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Banktuerme - Industriebrachen von morgen



Langer Knurrzbericht vom 3. Symposium des

"Competence Network Electronic Commerce" (cnec) zum Thema

"Transformation der Intermediaere im Finanzbereich"

der Johann W.G.-Universitaet am 18.02.1999 in der DG Bank, Ffm
mit Einlass ab 08:45, Beginn 09:30, erster Vortrag 09:45.


Das recht kostenguenstige gute Fruehstueck in der DG-Bank zaehlt
zur Arbeitszeit und bewirkt, dass eher ausgeschlafene und
koerperlich fitte Mitarbeiter ihren Dienst in der Firma antreten.
Auch das DG-Mittagessen ist gut; zumindest besser als fast alle
Kantinenessen, die ich aus Hamburg kenne (und da kenne ich nicht
nur die Polizeikantine, wo das "secondary" Kennwort zum Eintritt
mittags "Mahlzeit" lautete).

DG-versorgte Mitarbeiter brauchen dann zu Hause einen relativ leeren
Kuehlschrank, dazu ein Tiefkuehlfach mit Fertiggerichten und einige
Zettel von Pizzadiensten etc. an der Wand. Ein CCC-Mitglied (in
einer postindustriellen Fuehrungsposition), bei dem ich nahe Frankfurt
uebernachtete, ist ganz anders organisiert. Als ich beim Fruehstueck
nach "Senf" zum Ei fragte, musste ich "genug!" rufen, als der die
zehnte Sorte Senf samt appetitlicher Kurzbeschreibung zur Auswahl
auf den Tisch stellte. Er meinte, er habe noch mehr und es waren
rund 15, wie ich beim Zurueckraeumen der Senfe nach dem Fruehstueck
erstaunt feststellen konnte. Beim CCC existiert eben nicht nur die
Vergangenheitsform "Genossen", sondern - abgesehen von Visionen -
auch die Gegenwartsform "Geniesser" (Zeit ist da _ein_ Parameter).


Die o.a. "cnec" bei der Deutschen Genossenschaftsbank begann recht
puenktlich. Leider sprach Dr. Salmony vom Vorstand nur ein paar
Saetze zur Begruessung statt eine seiner recht interessanten Reden
zu halten. Er eroeffnete die "cnec" gemeinsam mit Prof. Dr. Koenig,
der den Tag engagiert und klar moderierte.

Der "Muntermacher" war der erste Vortrag von PhD Peter G.W. Keen.
Er hielt ihn nach ein paar Worten auf deutsch in der Sprache des
Internet, auf englisch. Auch die Diskussion seines Vortrags
geschah auf englisch. Der Titel war

"The economic battlefield >intellectual capital<:
New Internet-based challenges and opportunities".

Der ehemalige Professor in Harvard, Stanford und MIT sowie
Gastprofessor in Wharton und an der Londoner Business School
nahm sein Publikum aus Bankern, Wirtschaftspresse sowie
die Wirtschaftsinformatiker der Uni so "ernst", dass er davon
sprach, dass sich Besucher einer Bank noch heute so kleiden und
verhalten, als seien sie sonntags in der Kirche. Peter Keen
liess offen, ob das der Bankweisheit letzter Schluss sei.

Ich war der wohl einzige im erlesenen Publikum, der lockerer gekleidet
war als "in der Kirche ueblich". Das amuesierte mich, weil mich "Mister
Chaos" vom CCC vorher instaendig bat, zum Vortrag bei cnec mit einem
weissen Hemd zu erscheinen - sonst wuerde mein Vortrag von den durchweg
konservativen Baenkern nicht ernst genug genommen. Ich trug stattdessen
ein schwarzes T-Shirt von http://www.cultdeadcow.com (die Back Orifice
"freisetzten") zur selbstgenaehten Latzhose aus Hanf. Darin "versteckt"
meine schneidertechnische Innovation: rechts und links hinter dem Latz
je eine 45 Grad schraege "Kartentasche" im ISO-Format fuer das heutzutage
noetige, taschendiebsicher gelagerte und trotzdem allzeit griffbereite
Plastikkartensortiment.

