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Re: Urheberrecht - Re: International Lyrics Server



Ralf:
> Rigo:
> > Die Abschaffung des Urheberrechts steht nicht zur Debatte, 
> > da sogar die GNU-License letztlich darauf basiert.
> 
> Exakt.  Wo es aber Spielraum gibt/geben sollte, ist die Frage,
> was nach Tod deS AutorS passiert.

Wer das Kulturrevolutionslied "Der Osten ist rot" (Dongfang hong) 
unbekuemmert in einer Geschichtsdokumentation in Deutschland ausstrahlt,
muss mit einer Zivilklage rechnen: die Rechte gehoeren den Nachfahren der
Urheber, und China ist Mitglied internationaler Urheberrechtsabkommen. 

Aus dieser Rechtslage ergibt sich, dass jede Fernsehsendung in China wie
bei uns eigentlich in folgender Reihenfolge organisiert wird: 

(1) Antichambrieren bei der Werbewirtschaft (Saeulenindustrie der
    Informationsgesellschaft)
(2) Beauftragung einer Agentur mit dem Kauf der Urheberrechte 
(3) Gestaltung der Sendung im Hinblick auf Zuschauerquote, d.h.
    zunaechst Hypnose des Zuschauers durch Ansprechen von Urinstinkten
(4) optional: Umsetzung geistreicher Konzepte, soweit nicht hinderlich

Bevor diese Rechnung stimmt, ist an eine Sendung gar nicht zu denken.
So ergibt sich die vielbeklagte Herrschaft des Kapitals ueber den Geist.

Ich wuerde mich dafuer interessieren, wie man so etwas wie "freies
Fernsehen" aufbauen koennte, fuer das solche Prinzipien nicht gelten.  In
Deutschland hat etwa Alexander Kluge mit seiner Firma DTCP gewisse
Sonderrechte auf ein nicht-kommerzielles Fernsehen erworben.  Darueber
fluchen RTL & Co, denn einige SPD-Landesregierungen haben das auf deren
Kosten durchgesetzt.  Die DTCP-Sendungen stossen auch dauernd an die
Grenzen des Urheberrechtes, und Kluge als gelernter Jurist schoepft den
Rechtsspielraum voll aus.  Nur koennte vermutlich auch DTCP nicht ohne
Probleme das vollstaendige Lied "Der Osten ist Rot" senden. 

Fuer den Konflikt von Software-Patentrechten und OpenSource-Software habe
ich im Rahmen von FFII einen Projektentwurf SWPAT formuliert:

	http://www.lrz.de/~phm/ffii/proj/swpatde.html

Koennte man etwas analoges auch fuer ein "freies Fernsehen" versuchen?

Wie koennte so ein Projekt aussehen?

Eigentlich ist doch "Der Osten ist Rot" ein oeffentliches Symbol, dessen
Bedeutung nur wenig mit den Verdiensten des Urhebers zu tun hat.
Die schlimmste Verklavung des Geistes durch das Kapital tritt genau dann
ein, wenn das Kapital Zugriff auf oeffentliche Bereiche bekommt.
Kann man hier nicht Schranken in das Urheberrecht einbauen?
Etwa auch im Sinne des Verfassungsprinzips "Eigentum verpflichtet"?

-- 
Hartmut Pilch
http://www.a2e.de/phm/