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[FYI] Im Wortlaut: Das Bertelsmann-Memorandum



http://www.frankfurter-rundschau.de/fr/280/t280002.htm

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Verantwortung im Internet

Im Wortlaut: Das Bertelsmann-Memorandum

Der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Mark Wössner, 
stellte während der Tagung "Internet Content Summit" in München 
Empfehlungen für ein weltweites System zur Selbstregulierung und zum 
Jugendschutz vor. Die FR dokumentiert sie online vollständig.  

[...]


2. Selbstregulierung von Internetinhalten: auf dem Weg zu einem 
systematischen, integrierten und internationalen Ansatz  

Die Antwort auf den Mißbrauch des Internet kann nur in einem 
integrierten, systematischen und dynamischen Ansatz gefunden werden, 
denn das Netz selbst ist ein sich ständig verändernder und 
entwickelnder Raum. Dabei sollten gesellschaftliche Bedürfnisse und 
nationale Befindlichkeiten in einem offenen Diskurs berücksichtigt 
werden. Nur ein systematischer Ansatz, der technologisches Potential 
mit der Kompetenz von Regierungen, Internetindustrie und Bürgern 
vereint, verspricht Erfolg bei der Sicherung von Jugendschutz und 
Meinungsfreiheit. Angesichts der globalen und grenzenlosen 
Architektur des Internet erfordert ein solcher Ansatz nicht nur die 
Koordinierung auf nationaler und regionaler Ebene, sondern unbedingt 
auch eine internationale Zusammenarbeit.  

3. Internet-Industrie: Entwicklung von Verhaltenskodizes  

Verhaltenskodizes der Industrie sollen sicherstellen, daß die 
Anbieter von Inhalten und Diensten im Internet entsprechend ihrer 
gesellschaftlichen Verantwortung handeln. Voraussetzung ist, daß 
diese Kodizes gesellschaftliche Forderungen aufnehmen, denn nur so 
können sie als Kontrollsystem mit hoher Glaubwürdigkeit akzeptiert 
werden.  

Eine wichtige Forderung dieser Verhaltenskodizes wäre zum Beispiel, 
daß Internet Service Provider illegale Inhalte von ihren Servern 
entfernen, sobald sie auf deren Existenz hingewiesen werden. Der 
Ablauf dieses Verfahrens ("notice-and-take-down") sollte in den 
Verhaltenskodizes genau festgelegt sein. Insbesondere müssen 
Richtlinien für die ordnungsgemäße Benachrichtigung der Online-
Diensteanbieter über illegale Inhalte festgelegt werden. Die Anbieter 
von Internetzugängen oder Onlinediensten können diese Regelungen zur 
Bekämpfung des Mißbrauchs dann vertraglich gegenüber ihren Kunden 
absichern, um etwaigen Haftungsansprüchen schon vorab zu begegnen.  

Es liegt im Interesse der Industrie, ihrer gesellschaftlichen 
Verantwortung durch die Übernahme solcher Verhaltenskodizes 
nachzukommen. Dadurch wird das Vertrauen der Verbraucher gestärkt, 
was sich letztlich geschäftsfördernd auswirkt.  

4. Geteilte Verantwortung: Institutionen der Selbstregulierung 
überwachen die Einhaltung der Verhaltenskodizes  

Die Verabschiedung und Durchsetzung der Verhaltenskodizes muß in den 
Händen von Selbstregulierungsinstitutionen liegen, denn nur so kann 
ihre volle Wirksamkeit garantiert werden. Diese Institutionen müssen 
die Internetgesellschaft repräsentativ abbilden und für alle 
relevanten Parteien offen sein. Ferner sollten sie von staatlicher 
Seite rechtlich anerkannt und abgesichert sein, damit sie ihren 
Auftrag optimal ausüben können. Wirkungsvolle Selbstregulierung 
erfordert außerdem die Einbeziehung der Internetnutzer bei der 
Aufstellung der Verhaltenskodizes. Ohne die Mitarbeit der Nutzer kann 
letztlich nicht angemessen auf deren Bedürfnisse reagiert werden.  

5. Regierungen: Unterstützung der Selbstregulierung  

Selbstregulierungsmechanismen sind ohne staatliche Unterstützung 
nicht funktionsfähig. Der Gesetzgeber muß zumindest rechtliche 
Freiräume für die Selbstregulierung schaffen. Besser noch sollten 
staatliche Stellen die im Wege der Selbstregulierung aufgestellten 
Verhaltenskodizes "ratifizieren" und durch Strafverfolgung oder 
andere Maßnahmen flankieren. Denn Selbstregulierung hat Grenzen: Ohne 
staatliche Unterstützung kann beispielsweise nicht gewährleistet 
werden, daß die Anbieter von kinderpornographischem Material gefaßt 
und bestraft werden. Mechanismen der Selbstregulierung können dazu 
beitragen, daß Kriminelle das Internet nicht ungestraft für ihre 
Zwecke nutzen können. Neben der rechtlichen Absicherung der 
Selbstregulierung sollten staatliche Stellen die Aufklärung der 
Nutzer über die Möglichkeiten der Selbstregulierung gewährleisten. 
Dies könnte Schulungen für die Nutzung technischer Filterprogramme 
umfassen oder die Information über die Aufgaben von Hotlines, an die 
Nutzer problematische Internetinhalte melden können.  

6. Selbstbewertung und Filtersysteme: verfügbar und einfach  

Filtertechnologie dient der Emanzipation der Nutzer. Sie erlaubt 
ihnen zu steuern, welche Internetinhalte sie oder ihre Kinder 
erreichen. Intelligent eingesetzt kann diese Technologie dazu 
beitragen, die Kontrolle jugendgefährdender Inhalte von Regierungen, 
Regulierungsbehörden und Überwachungsorganen auf die einzelnen Nutzer 
zu übertragen. Deshalb stehen die Klassifizierung und Filterung von 
Internetinhalten im Mittelpunkt unserer Empfehlungen für ein 
integriertes Selbstregulierungssystem. Die grundlegenden Kategorien 
für die Klassifizierung der Internetinhalte sollten von einer 
unabhängigen und internationalen Organisation erarbeitet und 
regelmäßig aktualisiert werden. Anbieter von Inhalten auf der ganzen 
Welt müssen dazu aufgerufen werden, ihre Inhalte zu kennzeichnen.  

7. Internet-Filtersysteme: Gewährleistung von Jugendschutz und 
Meinungsfreiheit  

Ein gutes Filtersystem gewährleistet gleichzeitig Nutzerautonomie, 
Meinungsfreiheit, ideologische Vielfalt, Transparenz, Datenschutz, 
Interaktivität und Kompatibilität. Das System muß sich durch eine 
benutzerfreundliche Schnittstelle auszeichnen, die die Mehrheit der 
Nutzer auch mit begrenzten Computerkenntnissen in die Lage versetzt, 
bestimmte Inhalte auszublenden. Filter können von einer Vielzahl 
interessierter Organisationen entwickelt werden. Die Industrie sollte 
den Einsatz und die Verfügbarkeit von Filtersystemen fördern, indem 
sie die Verbraucher über die Anwendung der Filter aufklärt und es 
Eltern, Lehrern und anderen Nutzern leicht macht, Filter auszuwählen, 
zu installieren und sie entsprechend ihren Wertvorstellungen 
einzustellen. Provider sollten rechtlich nicht zur Filterung von 
Inhalten verpflichtet werden. Regierungen oder 
Regulierungsinstitutionen können Filter zwar zur Verfügung stellen, 
sollten aber ihre Verwendung nicht vorschreiben.  

[...]

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