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Re: interessante anwendungsmoeglichkeiten



On 9 Oct 99, at 12:31, Johannes Ulbricht wrote:

From:           	Johannes Ulbricht <Johannes_Ulbricht@csi.com>
To:             	"'Heiko Recktenwald'" <uzs106@ibm.rhrz.uni-bonn.de>
Copies to:      	"'debate@fitug.de'" <debate@fitug.de>
Subject:        	Re: interessante anwendungsmoeglichkeiten
Date sent:      	Sat, 9 Oct 1999 12:31:42 +0200

> >Loeschbarkeit auch gegen den Willen des Empfaengers geht wohl nicht, kann
> >man Copy and Paste effektiv disablen ?
> 
> Kann ich mir nicht vorstellen, versteh davon allerdings auch nichts. Sicher ist 
> eins: Wenn sowas auf den Markt kommt, wird in vielerlei Hinsicht das totale 
> Chaos ausbrechen, da derartige Informationen nicht miteinander verlinkt bzw. 
> zitiert werden koennen. Der Sinn schriftlicher Informationen, die 
> Bestaendigkeit bzw. Verifizierbarkeit wird ad absurdum gefuehrt. Das laesst 
> sich auf vielfaeltige Weise ausnutzen, nicht nur fuer 
> Kopierschutzmechanismen.

Die Schose laesst sich ueberhaupt nur vor dem Hintergrund des U.S.-
amerikanischen "Discovery"-Verfahrens verstehen: In der Anfangsphase 
einer Zivilklage duerfen sich die Parteien in weiten Grenzen 
gegenseitig in die Akten sehen - ein sog. "Ausforschungsbeweis", den 
es nach DE-Recht *nicht* gibt. Schon bislang haben U.S.-Firmen 
deshalb einen gewissen Horror vor zu ausfuehrlichen Papierarchiven. 
Bei e-Mail potenziert sich das noch, weil die Leute in diesem Medium 
einfach geschwaetziger sind. *Nach Klageerhebung* ist das Vernichten 
von Material *streng verboten*. Daher die Marktluecke fuer Systeme, 
die die kontinuierliche "Bereinigung" von Firmenarchiven leisten. 
Dass hierbei nebenbei auch Geschichtszeugnisse vernichtet werden, 
steht auf einem anderen Blatt.  

Welche Bedeutung Firmenarchive haben koennen, sieht man u.a. bei den 
gegenwaertigen Verhandlungen ueber Entschaedigungen fuer Zwangsarbeit 
in der Nazizeit.

Zum Thema "Discovery" eine kleine Anekdote aus der Praxis: Ein US-
Unternehmen mit Niederlassung in DE wird in den USA wegen 
Patentverletzung verklagt. Sofortige Anweisung aus der U.S.-Zentrale 
an die DE-Niederlassung, sofort "each copy" eines vertraulichen 
internen Memos zu vernichten, aus dem klar hervorgeht, dass das 
fragliche Patent auf Weisung des Vorstandes vorsaetzlich verletzt 
wurde. Der deutsche Angestellte versteht "copy" als "Kopie" und 
vernichtet brav alle existierenden Ablichtungen des betreffenden 
Memos; das "Original" laesst er jedoch im Safe liegen. Beim Discovery-
Verfahren findet sich ein Hinweis auf die Existenz des Originals, das 
Original wird zaehneknirschend an den Gegener ausgehaendigt. 
Ergebnis: Verurteilung (nach US-Recht) zu *dreifachem* Schadensersatz 
("Triple Damage"), da es sich um Patentverletzung mit Vorsatz 
handelte. Haette man das Dokument *nach Klageerhebung* vernichtet und 
waere diese Vorgehensweise aufgeflogen, haette es wohl genau dasselbe 
Ergebnis gegeben - wegen Beweisunterdrueckung.     

Daher das Bestreben der Amis, E-Mails moeglichst gar nicht erst zu 
archivieren.

Axel H Horns