Für
Microsoft steht viel auf dem Spiel
Für den US-Softwarekonzern Microsoft hat die entscheidende Phase in zwei hochkarätigen Gerichtsverfahren begonnen. Beide Fälle könnten die Geschäftspolitik der Firma von Bill Gates grundsätzlich ändern. So eröffnete am Dienstag ein Bundesgericht im kalifornischen San Jose eine zunächst auf drei Tage angesetzte Anhörung über eine Klage des Computerherstellers Sun Microsystems, bei der um die Programmiersprache Java gestritten wird. Und am 23. September soll die mündliche Verhandlung im Monopolverfahren der US-Bundesregierung gegen die weltgrößte Softwareschmiede beginnen.
Sun, einer der streitlustigsten Microsoft-Gegner, besitzt das Copyright auf Java. Die Programmiersprache wird aufgrund einer eingebauten Übersetzungsmaschine von allen Rechnern verstanden, gleichgültig welches Betriebssystem sie benutzen. Bill Gates sieht in Java darum eine ernste Bedrohung für sein Windows-Betriebssystem, das in rund 90 Prozent aller Personalcomputer als Basis-Software dient. Dieses Microsoft-Monopol könnte nämlich ins Wanken kommen, wenn Anwendungsprogramme, wie etwa Textverarbeitung oder Tabellenkalkalkulation, durch Java nicht mehr von der Windows-Plattform abhängig wären.
Aus diesem Grund, so der Vorwurf von Sun, hat Microsoft eine eigene Java-Version für Windows geschrieben, die mit anderen Versionen nicht vollständig kompatibel ist. Damit versuche Gates nicht nur das Computer-Esperanto zur Privatsprache zu machen, er verletze auch den zwei Jahre alten Lizenzvertrag. Seit einer vorläufigen Gerichtsentscheidung im März darf Microsoft auf seinen Produkten schon nicht mehr damit werben, daß Windows oder der Web-Browser Internet Explorer Java-kompatibel seien.
Bei der Anhörung am Dienstag erklärten die Microsoft-Vertreter, ihre Firma habe laut Lizenzvertrag das Recht, Java zu verändern. Darüber seien sich beide Unternehmen bei Vertragsabschluß klar gewesen. Sun wolle nun lediglich geschäftliche Interessen auf dem Umweg über den Gerichtssaal durchsetzen.
Für beide Firmen steht bei diesem technisch hochspezialisierten Prozeß wirtschaftlich viel auf dem Spiel. Sollte Sun verlieren, wäre der bislang stärkste Angriff gegen das Windows-Monopol abgewehrt. Sollte Microsoft unterliegen, dürften wohl Windows 98 und der Internet Explorer solange nicht mehr vertrieben werden, bis die Programmierer in Redmond die Software umgeschrieben haben. Langfristig könnte Windows zudem an Bedeutung verlieren.
Am zweiten juristischen Kampfplatz lieferte der Gates-Konzern am Dienstag eine 48seitige Stellungnahme ab, in der das Monopolverfahren des amerikanischen Justizministeriums und von 20 Bundesstaaten als völlig unbegründet dargestellt wird. Die Kläger versuchen, das Gericht von den fatalen Schwächen ihrer Vorwürfe abzulenken, indem sie mit soviel Dreck wie möglich werfen und zahlreiche irrelevante Dinge herausstellen, die lediglich Tatsachen vernebeln, heißt es in dem Schriftsatz. Die Microsoft-Anwälte beantragen, das Verfahren einzustellen. Die in den letzten Tagen vorgelegten neuen Beweise des Justizministeriums hätten nichts mit dem ursprünglichen Fall zu tun. Im vergangenen Jahr hatte Justizministerin Janet Reno die Softwareschmiede verklagt, da sie ihr Windows-Monopol dazu nutze, auch die Vorherrschaft im Internet zu erlangen.
Eine große Überraschung bei den nun angesetzten
Verhandlungen ist, daß Bill Gates nicht im
Washingtoner Gerichtssaal auftreten wird. Der
Microsoft-Chef mußte sich bereits in
Vorverhandlungen drei Tage lang nicht-öffentlich
verhören lassen. An entscheidenden Punkten soll er
sich jedoch mehrmals auf Erinnerungslücken berufen
haben.
Nun werden für den Softwarekonzern acht leitende
Mitarbeiter aussagen. Das Justizministerium versucht, mit
dem Chef von
Netscape,
Jim Barksdale sowie Vertretern von
Intel,
Boeing,
IBM
und
America Online
Microsofts, das
wettbewerbswidrige Verhalten von Microsoft zu belegen.
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