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CompuServe-Chef vor Gericht



aus "http://www.heise.de/newsticker/data/ad-12.05.98-000/":

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Seit heute muß sich der ehemalige Geschäftsführer der CompuServe 
Deutschland GmbH, Felix Somm, vor dem Amtsgericht München verantworten. 
Zur Last gelegt wird ihm die Verbreitung von jugendgefährdendem und 
strafbarem Material wie kinderpornografischen Bildern durch CompuServe. 
Die Anklageschrift stützt sich nicht nur auf elf Bilder, die 
Kriminalbeamte von Ende 1995 bis Oktober 1996 über CompuServe aus 
Newsgroups bezogen hatten, sondern auch auf die Zugänglichmachung der 
indizierten Spiele Doom und Wolfenstein 3D in 
CompuServe-Dateibereichen. 

Das Verfahren droht zur Nagelprobe für das Teledienste-Gesetz zu 
werden. Es spricht in Paragraph 5, Absatz 3, einen reinen 
Access-Provider von der Verantwortung für den Inhalt übertragener Daten 
weitgehend frei und wirkt rückwirkend entlastend. Fraglich bleibt im 
Prozeß, ob CompuServe als Service-Provider oder Access-Provider tätig 
war. So wies auch Staatsanwalt Franz von Hunoltstein darauf hin, daß 
Somm gar nicht vor Gericht stehen würde, wäre CompuServe nur ein reiner 
Access-Provider. 

Richter Hubbert ließ sich am Vormittag des ersten Prozeßtages vom 
Sachverständigen des BSI (Bundesamt für Sicherheit in der 
Informationstechnik), Dr. Fuhrwerk, zunächst über die Funktionsweise 
von News-Diensten aufklären. Dr. Fuhrwerk betonte, daß eine komplette 
Inhaltsüberwachung unter anderem wegen mehrfach verteilten Dateien 
(Crosspostings) technisch nicht machbar sei. Auch eine Filterung auf 
Paketebene zwischen den USA und Deutschland scheide aus. Er zweifelte 
die Beweiskraft eines vom Richter lediglich als Beispiel vorgelegten 
Ausdrucks eines beanstandeteten News-Beitrages an, auf dem als zuletzt 
beteiligter Server "news.compuserve.com" zu lesen war: "Namen haben für 
mich im Internet keine Bedeutung". Er spielte damit auf die einfache 
Fälschbarkeit einer solchen Angabe an. Allerdings räumte Dr. Fuhrwerk 
ein, daß eine gezielte Sperrung von News-Groups anhand ihrer Namen 
möglich sei. 

Verstärkung erhält Somm durch Prof. Dr. Ulrich Sieber, der als Anwalt 
und Experte in Sachen Informationsrecht und Rechtsinformatik der 
Verteidigung angehört. Der bisher unter anderem für den Rechtsausschuß 
des Bundestags als Sachverständiger tätige und vor der OECD und der 
europäischen Kommission aufgetretene Jurist legte heute eine 18 Seiten 
umfassende Stellungnahme für den Angeklagten vor. Sein Motiv: "Der 
Wissenschaftler ist gefordert, wenn die Justiz in einem derart 
wichtigen Verfahren die falsche Person verfolgt, das Recht falsch 
anwendet und dabei die Entwicklung des Internet in Deutschland 
schädigt." 

Mit einem schnellen Ende des Prozesses ist nicht zu rechnen; der 
Richter bestand auf einer Aufrechterhaltung der Vorladungen für die 
Zeugen, und auch der Sachverständige soll am 20. Mai nochmals gehört 
werden. (nie) (ct/ad)

12.05.98 
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