. Proxyserver installieren,
soweit sie-wie der V-Verein - über solche noch
nicht verfügen, daß sie weiter alle von ihren
Endnutzern eingehenden Anfragen zum Abruf
bestimmter Inhalte aus dem Internet über diese
Proxyserver leiten und darin bestimmte Filterregeln
einbauen, die es ermoglichen, diejenigen Anfragen
auszusondern, die bestimmte Internet Adressen
(URLs) mit strafrechtlich beanstandenswerten
Inhalten betreffen, und diese Anfragen von der
Weiterleitung auszuschließen. Da der V-Verein, wie
erwähnt, ausweislich der Sachverständigengutachten
bislang über derartige Proxyserver nicht verfügt,
hätte er diese zunächst anschaffen und installieren
müssen. Die von den beiden Sachverständigen
umfangreich erörterten Moglichkeiten, jede der
genannten Varianten zur Sperrung des Zuganges zu
den inkriminierten Inhalten sowohl seitens der
Einsteller der Texte beziehungsweise des
niederländischen Content Providers als technischem
Anbieter als auch seitens der Endnutzer zu umgehen,
müssen bei der Frage der Möglichkeit normgemäßen
Verhaltens außer Betracht bleiben, da zumindest der
konkrete Verbreitungsweg unterbrochen und der
Verbreitungserfolg in seiner konkreten Form damit
verhindert und darüber hinaus der Zugang zu den
inkriminierten Texten generell erschwert würde.

ff) Den Beschuldigten war es auch nicht von
vornherein unzumutbar, Maßnahmen zu ergreifen, um
den Zugang zu den inkriminierten Texten der
Druckschrift Z Nr. 154 zu unterbinden bzw. so weit
wie möglich zu erschweren. Im Rahmen der Prüfung
der Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens sind das
Ausmaß der zu unterbindenden
Rechtsgutsbeeinträchtigung einerseits und der dem
Handlungspflichtigen durch geeignete Gegenmaßnahmen
entstehende Aufwand andererseits gegeneinander
abzuwägen. Bei dieser somit gebotenen Zweck-Mittel-
Abwägung ist auch Raum für die Berücksichtigung des
Umstandes, wie verläßlich die
Rechtsgutsbeeinträchtigung durch die dem
Handlungspflichtigen angesonnenen Maßnahmen
tatsächlich verhindert werden kann.

Was das Ausmaß der Rechtsgutsbeeinträchtigungen
angeht, so sind zunächst die gesetzlichen Wertungen
zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat die in
Frage stehenden Straftaten (Werben für
terroristische Vereinigungen, öffentliche
Aufforderung zu Straftaten, öffentliche Billigung
von Straftaten) keineswegs der Bagatelikriminalität
zugeordnet, sondern vielmehr im Fall des §129a Abs.
3 StGB mit einer im Mindestmaß erhöhten
Freiheitsstrafe bedroht. Darüber hinaus ist zu
berücksichtigen, daß die ungehinderte Verbreitung
insbesondere auch von Anleitungen zu Straftaten
Nachahmungseffekte und damit weitere erhebliche
Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung
befürchten lassen.

