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Re: [telepolis] Verlust der Geschichte (fwd)



On Thu, 1 Oct 1998, Martin Rost wrote:

> Es wird sozusagen Entwarnung signalisiert, kognitiv stehen die
> Zeichen auf Entspannung. Faktisch jedoch sind die Minen zur
> Modernisierung der Organisationen und der Gesellschaft insgesamt
> gelegt. Die Technisierung der Kommunikation faengt jetzt erst an.
> Bislang wurde nur alles getan, um die alten Papiertechniken auf den 
> neuen Maschinen zu simulieren.

Hoffentlich.  Viele grosse Visionen wurden spaeter von schlechteren
Techniken dauerhaft in eine Randexistenz gedraengt.

> Rost, Martin, 1996c: Vorschläge zur Entwicklung einer
> Diskurs-Markup-Language; in: Heibach, Christiane/ Bollmann, Stefan
> http://www.netuse.de/~maro/mr_dml.html

Also noch eine Hypertextebene zwischen HTML und Lojban.  Das erfordert
kollektive Willensakte, Bildungsanstrengungen und eine Berufsgruppe, die
Artikelschreibern auf die Spruenge hilft.  Ein Wissenschafts-Web, in dem
Hypertextspezialisten die Redaktion fuehren.  

Das geht ganz gegen die Vermassungstendenz unseres Zeitalters.  Ich
wuensche so etwas, aber es laesst sich vermutlich nicht mit dem System
"Marktwirtschaft und Demokratie" erreichen.  Man braucht eine andere
Republik nach dem Modell des Wissenschafts-, Bildungs- und
Pruefungswesens: die Gesellschaft als eine Schule, in der man sich nicht
die einmalige "Reife" sondern (nach offengelegten Kriterien) abgestufte
Mitspracherechte erwirbt. Auch das laesst sich ueber die Datennetztechnik
erstmals realisieren. 

> Darin diskutiere ich die Aspekte einer wissenschaftlichen DML,
> ausgehend vom SGML-Paradigma der Trennung von Layout, Struktur und
> Daten. (Meine ganz persoenliche, schlagartig fuer Licht sorgende 
> Kurzdefinition fuer Struktur in diesem Zusammenhang ist: 
> Absendeadresse ist nicht Empfaengeradresse.)

Hier ist dir der Text wohl an der entscheidenden
Stelle durcheinandergeraten.
 
> SGML ist demnach vermutlich schon nicht mehr die beste der moeglichen
> Antworten, wie die Daten des kollektiven Gedaechtnisses optimal
> (naemlich dynamisch zugaenglich und nicht bloss als dump)
> aufzubereiten waeren.

Das "kollektive Gedaechtnis" ist ein gutes Stichwort.  Manche reden von
"kollektivem Bewusstsein" oder einer sich verselbststaendigenden
Informationswelt (Welt 3).  Diese Welt ist ein
zusammenhaengender oeffentlicher Bereich, fuer den "la propriete c'est le
vol" noch mehr als fuer den Grundbesitz gilt.

Ich habe vor ein paar Jahren frustriert eine lange Liste der
Unzulaenglichkeiten von SGML aufgestellt und in comp.text.sgml einen
Flameware angefacht.  Hauptpunkte waren:
* SGML-Dokumente sind Hierarchiebaeume: jedes Dokument ein Baum.
  In Wirklichkeit kommen in Texten aber mehrere Hierarchien nebeneinander
  vor, so dass man z.B. unmoegliche Konstrukte wie
  <text> ...  <floatfig> ... </text> <text> ... </floatfig> ... </text>
  braeuchte, wobei <floatfig> </floatfig> den Bereich bezeichnet, in dem
  eine Abbildung referenziert wird.
  Die von Diskursstruktur (-->DML) passt ueberhaupt nicht in die normale
  SGML-Struktur hinein.
* SGML kennt keine lokalen Definitionen innerhalb eines Dokumentes
* SGML kennt keine Funktionen, es ist das Gegenteil einer funktionalen
  Sprache.  Texte lassen sich aber gerade sehr gut funktional beschreiben.

--
Hartmut Pilch
http://www.a2e.de/phm/