FITUG e.V.
Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft
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Forderungen der Verbraucherverbände
zu den Kernfragen des Verbraucherschutzes
in der Informations- und Wissensgesellschaft
(28. Mai 1997)
Auch in der Bundesrepublik Deutschland bewegt man sich mit zunehmender
Geschwindigkeit auf eine Inforrnations und Wissensgesellschaft zu.
Von dieser Entwicklung bleibt der Verbraucherschutz nicht unberührt.
Nachfolgend sind die wesentlichen Forderungen der Verbraucherverbände
an einen angemessenen Verbraucherschutz bei der Nutzung von Medien und
Telediensten formuliert:
Forderung 1 (Vielfältigkeitsgebot auch für Netze)
Auch Online-Netze müssen nach Vielfaltsgesichtspunkten betrieben
werden.
Netzbetreiber dürfen Diensteanbieter (Service Provider) oder Lieferanten
von Inhalten (Content Provider) daher nur ablehnen können, wenn hierfür
Gründe vorliegen, die zuvor in allgemeingültigen Rahmenbedingungen
präzise definiert worden sind. Auch muß Klarheit darüber
geschaffen werden, nach welchen Kriterien gegebenenfalls das Einspeisen
bestimmter Angebote vom Netzbetreiber verweigert werden kann.
Forderung 2 (Rahmenbedingungen für Preisstruktur)
Für Umfang und Preisstruktur der Netzversorgung sind Rahmenbedingungen
zu schaffen, die gewährleisten, daß sich die Nachfrage nach Online-
Diensten nicht ausschließlich auf kommerziell ausgerichtete massenattraktive
Angebote konzentriert.
Forderung 3 (Verbesserung der kommunikativen Kompetenz)
Es müssen medienpädagogische Programme entwickelt werden, um die
kommunikative und multimediale Kompetenz von Nutzern aller Altersstufen zu entwickeln
und zu verbessern.
Forderung 4 (Anbietertransparenz)
Eine gesetzliche Regelung der Mindestangaben über die Person und
das Unternehmen des jeweiligen Online-Dienste- und Produktanbieters ist
dringend erforderlich.
Forderung 5 (Preistransparenz)
Der "internationale Marktplatz Internet" muß durch eine objektive
Vergleichbarkeit aller Preis- und Entgeltbestandteile insgesamt transparent
gemacht werden. Auch bei einer via Bildschirm angebotenen Leistung
muß eine klare und umfassende Preisangabe erfolgen, aus der hervorgeht,
welche Kosten im Laufe der Inanspruchnahme des Dienstes entstehen und aufgrund welcher
Verrechnungssätze die abschließende Preisstellung erfolgt. Hierzu
zählen Angaben über Pauschalentgelte ebenso wie Angaben über Entgelte
für das Uberziehen zuvor fest vereinbarter Stundenkontingente oder über die
vom Diensteanbieter verwendete und den Kunden zur Verfügung gestellte
Technik. Provider und Datenbankenanbieter müssen ihre Preisübersichten
umfassend, eindeutig und nachvollziehbar gestalten und vor der Inanspruchnahme
zusätzlicher kostenträchtiger Angebotsteile unmißverständlich
darauf aufmerksam machen, daß hierfür ein weiteres Entgelt berechnet wird.
Forderung 6 (Einheitliche Preisauszeichnung in Europa)
Entsprechend dem Ansatz der EU-Preisangabenrichtlinie muß zumindest
innerhalb der Europäischen Union eine Preisauszeichnung sichergestellt werden,
die klare und vergleichbare Angaben gewährleistet (vgl. Richtlinie des
Rates 88/3141EWG vom 7. Juni 1988 über den Schutz der Verbraucher bei der
Angabe der Preise von anderen Erzeugnissen als Lebensmitteln; Abl.EG 1988
L 142/019).
Forderung 7 (Zahlungsmodalitäten)
Netz- und Diensteanbieter sollen Ihren Online-Kunden die Möglichkeit
einräumen, eine Zahlung erst nach Erhalt der Ware oder Leistung per
Uberweisung vornehmen zu können. Das entspricht den üblichen
Geschäftspraktiken bei schriftlicher Bestellung nach Katalog oder der
überwiegenden Praxis im Versandhandel.
Den Anbietern muß rechtlich verwehrt sein, den Kunden über ihre
Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Vorkasseregelung aufzuzwingen. Darüber
hinaus sollte den Kunden die Nutzung anonymer Zahlungsverfahren offenstehen
(Beispiel: Prepaid Cards).
