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Re: taz Bremen: Rechtsradikale Propaganda im Internet
- To: debate@fitug.de
- Subject: Re: taz Bremen: Rechtsradikale Propaganda im Internet
- From: fit-debate@dream.hb.north.de (Martin Schroeder)
- Date: Tue, 7 Jul 98 20:21:59 +0200
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In <v021305b3b1c69ca6bd99@[23.23.23.10]> wau@ccc.de (Wau Holland) writes:
>mail zur bremer frage.
>meine haltung ist hart und klar und oeffentlich.
>http://www.nadeshda.org/medien4.html
>straffreiheit auch fuer nazis im internet,
>solange sie gewaltlos meinungen aeussern.
>das gaestebuch ist fuer mich ein grenzfall.
>auf meinem klo sind zwar klosprueche von gaesten ok,
>aber faschistische propaganda wird entfernt.
[...]
>ich trete fuer die grundrechte der nazis ein.
O.K.
Die für mich derzeit viel spannendere Frage: Warum ermittelt die Bremer
Staatsanwaltschaft gegen ISB, wenn die sich von den Nazis öffentlich
distanziert haben? Oder darf man nicht mehr zitieren, wogegen man ist?
Zwischenfrage: Wie wird eigentlich gerichtsverwertbar der Inhalt einer
Webseite dokumentiert?
Artikel in der taz von heute (mit Photo von Ralf :-)):
----------------- schnipp -----------------
Staatsanwälte sollen entscheiden
Ralf Röber vom Internet-Provider ISB zum Problem rechtsradikaler Propaganda
im weltweiten Datennetz
_Antisemitische Propaganda stand längere Zeit im Internet im Gästebuch
der Internationalen Stadt Bremen, einem Projekt des Bremer
Internet-Providers ISB. ISB kommentierte den Eintrag zwar
entsprechend, ließ den Hetzartikel aber auf seinen Seiten stehen -
Zensur im Internet lehne man ab, hieß es. (vgl. taz, 30.6.) Jetzt
ermittelt die Staatsanwaltschaft. Wir fragten dazu ISB-Chef Ralf
Röber_.
_taz: Was ist seit dem Bericht über Ihr Gästebuch passiert?_
_Ralf Röber:_ Wir haben eine große Anzahl von Anfragen bekommen, ob
wir Leuten diesen Artikel schicken können. Andere haben gefragt, ob
wir jetzt die Seiten gewechselt haben und rechtsradikal sind.
_Sind Sie?_
Natürlich nicht.
_Hat sich denn nach den Reaktionen auf den taz-Artikel ihre
Einschätzung geändert, wie man mit rechtsradikaler Propaganda umgehen
sollte?_
Wenn solche Sachen publiziert werden, können wir nicht als
Hilfssheriff auftauchen.
_Was werden Sie also machen?_
Wenn irgendwelche Personen sich durch irgendwelche Äußerungen, die
über unsere Seiten verbreitet werden, betroffen fühlen, dann werden
wir diese Äußerungen an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Die soll
dann sagen wie nach dem Gesetz damit umzugehen ist.
_Ist die Staatsanwaltschaft nicht völlig überfordert, wenn die jetzt
mit soundsovielen Internet-Verstößen bombardiert wird?_
Möglich. Es weiß ja keiner, wie wir damit umgehen sollen.
_Ist es denn ermittelbar, wer diesen Eintrag auf Ihre Seiten gegeben
hat? Hat sich die Staatsanwaltschaft schon gemeldet?_
Bisher hat noch niemand nachgefragt, von wem der Gästebucheintrag
kommt. Nachvollziehbar ist das für Service-Provider, die ihre
Log-Files aufbewahren und dokumentieren müssen auf jeden Fall - in
gewissen Grenzen. Wir können sagen, der oder der Rechner oder der oder
jener Online-Zugang hat zu dieser speziellen Uhrzeit diese Nachricht
über uns abgesetzt.
