[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
[FYI] Der scharfe Schily (IV)
- To: debate@fitug.de
- Subject: [FYI] Der scharfe Schily (IV)
- From: Horns@t-online.de (Axel H. Horns)
- Date: Thu, 26 Nov 1998 08:37:51 +0100
- Comment: This message comes from the debate mailing list.
- Comments: Sender has elected to use 8-bit data in this message. If problems arise, refer to postmaster at sender's site.
- Organization: Private Site
- Priority: normal
- Reply-to: horns@t-online.de
- Sender: owner-debate@fitug.de
http://www.taz.de/~taz/981126.taz/is_T981126.242.html
--------------------------------- CUT -----------------------------
Vorbild Bayern
Auch Otto Schily läßt surfen: Das
Bundeskriminalamt richtet eine
Sonderdienststelle zur "anlaßunabhängigen
Kontrolle" des Internets ein
Wenn es um Kinderpornographie geht, will die
neue Regierung in Bonn nicht hinter der alten
zurückstehen - und Otto Schily schon gar nicht.
Anlaß bot dem Innenminister seine erste
Konferenz mit Länderkollegen vom vergangenen
Freitag. Nordrhein-Westfalens Innenminister
Behrens brachte eine Initiative ein, wonach beim
Bundeskriminalamt in Wiesbanden eine
"Zentralstelle zur Bekämpfung der
Internet-Kriminalität" eingerichtet werden möge.
Die neue Sonderabteilung soll - nach bayerischem
Vorbild - "anlaßunabhängige" Recherchen im
Internet durchführen. Zwar warnen Datenschützer
schon länger vor solchen Plänen. Ermittlungen
gegen beliebige Personen ohne konkreten
Tatverdacht sind kaum mit dem Schutz der
Privatsphäre vereinbar. "Anlaßunabhängige
Kontrollen" seien auch im Internet "ein
diffiziles Gebiet", sagte letzte Woche auch der
Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein.
Doch Otto Schily ließ sich davon nicht
beeindrucken. Die Zentralstelle werde "das
Internet und die Onlinedienste" nach
"strafrechtlich relevantem Material
durchforsten", sagte er nach der Konferenz in
Bonn. Sie werde ihre Erkenntnisse an die
Straverfolgungsbehörden der Länder weiterleiten
- angesichts der "schrecklichen und
verabscheuungswürdigen Vorgänge bei der
Kinderpornographie" sei die Amtshilfe "nicht zu
unterschätzen".
Das Bundeskriminalamt solle ihnen in zwölf
Monaten einen "Erfahrungsbericht" vorlegen,
beschlossen die Landesinnenminister außerdem.
Doch unabhängig davon, was die Netzpolizei in
Wiesbaden ermittelt, steht für die Regierungen
der Länder ohnehin fest, daß der
Kinderpornographie im Internet nur mit noch
schärferen Strafen und noch mehr Kontrolle
begegnet werden könne. Bayern hat kürzlich in
einer Bundesratsinitiative auch noch die
erweiterte Überwachung des Fernmeldeverkehrs,
die Anhebung der Mindeststrafe bei Verbreitung
von Kinderpornographie von drei auf sechs Monate
und die Anhebung der Höchststrafe bei Besitz von
Kinderpornographie von einem Jahr auf drei Jahre
gefordert.
[...]
Nach dem Wunsch vieler Politiker und
Kinderschutzinitiativen sollten die Fahnder auch
eigene Angebote ins Netz stellen dürfen, um
Konsumenten zu ermitteln und zu bestrafen - dies
tut das FBI nach Angaben des
Kinderporno-Spezialisten Detlef Drewes schon
lange. Die letzte Konsequenz solcher Szenarien
wäre ein Cross-Posting in die am häufigsten
frequentierten Usenet-Diskussionsforen mit einem
Verweis auf den Kinderporno-Server. Je weniger
dabei deutlich wird, daß man bei einem falschen
Klick in der Ermittlungsfalle landet, desto mehr
ahnungslose Surfer gehen ins Netz. Durch die
Protokolle der Provider und des Servers kann die
Identität ermittelt werden. Der Rest ist
Sammelarbeit. Das steigert die Aufklärungsquote
und ist ein gefundenes Fressen für die Medien:
ein neuer Schlag gegen die brutale
Kinderschänder-Mafia im Internet.
[...]
Auch die schärfere Verfolgung von Kinderpornos
im Netz trifft nicht den kommerziellen Markt.
Sie fördert eher - ungewollt - die weitere
sexuelle Ausbeutung von Kindern. Die
Abgeordneten, die vor fünf Jahren das
Besitzverbot beschlossen, waren sich dieser
Zusammenhänge nicht bewußt. Ob ein Umdenken
heute noch möglich ist, erscheint fraglich.
Roland Beck
rbeck@gmx.de
TAZ Nr. 5696 vom 26.11.1998 Seite 19 Internet
308 Zeilen
TAZ-Bericht Roland Beck
--------------------------------- CUT -----------------------------