Peter Keen brachte eine Reihe anregender Betrachtungen ueber die
Rolle des "Intellectual Capital". Hart war sein Satz "Banking is
curious: it disappears". Beim Abendessen von Veranstaltern und
Referenten (ein exquisites italienisches Lokal in der Nummer 23
einer frankfurter Innenstadtstrasse - Kompliment an die Kueche)
habe ich mich noch angenehm mit ihm unterhalten.
Wer mehr von ihm wissen will, sei auf seine rund zwei Dutzend
Buecher hingewiesen. Aktuell verfasste Peter das erste Kapitel
in Nicholas Imparato (Ed., 1999): Capital for our Time - The
Economic, Legal and Management Challenges of Intellectual Capital.


Die Rueckstaendigkeit Deutschlands im Vergleich zum Rest der Welt
veranschaulichte er positiv mit finnischen Schulkindern, die statt
Spickzettel Loesungen per E-Mail tauschen mit sowas wie dem Nokia
Communicator. Peter verschwieg hoeflich, dass auch der runderneuerte
deutsche Kanzler technisch eher weniger kann als finnische Kinder.
Deutsche I+K-Politik ist so fortschrittlich wie das modernste Geraet
eines BRD-Autos. Amerikanische Hacker haben Linux im Kofferraum,
Internet per Funk und Twisted Pair Steckdosen in allen Autotueren -
fiel mir dazu ein. Am Abend ergaenzte Sybille Franzmann von
Bertelsmann, dass sie die Beamten "hinter" den Gesetzen wie dem
Teledienstegesetz waehrend der Entstehung der Gesetze nicht einmal
per E-Mail in Bonn erreichen konnte. Und in Berlin haben die
Abgeordneten im Reichstag nicht einmal Glasfaser an ihren Plaetzen,
wie eine CCC-Baustellenbesichtigung samt Party vor Ort ergab.

Peter trug vor, Deutschland hinke rund vier Jahre hinter den USA her.
Er unterschied vier Sorten Kapitalismus: den "long term capitalism",
wie ihn etwa SIEMENS praktiziert, "not too profitable" und risikoarm.
Dann die schwedische Variante, "social welfare, loyal capital". Drittens
den "club capitalism" und - was denn sonst - "Internet Kapitalismus".

Das "transaction business" ist so trivial, dass "banking disappears".
Peter wies auf die Notwendigkeit hin, zu "relationships" ueberzugehen.
Er thematisierte auch die wichtige Frage "Wem gehoert der Kunde".

Seinen Satz "The Browser is an ATM" (ATM: Bargeldautomat) illustrierte
er nicht nur mit CISCO (80% des Umsatzes via Internet), sondern auch
mit Dell. Deren vielleicht 100 Mio USD Umsatz taeglich nennt er
"zero based capitalism". Seine "zero" relativierte ich nachmittags
im Abschluss-Gedanken meines Vortrages auf "zwei Stunden".

Denn ich schloss mit "Grosse deutsche Moebelhaeuser ab einem gewissen
Umsatz sperren ihre Baenker in den Keller des Kaufhauses, wo die die
Transaktionen durchfuehren und diktieren als Keller-Eintrittsbedingung:
Wertstellung zwei Stunden nach Kundenzahlung. Vielleicht sind
die Bankentuerme in Frankfurt die Industriebrachen von morgen".

Nach dem Vortrag von Peter Keen lautete das Thema "Online Banking
und neue Intermediationsformen" von Dr. Will und Prof. Dr. Buhl aus
Augsburg. Da Herr Buhl krank war, referierte Herr Will solo.

Er konnte auf Zahlenmaterial der Advance-Bank zurueckgreifen, wo
bereits ein Drittel aller Transaktionen via Internet geschehen
mit einer monatlichen Steigerung von 10% und 214% per anno.
Die Vorreiterrolle von Btx beim Banking neigt sich dem Ende zu.
Als Stichworte notierte ich mir noch die Buendelung der
Finanzdienstleistungen durch Finanzintermediaere und als Ausblick
das "1:1 Banking" mit einer "audience = 1".

Abgeschlossen wurde der Vormittag mit der Vorstellung von AirPlus
der Lufthansa. Im B2B-Verkehr (business to business) versucht die
Lufthansa groesseren Kunden die Beschaffung von "Standard-Artikeln"
mit EDIFACT zu erleichtern. "Ohne" sollen oft neun Menschen in sieben
Abteilungen noetig sein, um z.B. einen Bleistift zu bestellen.
Das ist aufwendig und kostet entsprechend Geld.