Schließlich muß für die Zahlung per Kreditkarte ein technischer
Standard festgeschrieben werden, der einen Mißbrauch und Manipulationen mit
Kartendaten ausschließt.
Forderung 8 (Werbung in Online-Medien)
Klare Rahmenbedingungen für die Darstellung von Werbung in den neuen
Medien sind unumgänglich. So muß vor allem Werbung in den Netzen
jederzeit klar als solche erkennbar, redaktioneller Teil und Werbung müssen
stets voneinander getrennt sein.
Informationsangebote, in denen Kinder unmittelbar angesprochen werden,
müssen frei von Werbung sein. Die Dienste- und Inhalteanbieter dürfen
darüber hinaus ihre Informationsseiten nur so gestalten, daß die
Kinder von dort aus nicht direkt auf Werbeseiten weitergeführt werden.
Schließlich dürfen Informationsangebote, die sich an Minderjährige
richten, nicht - wie heute zu beobachten - dazu genutzt werden, ohne Wissen und
Kenntnis der Erziehungsberechtigten personenbezogene Daten der kindlichen Nutzer
oder von Personen aus dem häuslichen Umfeld zu erfassen, auszuwerten und
an Dritte weiterzugeben (vgl. hierzu auch Forderung 13).
Eingriffe in das Privatleben durch besonders aufdringliche oder aufgezwungene
Kommunikation müssen verhindert werden. Das gilt auch und vor allem
für unverlangte Werbebotschaften via e-mail, die dem Charakter nach mit
unerwünschter Telefax- oder Telefonwerbung vergleichbar sind, deren
Wettbewerbswidrigkeit wiederum von der Rechtsprechung inzwischen eindeutig
bestätigt wurde.
Forderung 9 (Datensicherheit und Digitale Signatur)
Wichtige Voraussetzungen für die unabdingbare Rechtssicherheit im
elektronischen Rechtsverkehr sind der Einsatz der Digitalen Signatur
unter Verwendung öffentlicher Schlüsselsysteme sowie eine gesetzlich
geregelte Sicherungsinfrastruktur, die ein hohes Maß an Interoperabilität
der die Sicherungsinfrastruktur bildenden Zertifizierungsstellen und
eine weitgehende Kompatibilität der Systemkomponenten garantieren
muß.
Forderung 10 (Datenschutzaudit und Qualitätsmanagementsysteme in Zertifizierungsstellen)
Wegen des breiten Aufgabenspektrums und der besonderen Verantwortung
der Zertifizierungsstellen als tragende Elemente der Sicherungsinfrastruktur
müssen an Qualität und Zuverlässigkeit von deren Arbeit hohe
Anforderungen gestellt werden.
Eine auf freiwilliger Basis durchgeführte unabhängige Auditierung
der internen Datenschutzmaßnahmen und die Anwendung zertifizierter
Qualitätsmanagementsysteme in den Zertifizierungsstellen können
ergänzend zu den erforderlichen gesetzlichen Auflagen einen entscheidenden Beitrag
zur Erhöhung der Qualität und Zuverlässigkeit von Zertifizierungsstellen
leisten.
Forderung 11 (Schlüsselnutzung unter Pseudonym)
Es müssen gesetzliche Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden,
daß auf Antrag des Nutzers zertifizierte Schlüssel auch unter
Pseudonym verwendet werden können.
Forderung 12 (Kryptographie)
Bei der Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr müssen
Verschlüsselungsverfahren und Schlüssel frei wählbar, ihre
Geheimhaltung ohne Einschränkungen garantiert sein. Das Hinterlegen
von Schlüsseln oder von
Teilen von Schlüsseln in einer Zertifizierungs- oder einer sonstigen
festgelegten Stelle wird ebenso abgelehnt wie die Verwaltung
hinterlegter Schlüssel- oder Schlüsselteile mit Hilfe sogenannter
"Key-Recovery-Verfahren", die eine vom Schlüsselinhaber nicht zu
kontrollierende Offenlegung von Schlüsselparametern möglich machen.
Forderung 13 (Datenschutz)
Das Recht der Nutzer, über die Preisgabe und Verwendung ihrer personenbezogenen
aten selbst zu bestimmen, darf auch in offenen Computernetzen
und bei der Nutzung von Online-Diensten nicht eingeschränkt werden.
Insbesondere muß verhindert werden, daß Nutzerprofile erstellt
und zu Marketingzwecken verwendet werden.
Dienste und Multimedia-Einrichtungen müssen so gestaltet sein, daß
während der Nutzung keine oder so wenig personenbezogene Daten wie
möglich erhoben, verarbeitet und genutzt werden (Prinzip der Datenverme=
idung).