Betrachtet man andererseits den für die
Gegenmaßnahmen erforderlichen Aufwand und die
weiteren Auswirkungen der einzelnen Maßnahmen auf
die Betätigung des Access Providers, so erscheint
es nicht zumutbar, den Zugang zu einem Server (im
vorliegenden Fall dem niederländischen Server P)
insgesamt oder doch zumindest bezüglich des
Dienstes "www" vollständig zu sperren. Dies gilt
jedenfalls dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, zu
erwarten ist, daß diese Sperrung über einen
längeren Zeitraum hindurch aufrechterhalten werden
muß. Zwar erfordert eine solche Maßnahme
ausweislich der vorliegenden
Sachverständigengutachten einen grundsätzlich
zumutbaren finanziellen beziehungsweise personellen
Aufwand. Es muß jedoch berücksichtigt werden, daß
ein Access Provider, der eine solche Sperrung
durchführt, den angeschlossenen Nutzern auch den
Zugang zu einer Vielzahl strafrechtlich
unbedenklicher oder sogar sozial erwünschter
Informationsangebote abschneidet. Im vorliegenden
Fall wiegt dies umso schwerer, wenn davon auch
wissenschaftliche Informationsangebote betroffen
sind, die der VVerein entsprechend seinem
satzungsgemäßen Zweck seinen Nutzern gerade
zugänglich machen will. Durch eine derartige
längerfristige Sperrung hätten die Beschuldigten
die Beeinträchtigung der grundsätzlich sozial
erwünschten satzungsgemäßen Betätigung des V-
Vereins in Kauf nehmen müssen und erhebliche
Schwierigkeiten im Verhältnis zu den
angeschlossenen Nutzern, bis hin zur Geltendmachung
von Schadensersatzansprüchen, riskiert.

Anders ist die dem V-Verein ebenfalls mögliche
Installation und Nutzung von Proxyservern mit
Filterprogrammen zu beurteilen. Da der V-Verein über
derartige Rechner bislang nicht verfügt, hätte deren
Anschaffung und Installation nach den Schätzungen
des Sachverständigen F allerdings zunächst einen
Aufwand von mehreren hunderttausend DM erforderlich
gemacht. Die Filterung aller eingehenden Abfragen
hätte, wie sich insbesondere aus dem Gutachten des
Sachverständigen S ergibt, darüber hinaus zu einer
Verlangsamung des Datendurchflusses geführt.
Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben,
daß eine derartige Maßnahme von vornherein nur eine
Erschwerung und keineswegs eine verläßliche
Unterbindung des Zuganges zu den beanstandeten
Texten auch für Nutzer des V-Vereins erwarten ließ.
Beide Sachverständigengutachten weisen auf
derartige Umgehungsmöglichkeiten eingehend hin. Daß
davon auch tatsächlich Gebrauch gemacht wurde,
belegen die Reaktionen auf Sperrungen, die einige
andere bundesdeutsche Internet Provider nach
Eingang entsprechender Hinweisschreiben der
Bundesanwaltschaft veranlaßt hatten. Hinzuweisen
ist dabei insbesondere auf die Möglichkeit, die
Adressen, unter denen die inkriminierten Inhalte
abrufbar sind (URLs), zu ändern, wovon der
niederländische Provider P neben anderen
Umgehungsmaßnahmen Gebrauch gemacht hat.
Hinzuweisen ist ferner auf die Möglichkeit, die
beanstandeten Inhalte auf andere Server in aller
Welt zu "spiegeln". So kursierten schon wenige Tage
nach der Sperrung des Zuganges zu dem Server P
beziehungsweise den Texten der Druckschrift Z durch
einige andere deutsche Providerfirmen Listen mit
über 40 Internet-Adressen, auf welchen die
beanstandeten Texte nunmehr ebenfalls abrufbar
waren.

