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Ein bayerischer Amtsrichter macht Bonner Gesetz zur Makulatur
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- Subject: Ein bayerischer Amtsrichter macht Bonner Gesetz zur Makulatur
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- Date: Thu, 28 May 1998 18:32:30 +0200
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Donnerstag, 28. Mai 1998, 15:41 Uhr
Ein bayerischer Amtsrichter macht Bonner Gesetz zur Makulatur
Rechtssicherheit in Frage
Von AP-Korrespondent Thomas Wiegold
München/Bonn (AP) Zehn Monate nach seinem Inkrafttreten ist das neue
Multimediagesetz des Bundes vom bayerischen Amtsrichter Wilhelm Hubbert
zunächst einmal zur Makulatur erklärt worden. Mit dem Urteil gegen den
früheren CompuServe-Chef Felix Somm, den Hubbert am Donnerstag in
München wegen Verbreitung von Pornographie zu zwei Jahren Haft auf
Bewährung verurteilte, ist zunächst eins klar: Die Rechtssicherheit,
die die Bundesregierung den Anbietern von Zugängen zum weltweiten
Computernetzwerk Internet versprochen hatte, hat vor Gericht offenbar
keinen Bestand.
Somm hatte als Deutschland-Chef des Online-Dienstes das getan, was
hunderte von großen und kleinen Unternehmen, von der Deutschen Telekom
bis zum Mittelständler mit einem Angestellten, jeden Tag tausendfach
tun: Computerbesitzern den Zugang zum Internet vermitteln. Diesen
sogenannten Providern hatte Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers
Anfang August vorigen Jahres zugesichert: "Das Gesetz beseitigt
bestehende Unsicherheiten für Anbieter durch klare Bestimmung der
Verantwortlichkeit für Inhalte." Denn für strafbare Angebote im
Computernetz sei er nicht verantwortlich, "wenn er die fremden Inhalte
lediglich durchleitet".
Nun hat Somm niemandem vorgeworfen, daß er selbst pornographisches
Material angeboten habe. Ob CompuServe nicht ein klassischer Fall des
"Durchleitens" ist, von dem Rüttgers sprach, wird der 34jährige nun als
Vorbestrafter überlegen können. Dabei hatte Somm alles getan, um den
deutschen Behörden entgegenzukommen: Gegen wütenden Protest der Nutzer
sperrte CompuServe für seine Kunden 200 Diskussionsforen im Internet,
die möglicherweise etwas mit Pornographie oder Rechtsrextremismus zu
tun haben könnten. Die Münchner Staatsanwaltschaft, die diese Sperrung
veranlaßt hatte, wurde damit in den USA zum Sinnbild des Deutschen, der
die Zensur vergangener Zeiten wieder aufleben läßt.
Keine Grenzen des deutschen Rechts?
Auch das neue Urteil wird voraussichtlich vor allem internationale
Auswirkungen haben. "Als Ergebnis des Verfahrens hatte ich Aufschluß
über Reichweite und Grenzen deutschen Rechts" gegenüber dem Internet
erwartet, sagte der Bundesdatenschutzbeauftragte Joachim Jacob. Mit
einem solchen "irritierenden Strafmaß" habe er "wegen der begrenzten
Einwirkungsmöglichkeiten eines Zugangsvermittlers" nicht gerechnet.
Die Deutsche Telekom, mit gut zwei Millionen Kunden ihres Dienstes
T-Online der größte Anbieter in Deutschland, hielt sich mit Kommentaren
zurück und wollte erst die Urteilsbegründung abwarten. Auch den anderen
großen Internet-Providern in der Bundesrepublik verschlug es erst
einmal die Sprache. Die Kommunikationsexperten äußerten sich bei Anruf
spontan empört - doch offiziell Stellung nehmen wollte zunächst keiner.
Die Politik blieb am Tag des Urteils ebenfalls erst einmal weitgehend
stumm. Der Bundesforschungsminister, der im vergangenen Jahr noch
verkündet hatte "Die Signale für Investition und Innovation im Internet
und anderen Multimedianetzen stehen auf Grün", wollte auch erst die
Urteilsbegründung prüfen und das Ergebnis "in die zur Zeit laufende
Evaluierung" des Gesetzes einbeziehen. Ähnlich zurückhaltend blieb die
FDP. Nur der Internet-Experte der SPD, Jörg Tauss, ahnte schon die
Auswirkungen: "Damit kommt einem bayerischen Amtsgericht das
zweifelhafte Verdienst zu, das Internet in Deutschland zu ruinieren."
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