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Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

Polizei droht Fiasko bei Telefonüberwachungen

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Polizei droht Fiasko bei Telefonüberwachungen

Bisheriger Softwareanbieter in Korruptionsfall verstrickt - Alternativlösung bislang nicht in Sicht - Staatsrat: Problem ist erkannt

Von André Zand-Vakili

Der Hamburger Kriminalpolizei droht ein Fiasko: Die zur Verbrechensbekämpfung dringend notwendigen Telefonüberwachungen können nach bisherigem Sachstand nicht wie bisher fortgeführt werden. Grund ist der Korruptionsfall um die hessische Firma Reuter, dem bundesweit führenden Anbieter für Telefonüberwachungstechniken. Von ihr ist das Hamburger Landeskriminalamt komplett mit dieser komplizierten Abhörtechnik ausgestattet.

Ende November hatten Fahnder die Elektronikfirma Reuter im hessischen Haiger durchsucht. Der Vorwurf: Mitarbeiter hatten Beamte des Zollkriminalamtes bestochen. Der Inhaber und Geschäftsführer, sowie ein leitender Mitarbeiter wurden in Untersuchungshaft genommen. Ermittlungen gegen drei Zollfahnder wurden eingeleitet. Wie es mit der Firma weiterläuft, ist unklar. Eins dagegen ist sicher. Die Firma ist für die Sicherheitsorgane als Geschäftspartner nicht mehr tragbar.

Das Landeskriminalamt Hamburg ist von dieser Entwicklung besonders schwer getroffen. Technik zur Telefonüberwachung wurde exklusiv durch die Firma geliefert. Auch wichtige Wartungsarbeiten an der als "sehr speziell und kompliziert" eingestuften Software wurden durch Mitarbeiter der Firma Reuter durchgeführt. Das brennendste Problem: Reuter sollte den Umzug der Abhörtechnik und die Neuinstallation im neuen Präsidium Alsterdorf durchführen. Ohne das Wissen der Reuter-Mitarbeiter ist es fraglich, ob man die Telefonüberwachungsanlagen zum Laufen bringt. Sorge bereitet vor allem die Software. Zwei führende Softwarefirmen, mit denen die Hamburger Polizei zusammenarbeitet, haben signalisiert, dass es Monate oder auch ein Jahr dauern könnte, bis man die Programme beherrscht. Dazu kommen Copyrightprobleme.

Sollte der Einbau gelingen, drohen in vier bis sechs Monaten Schwierigkeiten, falls die Software nicht regelmäßig gewartet wird. Das dritte Problem ist ein neues Computerprogramm, das die Firma Reuter geliefert hat. Damit sollen Protokolle erstellt werden und ein Überspielen in EDV-Anlagen möglich sein. Fällt die Firma für die Systempflege aus, wäre laut eines hohen Beamten "schon in einem Jahr ein neues Programm nötig".

Die Telefonüberwachung ist für die Kripo eine der wichtigsten Optionen im Kampf gegen die Schwerkriminalität. Angewandt werden darf diese Technik nur mit richterlicher Genehmigung in ausgesuchten Bereichen wie in Fällen Organisierter- und Rauschgiftkriminalität oder im Kampf gegen Korruption. Fälle der erfolgreichen Anwendung gibt es zuhauf. Durch Telefonüberwachung war die Polizei kürzlich auf die Spur eines Beamten gekommen, der Passfälscher unterstützte.

Entsprechend ist das Entsetzen bei der Kripo, dass dieses Mittel in absehbarer Zeit nicht mehr in vollem Umfang zur Verfügung stehen könnte. "Wir haben das Problem erkannt und arbeiten dran", sagt Staatsrat Wolfgang Prill. Bislang werden einige Möglichkeiten geprüft. Zwar sind neben Hamburg 14 Landeskriminalämter, das BKA und der BND betroffen. Drei LKA und das BKA verfügen aber über andere Abhörtechnik. Mit ihnen könnte kooperiert werden. Dann müssten allerdings bei der Telefonüberwachung Prioritäten gesetzt werden. Nur noch wenige ausgesuchte, der sonst jährlich rund 100 in Hamburg anfallenden Fälle, könnten durchgeführt werden.

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