Bestellung mit der Lufthansa-Kundenkarte soll einfacher sein.
Die LH garantiert dem Lieferanten die Zahlung und verrechnet via
AirPlus Card mit dem Kunden.
Zur Frage der "kritischen Masse" meinte Dieter Gritschke, es seien
derzeit etwa 100 Lieferanten mit je 500 bis einigen tausend Artikeln
und 30 000 Kunden. Auf meine Nachfrage, ob denn wenigstens https
genutzt werde, meinte Herr Gritschke, ein Anreiz fuer Missbrauch
sei "ueberhaupt nicht gegeben" (woertlich). Beim anschliessenden
Mittagessen laesterte ich ueber die minder schlaue Formulierung
"ueberhaupt nicht" und entwickelte aus dem Stegreif ein paar Szenarios,
wie man mit etwas Kenntnissen sich mal ein paar huebsche technische
Spielzeuge aus dem High End Bereich von der LH bezahlen lassen koennte.

Naja - natuerlich tut man sowas nicht.
Aber es ist schon schwierig, bei einem staatsnahen Unternehmen wie
der LH Sicherheitsbewusstsein zu erzeugen. Der allergroesste Teil
von E-Mail etwa mit hochsensiblen und geldwerten Daten wird immer
noch unverschluesselt uebermittelt. Als ein LH-Mitarbeiter auf
Verschluesselung bestand und sonst eine Dienstanweisung verlangte,
um weiterhin unverschluesselt zu arbeiten, geschah etwas simples:
er bekam die Anweisung.
Das entspricht dem Motto "Akten schaffen ohne Waffen".

Am Nachmittag kamen noch ein paar nette technische Details von Frank
Welsch-Lehmann von inTouch und Dr. Peter Buxmann von der Uni Ffm:
"Web-EDI auf Basis einer (sicheren) Extranet-Plattform".

Die Klammer habe ich um "sicheren" gemacht, weil dieser Begriff
im Titel nur auf der gedruckten Agenda auftaucht, aber nicht auf
der Ueberschrift auf der gezeigten Vortrags-Folie; das nur nebenbei.

Interessant in ihrer Praesentation war die Abbildung des womoeglich
von COBOL-Fanatikern entwickelten EDIFACT-Strukturgeschwulstes auf
XML; zumindest in wichtigen Punkten.
Damit wird EDIFACT viel eleganter handhabbar und unter verschiedenen
Aspekten darstellbar. Das wurde leider fuer das Niveau des Publikums
etwas zu technisch dargestellt. Mein nachtraeglicher Versuch einer
Kurzfassung lautet: die XML-Darstellung der EDIFACT-Verrechnungsstruktur
konkretisiert eine zentrale Aussage von Peter Keen "The browser is the
ATM", weil der Uebergang zu XML erlaubt, mit ueblichen Browsern
verschiedene Aspekte von Rechnungen mit geringem Aufwand darzustellen.
So habe ich es zumindest verstanden.

Erstaunen rief ich mit meiner Nachfrage hervor, weil mir die Software
auch im Lowend-Bereich einsetzbar schien. Denn ich weiss von Kuenstlern,
die gerne ihre Bilder im oertlichen Grossmarkt verkaufen wuerden, aber
di Markt-Bedingung lautet da schon oft: Du bist bekannt genug, dass wir
die Bilder ins Sortiment nehmen - aber Du musst per EDIFACT abrechnen.


Dazwischen lag noch der Vortrag "Deregulation und Elektronisierung
von Maerkten: IT-Unterstuetzung im Handel von Energie-, Telekommuni-
kations- und Finanzprodukten" von Prof. Dr. Weinhardt, Uni Giessen
(sehr interessant - Kernaussage: diese Maerkte werden verschmelzen)
sowie der von LL.M. Sybille Franzmann, Bertelsmann-Juristin, mit
dem Titel "Konzernstrategie neue Medien".

Mal eben 500 Millionen Mark (das war die genannte Summe) investiert
auch Bertelsmann nicht, ohne ueber "Strategie" nachzudenken.
Von AOL ging sie im Vortrag zu bol, Buecher Online.
Aufholen wollen sie gegen Emerson mit massiven Investitionen.

Da in Deutschland die kuerzeste Internet-Adresse drei Stellen hat,
holt man sich bol.de konzernintern und dann muessen andere halt
http://www.berlinonline.de tippen.

