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[FYI] Im Wortlaut: Das Bertelsmann-Memorandum
- To: debate@fitug.de
- Subject: [FYI] Im Wortlaut: Das Bertelsmann-Memorandum
- From: "Axel H. Horns" <Horns@t-online.de>
- Date: Mon, 13 Sep 1999 09:40:02 +0200
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- Organization: PA Axel H. Horns
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Verantwortung im Internet
Im Wortlaut: Das Bertelsmann-Memorandum
Der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Mark Wössner,
stellte während der Tagung "Internet Content Summit" in München
Empfehlungen für ein weltweites System zur Selbstregulierung und zum
Jugendschutz vor. Die FR dokumentiert sie online vollständig.
[...]
2. Selbstregulierung von Internetinhalten: auf dem Weg zu einem
systematischen, integrierten und internationalen Ansatz
Die Antwort auf den Mißbrauch des Internet kann nur in einem
integrierten, systematischen und dynamischen Ansatz gefunden werden,
denn das Netz selbst ist ein sich ständig verändernder und
entwickelnder Raum. Dabei sollten gesellschaftliche Bedürfnisse und
nationale Befindlichkeiten in einem offenen Diskurs berücksichtigt
werden. Nur ein systematischer Ansatz, der technologisches Potential
mit der Kompetenz von Regierungen, Internetindustrie und Bürgern
vereint, verspricht Erfolg bei der Sicherung von Jugendschutz und
Meinungsfreiheit. Angesichts der globalen und grenzenlosen
Architektur des Internet erfordert ein solcher Ansatz nicht nur die
Koordinierung auf nationaler und regionaler Ebene, sondern unbedingt
auch eine internationale Zusammenarbeit.
3. Internet-Industrie: Entwicklung von Verhaltenskodizes
Verhaltenskodizes der Industrie sollen sicherstellen, daß die
Anbieter von Inhalten und Diensten im Internet entsprechend ihrer
gesellschaftlichen Verantwortung handeln. Voraussetzung ist, daß
diese Kodizes gesellschaftliche Forderungen aufnehmen, denn nur so
können sie als Kontrollsystem mit hoher Glaubwürdigkeit akzeptiert
werden.
Eine wichtige Forderung dieser Verhaltenskodizes wäre zum Beispiel,
daß Internet Service Provider illegale Inhalte von ihren Servern
entfernen, sobald sie auf deren Existenz hingewiesen werden. Der
Ablauf dieses Verfahrens ("notice-and-take-down") sollte in den
Verhaltenskodizes genau festgelegt sein. Insbesondere müssen
Richtlinien für die ordnungsgemäße Benachrichtigung der Online-
Diensteanbieter über illegale Inhalte festgelegt werden. Die Anbieter
von Internetzugängen oder Onlinediensten können diese Regelungen zur
Bekämpfung des Mißbrauchs dann vertraglich gegenüber ihren Kunden
absichern, um etwaigen Haftungsansprüchen schon vorab zu begegnen.
Es liegt im Interesse der Industrie, ihrer gesellschaftlichen
Verantwortung durch die Übernahme solcher Verhaltenskodizes
nachzukommen. Dadurch wird das Vertrauen der Verbraucher gestärkt,
was sich letztlich geschäftsfördernd auswirkt.
4. Geteilte Verantwortung: Institutionen der Selbstregulierung
überwachen die Einhaltung der Verhaltenskodizes
Die Verabschiedung und Durchsetzung der Verhaltenskodizes muß in den
Händen von Selbstregulierungsinstitutionen liegen, denn nur so kann
ihre volle Wirksamkeit garantiert werden. Diese Institutionen müssen
die Internetgesellschaft repräsentativ abbilden und für alle
relevanten Parteien offen sein. Ferner sollten sie von staatlicher
Seite rechtlich anerkannt und abgesichert sein, damit sie ihren
Auftrag optimal ausüben können. Wirkungsvolle Selbstregulierung
erfordert außerdem die Einbeziehung der Internetnutzer bei der
Aufstellung der Verhaltenskodizes. Ohne die Mitarbeit der Nutzer kann
letztlich nicht angemessen auf deren Bedürfnisse reagiert werden.
5. Regierungen: Unterstützung der Selbstregulierung
Selbstregulierungsmechanismen sind ohne staatliche Unterstützung
nicht funktionsfähig. Der Gesetzgeber muß zumindest rechtliche
Freiräume für die Selbstregulierung schaffen. Besser noch sollten
staatliche Stellen die im Wege der Selbstregulierung aufgestellten
Verhaltenskodizes "ratifizieren" und durch Strafverfolgung oder
andere Maßnahmen flankieren. Denn Selbstregulierung hat Grenzen: Ohne
staatliche Unterstützung kann beispielsweise nicht gewährleistet
werden, daß die Anbieter von kinderpornographischem Material gefaßt
und bestraft werden. Mechanismen der Selbstregulierung können dazu
beitragen, daß Kriminelle das Internet nicht ungestraft für ihre
Zwecke nutzen können. Neben der rechtlichen Absicherung der
Selbstregulierung sollten staatliche Stellen die Aufklärung der
Nutzer über die Möglichkeiten der Selbstregulierung gewährleisten.
Dies könnte Schulungen für die Nutzung technischer Filterprogramme
umfassen oder die Information über die Aufgaben von Hotlines, an die
Nutzer problematische Internetinhalte melden können.
6. Selbstbewertung und Filtersysteme: verfügbar und einfach
Filtertechnologie dient der Emanzipation der Nutzer. Sie erlaubt
ihnen zu steuern, welche Internetinhalte sie oder ihre Kinder
erreichen. Intelligent eingesetzt kann diese Technologie dazu
beitragen, die Kontrolle jugendgefährdender Inhalte von Regierungen,
Regulierungsbehörden und Überwachungsorganen auf die einzelnen Nutzer
zu übertragen. Deshalb stehen die Klassifizierung und Filterung von
Internetinhalten im Mittelpunkt unserer Empfehlungen für ein
integriertes Selbstregulierungssystem. Die grundlegenden Kategorien
für die Klassifizierung der Internetinhalte sollten von einer
unabhängigen und internationalen Organisation erarbeitet und
regelmäßig aktualisiert werden. Anbieter von Inhalten auf der ganzen
Welt müssen dazu aufgerufen werden, ihre Inhalte zu kennzeichnen.
7. Internet-Filtersysteme: Gewährleistung von Jugendschutz und
Meinungsfreiheit
Ein gutes Filtersystem gewährleistet gleichzeitig Nutzerautonomie,
Meinungsfreiheit, ideologische Vielfalt, Transparenz, Datenschutz,
Interaktivität und Kompatibilität. Das System muß sich durch eine
benutzerfreundliche Schnittstelle auszeichnen, die die Mehrheit der
Nutzer auch mit begrenzten Computerkenntnissen in die Lage versetzt,
bestimmte Inhalte auszublenden. Filter können von einer Vielzahl
interessierter Organisationen entwickelt werden. Die Industrie sollte
den Einsatz und die Verfügbarkeit von Filtersystemen fördern, indem
sie die Verbraucher über die Anwendung der Filter aufklärt und es
Eltern, Lehrern und anderen Nutzern leicht macht, Filter auszuwählen,
zu installieren und sie entsprechend ihren Wertvorstellungen
einzustellen. Provider sollten rechtlich nicht zur Filterung von
Inhalten verpflichtet werden. Regierungen oder
Regulierungsinstitutionen können Filter zwar zur Verfügung stellen,
sollten aber ihre Verwendung nicht vorschreiben.
[...]
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