_Warum gehen Sie nicht vor Gericht? Sie sind unverdächtig,
rechtsradikal zu sein. Ein Prozeß wäre doch eine Gelegenheit, sich als
Kämpfer für die freie Meinungsäußerung zu profilieren._
Wir tragen uns ernsthaft mit dem Gedanken einer Selbstanzeige. Mir
drohen maximal drei Jahre Gefängnis plus Geldstrafe. Obwohl ich mir
nicht vorstellen kann, daß Richter in Bremen so aggressiv reagieren
wie in Bayern. Die haben ein gekreuzigtes Schwein _(das Logo einer
Rock-Band, d. Red.) _im Internet verboten, auf T-Shirts aber erlaubt.
_Sind denn in Deutschland die rechtlichen Grundlagen für die
Entscheidung gegeben, ob und wie man eingreift?_
Über den Umgang mit Äußerungen, ob sie nun links- oder rechtsradikal
sind, Aufforderungen zur Gewalt, sexistische Darstellungen, muß auf
jeden Fall diskutiert werden - man soll nicht wegschauen. Daß das
Internet das ganze beschleunigt, liegt einfach daran, daß wir hier das
erste Mal ein Medium haben, das eine Massenverbreitung hat wie
Zeitungen oder das Fernsehen. Es ist für jeden möglich, zu
publizieren. Und das zu Kosten, die so gering noch nie waren und in
einer Geschwindigkeit, die auch noch nicht bekannt war. Und das über
Ländergrenzen hinweg, weltweit.
_Es ist natürlich ein Unterschied, ob man Daten nur weiterleitet oder
ob man Seiten hat, die man selbst betreut. Eigene Seiten kann man
schon kontrollieren._
Richtig, aber nach welchem Recht soll ich handeln? Für die USA ist
das, was in unserem Gästebuch stand, kein Problem.
_Gibt es denn bei Ihnen eine Idee, wie das in Zukunft aussehen könnte.
Denn die charmante Idee vom völlig freien Fluß der Information
funktioniert doch nicht._
Davon können wir uns verabschieden. Völlig frei ist das nicht. Aber
daß Internet-Service-Provider anfangen zu zensieren, ist technisch
superschwierig, fast nicht möglich. Die Frage ist, wie wir mit
faschistischen, rassistischen oder sexistischen Äußerungen umgehen.
Handeln wir nach amerikanischem oder deutschem oder islamischem Recht?
Was ist, wenn der Abrufende in Bremen sitzt, aber die Seiten in
England liegen oder in den USA? Hinzu kommt, daß das Ganze dynamisch
ist. Es ist immer nur ein Schnappschuß. In dem Augenblick, in dem das
Laden der Seite beendet ist, funktioniert das alles nicht mehr. Ich
kann heute nicht mehr nachvollziehen, wie das Gästebuch aussah, als
der Eintrag noch drin war.
_Kann man etwas machen wie eine freiwillige Selbstkontrolle?_
Freiwillige Selbstkontrolle würde bedeuten, daß wir uns zum
verlängerten Arm der Staatsanwaltschaft machen. Wir sollten den
Gedanken aufgeben, Internet-Service-Providern aufzuerlegen, alles zu
dokumentieren. Das sind Datenmengen die wir durch die Gegend schieben,
die kann man nicht kontrollieren. Zumal es eigentlich unsere Aufgabe
sein sollte, die Daten möglichst schnell weiterzugeben. Wenn man jetzt
jedes Bit einzeln angucken muß, das würde den Datenverkehr behindern.
Das wäre so, wie wenn man die Polizei auffordere, den gesamten
Autoverkehr zu kontrollieren, weil unter Umständen Autodiebe auf den
Straßen unterwegs sind.
Fragen: Christoph Dowe und Joachim Fahrun
TAZ-BREMEN Nr. 5575 vom 07.07.1998 Seite 22 Bremen Aktuell 164 Zeilen
Interview C.Dowe / J.Fahrun
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Martin Schr"oder -- MS@Dream.HB.North.DE