Mal sehen, was aus den Plaenen wird.

Andere bemuehen sich immerhin, Buchhandlungen noch Marktanteile
zu lassen  -  bol.de koennte da eine weitere kulturelle Verflachung
wie bei Marmeladensorten (Erdbeere, Aprikose, Kirsch) im Supermarkt
- nur eben bei Buechern - bewirken: Bestseller zur Marktpenetration.



"Traffic ist das teuerste und hoechste Gut" meinte sie und beschrieb
dann das Problem eines noch immer fehlenden Micropayment-Systems im
Internet. Btx erwaehnte sie nicht, das ist ja ein Wettbewerber.

IMO ist Btx zudem am Absterben, weil die T totgeborene Standards wie
KIT propagierte statt mit ihrem Pfund, dem Micropayment, zu wuchern.
Naja, das Problem des Dr. Sommer Teams ist die Unkenntnis der
Loesung im eigenen Haus - als ich das Eric Danke vor bald zwei
Jahren auf der IFA sagte, ging die Botschaft an ihm vorbei.

Perspektivisch will Bertelsmann Zeitschriftenartikel und Musik einzeln
im Internet zum Kauf anbieten. Auf die Nachfrage, wie das denn mit
LYCOS und MP3 aussaehe, meinte sie, dass bei Bertelsmann intern
jeder Bereich gegen jeden konkurrieren wuerde und insofern sei
das OK.

Ihre Federfuehrung als Juristin ist bei bol.de sichtbar.
Abgesehen von Dingen wie "eccookie" in der URL sind die
"Sicherheitsstandards" durchdacht formuliert und nicht mit heisser
Nadel gestrickt wie allzuoft sonst. Auf der Zunge zergehen lassen
muss man sich auch die "Datenschutz-Standards" bei bol.de.
Da wird konzernweite Datenstreuung wunderhuebsch "kundenfreundlich"
formuliert im Absatz (Zitat Stand 23.02.1999, ca. 15 Uhr):

---
Ihre persoenlichen Angaben
Wir geben Ihre persoenlichen Angaben nie an Dritte weiter, die nicht
direkt mit BOL oder unseren Partnern zusammenarbeiten. ...
---

Das ist echte Partnerschaft beim Datenaustausch.
In der Diskussion bei der Veranstaltung waren mir diese Webseiten
noch nicht bekannt, sonst haette ich dazu nachgefragt. Denn ein
weiterer Kernsatz von ihr lautete "Wer hat die Kundenbeziehung?"

So kam meine Wortmeldung kurz nach ihrem ebenso huebschen Satz

"Der Kunde wird aufgeteilt in seine Interessen".

Ich zitierte diesen Satz und fragte aus einer anderen Perspektive,
naemlich: "Wessen Kunde bin ich denn?" und brachte ein Beispiel,
das den Bertelsmann-Konzern zumindest streift.

Wer sich eine d-box im Handel kaufte, dem bot dieses Geraet auch
Gelegenheit, Video-CDs zu betrachten. Irgendwann wurde per Satellit
ein Software-Update ausgestrahlt. Diese empfing das Geraet und
installierte ohne (!) Nachfrage. Danach konnte man keine Video-
CDs mehr betrachten und Downdating konnte nicht einmal der Haendler.

Wessen Kunde bin ich nun, wenn ich das wieder rueckgaengig machen
will: Muss ich mich an meinen Haendler wenden, dem ich mein Geld gab?
An die Softwarebastler bei beta Research, die das Update schrieben?
Oder an den Pay-TV-Anbieter, der mir ungefragt Bits ins Geraet schickte?

Wenn ich ihre langatmige Antwort versuche zusammenzufassen,
lautet das Ergebnis, dass bei konzernuebergreifenden Kooperationen
der Kunde schon teilweise auf der Strecke bleiben koenne.

Als ich dann nachsetzte, aus solchen Vorfaellen wuerde der CCC das
Recht ableiten, Software auch (!) der d-box zu zerlegen und zu
veraendern, lachte das Publikum - obwohl das bitterer Ernst war :-)


Ganz zum Schluss des Tages kam ich "dran" mit "Sicherheitsmaengel
bei Finanztransaktionen". Da ich meine Vortraege in der Regel
frei halte aufgrund von Stichworten auf Zetteln, bat ich nach der
Mittagspause darum, ob das auf Audiokassette aufgezeichnet werden
kann, weil ich gern einen Mitschnitt haette. Das war zwar eine
Vorplanungszeit groesser als der Zeitrahmen der o.a. Wertstellung
bei Geldzahlung an ein Moebelhaus, aber doch wohl unzureichend.

