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CompuServe-Chef vor Gericht
- To: "debate@fitug.de" <debate@fitug.de>
- Subject: CompuServe-Chef vor Gericht
- From: "Gunnar Anzinger" <a@gksoft.com>
- Date: Wed, 13 May 1998 18:00:15 +0200
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Priority: Normal
- Reply-To: "Gunnar Anzinger" <a@gksoft.com>
- Sender: owner-debate@fitug.de
aus "http://www.heise.de/newsticker/data/ad-12.05.98-000/":
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Seit heute muß sich der ehemalige Geschäftsführer der CompuServe
Deutschland GmbH, Felix Somm, vor dem Amtsgericht München verantworten.
Zur Last gelegt wird ihm die Verbreitung von jugendgefährdendem und
strafbarem Material wie kinderpornografischen Bildern durch CompuServe.
Die Anklageschrift stützt sich nicht nur auf elf Bilder, die
Kriminalbeamte von Ende 1995 bis Oktober 1996 über CompuServe aus
Newsgroups bezogen hatten, sondern auch auf die Zugänglichmachung der
indizierten Spiele Doom und Wolfenstein 3D in
CompuServe-Dateibereichen.
Das Verfahren droht zur Nagelprobe für das Teledienste-Gesetz zu
werden. Es spricht in Paragraph 5, Absatz 3, einen reinen
Access-Provider von der Verantwortung für den Inhalt übertragener Daten
weitgehend frei und wirkt rückwirkend entlastend. Fraglich bleibt im
Prozeß, ob CompuServe als Service-Provider oder Access-Provider tätig
war. So wies auch Staatsanwalt Franz von Hunoltstein darauf hin, daß
Somm gar nicht vor Gericht stehen würde, wäre CompuServe nur ein reiner
Access-Provider.
Richter Hubbert ließ sich am Vormittag des ersten Prozeßtages vom
Sachverständigen des BSI (Bundesamt für Sicherheit in der
Informationstechnik), Dr. Fuhrwerk, zunächst über die Funktionsweise
von News-Diensten aufklären. Dr. Fuhrwerk betonte, daß eine komplette
Inhaltsüberwachung unter anderem wegen mehrfach verteilten Dateien
(Crosspostings) technisch nicht machbar sei. Auch eine Filterung auf
Paketebene zwischen den USA und Deutschland scheide aus. Er zweifelte
die Beweiskraft eines vom Richter lediglich als Beispiel vorgelegten
Ausdrucks eines beanstandeteten News-Beitrages an, auf dem als zuletzt
beteiligter Server "news.compuserve.com" zu lesen war: "Namen haben für
mich im Internet keine Bedeutung". Er spielte damit auf die einfache
Fälschbarkeit einer solchen Angabe an. Allerdings räumte Dr. Fuhrwerk
ein, daß eine gezielte Sperrung von News-Groups anhand ihrer Namen
möglich sei.
Verstärkung erhält Somm durch Prof. Dr. Ulrich Sieber, der als Anwalt
und Experte in Sachen Informationsrecht und Rechtsinformatik der
Verteidigung angehört. Der bisher unter anderem für den Rechtsausschuß
des Bundestags als Sachverständiger tätige und vor der OECD und der
europäischen Kommission aufgetretene Jurist legte heute eine 18 Seiten
umfassende Stellungnahme für den Angeklagten vor. Sein Motiv: "Der
Wissenschaftler ist gefordert, wenn die Justiz in einem derart
wichtigen Verfahren die falsche Person verfolgt, das Recht falsch
anwendet und dabei die Entwicklung des Internet in Deutschland
schädigt."
Mit einem schnellen Ende des Prozesses ist nicht zu rechnen; der
Richter bestand auf einer Aufrechterhaltung der Vorladungen für die
Zeugen, und auch der Sachverständige soll am 20. Mai nochmals gehört
werden. (nie) (ct/ad)
12.05.98
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