FITUG e.V.

Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft

Berliner Zeitung: "Ein Maschendrahtzaun im Internet "

http://www.BerlinOnline.de/aktuelles/berliner_zeitung/.html/30artik39. html


Ein Maschendrahtzaun im Internet

Mit neuer Software können im Netz nationale Grenzen eingezogen werden

von Helmut Merschmann

Ob das World Wide Web zukünftig noch seinen Namen verdient, ist fraglich. Vielleicht sollte man es bald besser landesweites Netz oder einfach nur Stadtgeflecht nennen - mit einem Maschendrahtzaun drum herum. Neuartige Software zielt darauf ab, den globalen Zugriff auf Web einzuschränken und dem Surfer nur Vollmachten fürs Inland zu erteilen. Was der Musiksender MTV in der Fernsehwelt bereits durchgesetzt hat - nationale Fenster mit eigener Moderation - das steht womöglich bald im Netz an.

Die Claims im Internet sollen neu abgesteckt werden. Parzellen, die den nationalen Grenzlinien entsprechen, werden den Blick über die eigenen Landesgrenzen hinaus verunmöglichen. Websites sollen nun selbst entscheiden, welche Inhalte sie in welche Region übermitteln - abhängig vom Einwahlpunkt des Surfers beziehungsweise vom Standort seines Providers.

Mittels der IP-Nummer, die jedem ans Internet angeschlossenen Computer zugewiesen ist, lässt sich der geografische Ort des Nutzers zwar nicht exakt identifizieren, doch per Landeskennung grob bestimmen.

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Die Globalisierung im Netz geschieht also paradoxerweise durch eine Regionalisierung der Angebote und Inhalte. In eine ähnliche Richtung zielen Bemühungen der deutschen Musikindustrie, deren "Rights Protection System" (RPS) es ermöglicht, Internetadressen mit illegalen Musikdateien zu sperren. Auf diese Weise soll Raubkopierern das Leben erschwert werden. Auch hierbei spielen die Nationalgrenzen eine Rolle, denn die Software kann an allen Internet-Routern mit Auslandsverbindung eingesetzt werden, um eine "virtuelle Grenzbeschlagnahme" zu vollziehen.

Deutsches Urheberrecht gilt dann auch im weltweiten Datennetz: Die Verbindungen nach Übersee werden kurzerhand gekappt. Durch den Abgleich mit einer vom Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft erstellten Negativliste, wird der Zugriff auf alle inkriminierten URLs verweigert - und somit auf alle weiteren dort lagernden Informationen.

Auch andere Verwendungsmöglichkeiten, die dem Nationalrecht dienen, sind denkbar. Laut einer Meldung der Online-Zeitschrift "telepolis" haben das Justiz-, Finanz- und Wirtschaftsministerium bereits Interesse angemeldet. Dass sich Grenzbarrieren aus Software indes leicht überwinden lassen, ist nahe liegend. Im Falle von MP3- Musikdateien reicht es schon aus, die Daten per E-Mail zu versenden, und schon ist ein System wie RPS ausgetrickst. Auch verschlüsselte Verbindungen können nicht wirkungsvoll kontrolliert werden.

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