Aktuell konnte ich von S-Connect berichten, einer Software fuer
u.a. Sparkassen, die jeder Beschreibung spottet. Ich versuchte,
den "Mythos" des http://www.ccc.de  der "alles knacken kann", zu
"banalisieren" durch die rauhe Wirklichkeit beim Internetbanking,
die - als Fallbeispiel - ein engagierter Laie aufmachen kann.

Da hatte doch ein Kunde das Problem, dass sein Online-Konto nicht
mehr "ging". Er meinte, keinen Fehler gemacht zu haben, der
die Sperrung ausgeloest haben koennte. Da er nicht mit einer
"DOS-Attacke" (Denial Of Service) gegen sich rechnete, dachte
er an einen Versuch Unbekannter, seinen Kontozugang zu hacken.

Sein Kreditinstitut behauptete "das Uebliche": die Software
sei voellig sicher. Daraufhin schaute er sich diese etwas genauer
an. Es handelt sich um eine ACCESS-Datenbank mit Passwort.
Am Telefon berichtete er mir, dass er da halt die Software
benutzt habe, die man auch bei der Bundeswehr anwendet, wenn
ein Soldat nicht mehr greifbar ist, der irgendwas mit ACCESS
gemacht hat. Das ist nichts besonderes; derartige Software
findet man dutzendweise im Internet - aber immerhin ist sogar
die Bundeswehr heute auf der unteren Ebene in mancher Hinsicht
"besser" als eine ganze Menge Kreditinstitute, die uebermuetige
Sicherheitsbehauptungen nicht einmal nachpruefen koennen und sie
vermutlich deshalb sogar glauben.

Besonders erstaunlich schien mir die "Tarnung" der TAN in der
Datenbank: das Datenfeld ist irgendwie doppelt so lang wie eine
TAN und man muss nur jede zweite Ziffer nehmen (Gelaechter).

Dieser "Hack" war eher nur ein "Augen auf im Datenverkehr"
als das "Eindringen" in besonders geschuetzte Bereiche.
Aus Sicht der Kreditinstitute koennte man sagen "Schliesslich
ist es ihr Geld und nicht unseres". Naja, diesen Satz habe ich
mir zumindest im Vortrag verkniffen...

Das Sahnehaeubchen oder Powerpuenktchen findet man im Internet
in der FAQ der "Juengsten Zeit" (Stand: Juli 1998; vergleiche
das zitierte Datum 12.12.97) zu S-CONNECT (gedruckt 17.02.1999) auf

http://skonline.de/skonline/PP-Folien/hotline_kit.txt   unter

<zidad currend, ohne Ottogravierkorrektur>

"7. OCX-Fehler
...
7.1 Weitere Moeglichkeiten der Beseitigung
Eine Idee der Juengsten Zeit (12.12.97) ist: Wenn die Regedit
nach der Datei comdlg16 durchsucht wird erhaelt man neben anderen
auch die Eintragung im Bereich:
Hkey_currend_user/Software/Microsoft/Windows/CurrendVersion/Explorer
/DocFindSpecMru.
Wird Dieser Eintrag geloescht (hat noch keiner Ausprobiert) kann
nach einer Neuinstallation eine Besserung eintreten. Diese Idee
sollte mal an einem Kunden mit Verstaendnis der Sachlage getestet
werden.

</zitat>

Nachdem ich _das_ gelesen habe, wusste ich, wie zumindest
_der_ Finanzsoftware-Hersteller mit seinen Kunden umgeht.

Wahrscheinlich hat auch niemand, der einen derartigen Vortrag
mit PowerPoint erdulden musste, einen Lachanfall bekommen,
sondern - wie beim Besuch einer Gate'schen Kathedrale - mit Anzug
und Krawatte andaechtig gelauscht. Dieses Detail frei nach
Peter Keen fehlt in "Kathedrale ./. Basar", zu finden auf
http://www.linux-magazin.de/ausgabe.1997.08/Basar/basar.html

Und auf http://www.ohlerich.de steht die "S-CONNECT-Geschichte".