All diese Erwägungen können jedoch nicht dazu
führen, die Installation von Proxyservern mit
entsprechenden Filterprogrammen von vornherein als
unzumutbar erscheinen zu lassen. Was zunächst den
finanziellen Aufwand angeht, so kann nicht außer
Betracht bleiben, daß der generelle Anschaffungs-
und Installationsaufwand nur einmal entsteht. In
künftigen, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu
erwartenden Fällen, in denen derartige
Sperrmaßnahmen wiederum erforderlich sein werden
(etwa auch zu kinderpornographischen Angeboten im
Internet), entstände sodann ein um ein vielfaches
geringerer finanzieller und personeller Aufwand.
Keines der beiden Sachverständigengutachten
berücksichtigt darüber hinaus das Modell, das der
"lnternet-Medienrat" im Oktober 1997 unter der
Bezeichnung "Web-Block" veröffentlicht hat. Dieses
Modell, das ebenfalls eine gezielte Aussonderung
von Anfragen ermöglichen würde, die bestimmte URLs
betreffen wird von den Verfassern der Studie mit
einem deutlich geringeren finanziellen Aufwand
(unter 100.000 DM) veranschlagt als die Einführung
der Proxyservertechnik in den im vorliegenden
Verfahren erstatteten Sachverständigengutachten,
wobei es sich allerdings durchgängig um nicht näher
belegte Angaben handelt Das in der genannten Studie
enthaltene Modell hätte darüber hinaus den Vorteil
daß nicht der gesamte Datenverkehr über Proxyserver
umgeleitet werden müßte, so daß die
Beeinträchtigung der Geschwindigkeit des
Datenflusses wohl deutlich reduziert werden könnte.
Ob dieses - bislang allerdings nicht erprobte-
Modell tatsächlich praktikabel und
erfolgversprechend ist und ob die in der Studie
enthaltenen finanziellen Angaben zutreffen, was in
verschiedenen Stellungnahmen bezweifelt wird, ließe
sich aber nur durch ein weiteres
Sachverständigengutachten klären.

Schließlich führt auch die von den Sachverständigen
S und T beschriebene Möglichkeitder Umgehung auch
der Filterung durch Proxyserver nicht zur
Unzumutbarkeit des Einsatzes dieser Technik. Wie
bereits erwähnt, wäre sie jedenfalls geeignet, den
Zugang zu den strafrechtlich relevanten Texten zu
erschweren, so daß dieser nur noch für Nutzer
möglich wäre, die ihrerseits über hinreichende
technische Kenntnisse verfügen, um auf anderem Weg
zu den genannten Texten zu gelangen. Was die
Möglichkeit der Spiegelung auf andere Server
anderer Provider angeht, so wäre es durchaus auch
möglich, bei Verfügbarkeit von Proxyservern mit
entsprechenden Filtern auch diese nach und nach in
die Sperrung miteinzubeziehen.

Eine endgültige Beurteilung der Frage der
Zumutbarkeit der Installation und des Einsatzes von
Proxyservern w-ie auch eventuell der Umsetzung des
Modells "Web-Block" mit entsprechenden
Filterprogrammen durch die Beschuldigten
beziehungsweise den V-Verein wäre somit erst nach
Erstattung zumindest eines weiteren
Sachverständigengutachtens möglich. Dies würde, wie
der bisherige Gangdes Verfahrens gezeigt hat, zu
einer nochmaligen erheblichen Verlängerung der
Dauer des Ermittlungsverfahrens führen.

b) Solcher weiterer zeitaufwendiger Ermittlungen
bedarf es indes nicht, da die Schuid der
Beschuldigten jedenfalls als gering im Sinne des §
153 Abs. 1 Satz 1 StPO anzusehen ist und auch die
übrigen Voraussetzungen fur eine Einstellung des
Verfahrens nach § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO vorliegen.