Bei Verstößen gegen Datenschutzbestimmungen müssen wirksame Sanktio=
nen ergriffen werden können.
Forderung 14 (Öffentliche Dienstleistungen "online")
Öffentliche Dienstleistungen wie zum Beispiel die Beantragung eines
Personalausweises oder das Anmelden eines Kraftfahrzeugs müssen auch
weiterhin grundsätzlich in herkömmlicher Form angeboten werden.
Sollen diese Dienstleistungen jedoch langfristig gesehen aus Kosten- und/oder
administrativen Gründen nur noch auf elektronischem Wege, also "online"
abgewickelt werden, muß der Staat seinen Bürgern einen einfachen
und kostengünstigen Zugang zur "elektronischen
Geschäftsfähigkeit" einräumen.
Dazu müssen neben möglichen privaten auch staatliche Zertifizierungs-
stellen geschaffen werden, die ihre Dienstleistungen allen Bürgern
kostengünstig zur Verfügung stellen.
Forderung 15 (Verantwortung der Diensteanbieter für Inhalte)
Diensteanbieter müssen auch für rechtswidrige Inhalte, zu denen
sie lediglich den Zugang gewähren, in die Verantwortung genommen werden,
sofern sie
- von den betreffenden Inhalten Kenntnis erlangt haben und
- die Sperrung dieser Inhalte mit zumutbarem Aufwand technisch machbar
ist und durch eine solche Sperrung keine anderen Rechtsgüter verletzt
werden (Stichwort: Zensurrisiko etwa im Fall der vollständigen Sperrung
eines zentralen Servers).
Die Entscheidung für oder gegen die Zumutbarkeit einer solchen Maßnahme
darf jedoch nicht ausschließlich ökonomisch begründet sein. Auch
darf die Frage, ob ein Rechtsverstoß zu beheben ist, grundsätzlich nicht
in der alleinige Entscheidungsbefugnis des oder der Diensteanbieter
liegen.
Forderung 16 (Haftung im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs)
Die Haftung von Netz- und Diensteanbietern ist generell im Interesse
der Nutzer zu regeln. Da nur die Anbieter aufgrund ihres Wissensvorsprungs
bezüglich der Beschaffenheit und der Funktionsweise der eingesetzten
Systeme und technischen Komponenten in der Lage sind nachzuweisen, daß eine
mögliche Schadensursache nicht in ihrer Sphäre liegt, wird eine
bereichsspezifische Umkehr der Beweislast gefordert.
Forderung 17 (Haftung der Zertifizierungsstellen im Rahmen der Digitalen Signatur)
Für Schäden, deren Ursache im Fehlverhalten einer Zertifizierungsstellen
liegt, müssen verbindliche Haftungsregelungen geschaffen werden.
Die allgemeinen Haftungsregelungen müssen im Interesse der betroffenen
Rechtskreise und im Interesse der Akzeptanz des Instruments der Digitalen
Signatur erweitert werden.
Insbesondere muß eine Haftung eingerichtet werden für solche Schäden,
die durch ein vom Betreiber einer Zertifizierungsstelle oder dessen
Gehilfen verschuldetes Fehlverhalten ausgelöst wurden. Die Regelungen
könnten so ausgestaltet sein, daß für die Zertifizierungsstellen
ein verschuldensunabhängiges Haftungsrecht eingeführt wird, bei dem
an die Entlastungsmöglichkeit der Zertifizierungsstellen hohe Anforderungen
gesteilt werden.
Dabei darf es keinen Unterschied machen, ob bei einem nachgewiesenen
Fehlverhalten der Zertifizierungsstelle dessen Vertragspartner oder
Dritte, die nicht Vertragspartner der Zertifizierungsstelle sind,
einen Schaden erleiden.
Forderung 18 (Deckungsvorsorge im Rahmen der Haftung)
Schadensersatzansprüche gegenüber Zertifizierungsstellen müssen
tatsächlich auch im vollen Umfang befriedigt werden können. Hierfür
könnte beispielsweise eine zwingende Deckungsvorsorge in Form einer
Haftpflichtversicherung vorgeschrieben werden.
Forderung 19 (Urheberrechtschutz)
Eine einheitliche und international verbindliche Regelung des Urheberrechtsschutzes
in offenen Computerneken ist unumgänglich.
Forderung 20 (International einheitliche Regeln für Medien- und Teledienste
Die Bundesregierung soll sich in den zuständigen europäischen und
internationalen Gremien für den baldigen Abschluß intemational
gültiger Rahmenbedingungen für die Nutzung moderner Medien- und Teledienste
einsetzen.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft, JPL, 24.6.97
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