FITUG e.V.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

Popkomm

http://www.zeit.de/2003/34/Popkomm_erz_

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Musik

Der Fluch der fetten Jahre

Auf der Kölner Popkomm fragt sich die Musikindustrie, wozu man sie noch braucht

Von Thomas Gross

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Regelmäßige Besucher der Kölner Entertainment-Messe Popkomm wissen nur zu gut, was sie ab heute erwartet, wenn die Unterhaltungsindustrie sich wieder vier Tage lang selbst zur Schau stellt: wortreiche Brand- und Ruckredner mit statistikgestützten Klagegesängen über weitere dramatische Umsatzeinbußen. Fono- Funktionäre, die ausschließlich den so genannten Peer-to-Peer-Tausch ? das kostenfreie Zirkulieren von Musikdateien übers Netz ? für die Krise verantwortlich machen. Lobbyisten, die angesichts schlechter Zeiten herzzerreißend den Schutz der Politik erflehen. Auch der bevorstehende Umzug von Köln nach Berlin wird nichts daran ändern. Same procedure as last year, same procedure as every year: Das Geschehen hat etwas von einem wiederkehrenden Schwank und erinnert, was Performance und Strategie anbelangt, an eine Tagung des Bauernverbands. Leider fehlt den Darstellern nicht nur jeglicher Sinn für Selbstkritik, sie machen auch kaum den Eindruck, als wüssten sie, was sie tun.

Wenn irgendeine Industrie in den letzten Jahren den Eindruck völliger Planlosigkeit hinterlassen hat, dann jene Branche, die einmal für ihren Glamour bekannt war. Lange wähnte man sich in einem endlosen Aufwind, feierte noch rauschende Feste, als bereits die Piratenflagge der Internet-Börse Napster am Horizont auftauchte und mit ihr die Vorhut der Surfer und Netz-Tauscher. Dann ging der Kurs hektisch in diametral entgegengesetzte Richtung: Ein spektakulärer, dem Image nicht eben förderlicher (außerdem folgenloser) Schauprozess gegen die Mutter aller Tauschbörsen begleitete die volle Fahrt voraus ins Internet. Heute, da aus den Dotcoms längst ?Dotgones? geworden sind, scheint wieder mehr Bodenhaftung gefragt zu sein. Man beschränkt sich darauf, einzelne User (oder sich gegenseitig) auf Schadensersatz zu verklagen, und entwickelt digitale Geschäftsmodelle, die selten wirklich funktionieren. Wenn alles nichts hilft, muss eben der Staat regulierend eingreifen. Das mag leidlich unterhaltsam sein, lösungsorientiert ist es nicht.

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