Zwar haben die Beschuldigten nicht alles ihnen
mögliche getan, um für die dem V-Verein
angeschlossenen Nutzer den Zugang zu den
strafrechtlich relevanten Texten der Druckschrift Z
Nr. 154 im Internet zu unterbinden. Insbesondere
haben sie keine Proxyserver zum Einsatz gebracht,
um eingehende Abrufanfragen zu den beanstandeten
Texten ausfiltern zu können. Den strafrechtlich
relevanten Vorwurf der Beihilfe zum Werben für
terroristische Vereinigungen, zur öffentlichen
Billigung von Straftaten und zur öffentlichen
Anleitung zu Straftaten begründet dies im konkreten
Falle allerdings erst fur den Zeitraum ab dem
21.4.1997. Nach ihrer unwiderlegten Einlassung sind
die Beschuldigten nämlich nicht völlig untätig
geblieben. Vielmehr wandte sich nach Erhalt des
Hinweisschreibens der Bundesanwaltschaftvom
10.9.1996 der Beschuidigte B als Geschäftsführer
des V-Vereins mit Schreiben vom 18.9.1996 an den
Geschäftsführer des niederländischen Internet-
Providers P und forderte diesen auf, die
inkriminierten Teile vom Server des
niederländischen Providers zu löschen. Aufgrund
einer unwiderlegbar versehentlich
unter einer falschen URL erfolgten Abfrage gingen die
Vorantwortlichen des V-
Vereins in der Folgezeit davon aus, daß der
niederländische Provider P dieser Aufforderung
nachgekommen sei. Dies jedenfalls teilten die
Beschuldigten B und A mit Schreiben vom 30.12.1996
dem Bundeskriminalamt mit. Auch dem weiteren
Schreiben der Beschuldigten B und E vom 21.1.1997
liegt diese Auffassung zugrunde. Aufgeklärt wurde
dieser Irrtum möglicherweise erst durch den Zugang
eines weiteren Schreibens des Bundeskriminalamts
vom 27.3.1997. Daß die Verantwortlichen des V-
Vereins durchaus gewillt waren, MaBnahmen gegen den
freien Zugang zu den strafrechtlich relevanten
Texten der Zeitschrift Z Nr. 154 zu unternehmen, wird
daraus deutlich, daß in der Folgezeit, zwischen dem
11. und dem 21.4.1997, der Zugang für die an den V-
Verein angeschlossenen Nutzerzu dem
niederländischen Server P insgesamt gesperrt war.
Allerdings wurde diese Sperrung am 21.4.1997 wieder
aufgehoben, insbesondere auch, um für
Anschlußnehmer des V-Vereins den Zugang zu
wissenschaftlich relevanien Informationen auf dem
Server P zu gewährleisten. Zu diesem Zeitpunkt
hatten nicht nur die Beschuldigten B und A als
Geschaftsführer des Vereins, sondern, wie sich aus
dem Schriftsatz vom 15.4.1997 ergibt, der Vorstand
des Vereins, also die Beschuldigten F, G und E,
Kenntnis von dem Vorgang.

In der Folgezeit unternahmen die Beschuldigten
keine Maßnahmen mehr, um den Zugang zu den Texten
der Zeitschrift Z zu unterbinden. Insbesondere
setzten sie die oben beschriebene Technik der
Installation von Proxyservern mit entsprechenden
Filtern nicht ein, die eine Ausfilterung von
Abfragen der strafrechtlich relevanten Texte ohne
Beeinträchtigung des Zuganges zu wissenschaftlich
relevanten Informationen ermöglicht hätte. Auch
insoweit muß indes das Verschuiden der
Beschuldigten als gering angesehen werden. Dabei
ist zum einen zu berücksichtigen, daß auch in der
juristischen Fachliteratur sowohl die Frage einer
generellen Rechtspflicht von Access Providern zur
Unterbindung des Zuganges zu inkriminierten
Angeboten im Internet als auch die Frage des
hierfür zumutbaren Aufwandes - auch unter
Berücksichtigung der beschriebenen
Umgehungsmöglichkeiten - in hohem Maße umstritten
war, mithin von einer ungeklärten Rechtslage
ausgegangen werden mußte. Zu berücksichtigen ist
auch, daß es sich bei dem V-Verein um einen
nichtkommerziellen Anbieter handelt, für den die
mit der Installation und dem Betrieb von
Proxyservern verbundenen sachlichen und personellen
Aufwendungen stärker ins Gewicht fallen dürften als
für einen Anbieter, der mit der Vermittlung von
Internet-Zugängen erhebliche Gewinne
erwirtschaftet.

Ist demnach die Schuid aller Beschuldigten auch
dann, wenn man von der Zumutbarkeit der oben
beschriebenen Maßnahmen ausgeht, als gering
anzusehen, so sind auch andere Gründe für ein
öffentliches Interesse an der Verfolgung der
Beschuldigten nicht ersichtlich. ...