Herr Ohlerich schrieb eine Mail an den CCC und als da binnen
48 Stunden keine Antwort kam, an den Heise-Ticker, der sofort
berichtete. Ich wollte das fuer die CCC-Zeitschrift "Datenschleuder"
und da die vierteljaehrlich erscheint, war mir das alles nicht so
eilig - nur fuer den Vortrag am naechsten Tag schrieb und telefonierte
ich mit Herrn Ohlerich. Denn sein Erlebnis war eine aktuelle
Bestaetigung dessen, was aus meiner Sicht allzu oft "normal" ist.

Es gibt eine ganze Menge "sicherer" Software, die so "sparsam"
programmiert wurde, dass man sie nur scharf anschauen braucht
und sie offenbart alles.

Ich erwaehnte noch ein paar andere Geschichten aus der Geldwelt
im Netz wie die unverschluesselten Ueberweisungen eines anderen
Geldinstituts, das auf dem Server entdeckt wurde, wo das Infoprogramm
AKW Grafenrheinfeld (u.a.) laeuft. Als "Webgraffitti" war dort ein
Atompilz zu sehen mit dem huebschen Text "Unsere Atomkraftwerke
sind so sicher wie unsere Webserver". Die Sparkasse bekam FNORD auf
ihre Webpage und behauptete anschliessend, natuerlich waere alles
bei ihr verschluesselt, aber das war eine doch recht wahrheitsferne
Darstellung des Sachverhalts.

Ich stellte das Problem in den Raum, dass es aus Hackersicht
schwierig ist, mit solchen Problemen umzugehen. Wenn man sich
einfach an den Vorstand eines Kreditinstitutes wendet, hat das
nicht unbedingt den gewuenschten Effekt eines sichereren Systems,
sondern die allzuoft eh ueberlasteten Systemadministratoren,
denen fuer Sicherheit kein Zeitbudget zur Verfuegung steht,
bekommen Druck. Umgekehrt hilft es eher nicht, mit den Admins
zu reden, weil dann der Vorstand das Problem nicht begreift.

Da hoffe ich, dass zumindest einige "hoehere Herren" im Publikum
dieses Problem begriffen haben: Sicherheit kostet Geld.
Und sie kostet weniger Geld als das - aus Kundensicht eher
bittere - Gelaechter ueber S-Connect "hinterher".

Auch zum Tode von TRON kamen Nachfragen in der Diskussion nach
meinem Vortrag, aber die Frage vermied das Wort "Tod".
Ich schilderte meine Erinnerung an ihn und dass sich Hacker da
nicht einschuechtern lassen - gerade Chipkartenhacking ist
aktueller denn je und daran wird unbeirrt gebastelt. Ich
berichtete, dass ich bereits zu dem Zeitpunkt, als nach TRON
noch gesucht wurde - das war waehrend der SYSTEMS - einen Termin
mit der Sicherheitsabteilung von beta Research avisierte und
dort versuchte klarzustellen, dass eine etwaige Publikation,
wie man Billigkopien von df1-Karten herstellt, nicht als
Angriff des CCC gegen einen Konzern zu verstehen ist, sondern
als Akt der Notwehr. Das sind alles schwierige Themen, aber
das Grundprinzip lautet "Sicherheit durch Offenheit" statt
"Security by Obscurity". Beim "Klonen" von Handy-Karten ging
es dem CCC auch nicht darum, Quadratmeter in der Medienlandschaft
zu besetzen, sondern darum, einem Konzernvorstand klarzumachen,
dass ein System sicherer ist, wenn es offengelegt wird.

Das ist - zumindest bei den geklonten Handykarten - gelungen
und der Betreiber hat nach fuenf Minuten Telefonaten begriffen,
dass er seine Juristen zwecks Kleinklagen des CCC wieder einpacken
kann. Bei Banken befuerchte ich, dass da der Fortbildungsbedarf
auf der Fuehrungsebene noch etwas hoeher ist und es laenger als
fuenf Minuten braucht in einem vergleichbaren Fall.

(c) 1999 Wau Holland

Und nun zur Abteilung Galgenhumor:
--
"Hunde bitte an die Leine!" (Text zum Bild eines am Galgen
haengenden Hundes, unter sich sein letztes Haeuflein. Zu sehen
auf der Frankfurter Messe "Ambiente", ca. 5000 Aussteller aus
93 Laendern, abgedruckt in Frankfurter Rundschau 19.02.1999)